gefährdete Flurdenkmale |
Im Kapitel über Vorkommen und Standort der Steinkreuze wurde schon auf verschiedene Umstände hingewiesen, die zur Verminderung dieser
Steinmale beigetragen haben. Diese Hinweise müssen noch erweitert werden. Jahrhundertelang vernebelte menschlicher Aberglaube und menschliche Phantasie die
Wahrheit über Relikte aus längst versunkenen Tagen. Schon z. Zt. Karls des Großen war es bei Todesstrafe verboten, an solchen Steinen, an Steinanhäufungen, an
Wegkreuzungen zu beten oder Opfer zu bringen. Karl der Große ließ viele solcher Steine stürzen und an den alten, als "heidnisch" verschrienen Plätzen neue Kultstätten
christlicher Prägung wie Kirchen, Kapellen und Kreuze mit entsprechend "heiligen Bezeichnungen" errichten. Rückblickend muß auch die Zeit der Säkularisation
(Einziehung geistlicher Besitzungen) genannt werden, die zur Dezimierung der Steinkreuze beigetragen hat. Damals wollte bekanntlich der bayerische Staat aus allen
ihm entbehrlich erscheinenden Dingen Geld schlagen (Abbruch von Schlössern, Burgen, Kirchen, Kapellen, Kreuzwegstationen usw.), andererseits verfolgten die
Verfechter der Aufklärung alte Zeugen geschichtlicher Vergangenheit mit gehässigem Eifer. Es liegt nahe, anzunehmen, daß damals Leute, welche noch angeborene
Scheu und Ehrfurcht vor den Steinkreuzen hatten, diese (soweit sie gefährdet waren) vergruben, um sie vor dem Zugriff und der Vernichtung zu retten. Eine andere
Deutung wäre die, daß die Angehörigen oder Nachkommen eines Totschlägers, welcher ein Sühnekreuz setzen mußte, dieses eines Tages heimlich vergruben, um die
Erinnerung an die Untat, welcher einer aus ihrer Sippe verübt hatte, auszulöschen. Auch die Möglichkeit, daß es der Täter selbst war, welcher zu gegebener Zeit das
Zeichen seiner Schuld beseitigte, muß in Betracht gezogen werden. Weiterhin könnten in einer Zeit, welche Sinn und Zweck der Steinkreuze nicht mehr kannte,
Grundeigentümer in abergläubischer Scheu sich der auf ihren Äckern oder Wiesen vorhandenen Steinkreuze durch Vergraben entledigt haben. Und der Anfang des
19.Jahrhunderts leistete hinsichtlich der Vernichtung von Flurdenkmälern Großartiges. Es war Anno 1802, da erging zur Förderung des Schulwesens folgende,
Allerhöchste Verordnung: "Wir Max Josef verordnen gnädig, daß an allen jenen Orten, wo die Erbauung neuer Schulhäuser oder die Erweiterung bereits vorhandener
nötig ist, die in der Nähe befindlichen unnötigen Filial- und Feldkirchen und die hiervon erhaltenen Baumaterialien zu erwähntem Bau angewendet werden sollen".
Im Rahmen der Ausführung dieser Verordnung wurden auch alte Martersäulen und was in diese Kategorie gehört (Steinkreuze!) allenthalben weggeschafft. Und
das Beispiel "von oberer Hand" fand in der Bevölkerung getreuliche Nachahmer. Der Bauer zweifelte am Wert der alten Bauwerke, es fehlte ihm auch an eigenem
Urteil, was erhaltens- und pflegenswert sei. So mußte manche Martersäule, manches Steinkreuz, verschwinden, um zu "besseren Zwecken", etwa beim Bau eines
Stalles oder anderen Bauvorhaben verwendet zu werden. In den 80er Jahren soll ein Bauer in Oberhaid einen "Hunnen-" oder "Hünen-Stein", einst ein großer aufgerichteter
Stein, abgebrochen und zum Stallbau genutzt haben. Aber als dann mancherlei seltsame Sachen in seinem Stall vorkamen, schickte sich der "bäuerliche Stallbauer"
an, die eingebauten Stücke des einstigen Flurdenkmals wieder auszubauen und an seinen früheren Standplatz zurückzubefördem. - In der Flur eines Ortes der
nächsten Umgebung Bambergs stand eine Martersäule, die auf Anregung des Bürgermeisters zum Bau des Dorfkirchleins Verwendung fand. - Im Bannkreis des
"Hauptmoores" (Umkreis von Bamberg) standen 11 Martern, die in einer einzigen Nacht 1785 durch eine bübische Tat zusammengeschlagen wurden. Wenn wir hier
in Franken noch zahlreiche Sühnekreuze finden, so sind nicht mehr Bluttaten als anderswo geschehen. Vielmehr ist das damit zu erklären, daß die Bevölkerung ihre
Denkmale besonders geachtet hat, und dies meist unter Duldung durch die Obrigkeit. So hatte der letzte Markgraf von Ansbach/Bayreuth, Alexander, in einem
gedruckten Ausschreiben vom Juli 1771, wiederholt am 10.4.1780, den besonderen Schutz geschichtlicher Denkmale befohlen, darunter auch den der Kreuze,
Martersäulen und anderer Flurdenkmäler. Diese Verordnung dürfte vermutlich die älteste sein, die die Pflege der Flurdenkmäler betrifft (nach Leonhard Wittmann).
(Schwarz, Georg - Steinerne Zeugen an Straßen und Wegen Oberfrankens, 1991, S.23-24)