ID | 125 | Titel | Sühne und Gedenken. Steinkreuze in Baden-Württemberg | Jahr | 1981 | Autor | Losch, Bernhard | Region | Baden-Württemberg | Inhalt | Bernhard Losch: Sühne und Gedenken. Steinkreuze in Baden-Württemberg. (Forschungen und Berichte zur Volkskunde in Baden-Württemberg, Band 4.)
Kommissions-Verlag Konrad Theiß, Stuttgart, 1981, 349 Textseiten und 72 Bildseiten
Nachdem der Verfasser 1968 sein Büchlein "Steinkreuze in Südwestdeutschland" vorgelegt hatte, haben die interessierten Steinkreuzforscher der deutschsprachigen Länder auf das angekündigte Inventar gewartet, das infolge ungünstiger Verhältnisse lange auf sich warten ließ. Erst 1977 konnte der Plan zur Vorlage des Inventars wieder aufgenommen werden. Sich vermutlich erneut abzeichnende Schwierigkeiten waren dann wohl die Veranlassung dazu, den Band bald herauszubringen. Der Rezensent hat den Eindruck, daß als Folge dessen die Umbruchkorrektur sehr flüchtig durchgeführt wurde. So sind auf der Abbildungsseite 15 Bildnummern vertauscht worden, auf S.19 ist die Beschreibung von Köngen I, II unter Kirchheim unter Teck gerutscht, auf S.179 sind die Abstände falsch angeordnet und zum Bild 506 wurde vergeblich die Beschreibung gesucht. Zwar alles nur Kleinigkeiten, die der interessierte Leser selbst erkennt, die aber für ein derart gut gestaltetes Buch etwas unverständlich erscheinen.
Losch bildet im Gegensatz zu den sächsischen Inventaren nicht alle Kreuze ab und bringt sie auch nicht in einem stets gleichen Maßstabsverhältnis. Dem Rezensenten erscheint das ausreichend. - Da aber Losch z.T. auch aus den Stilmerkmalen zu Datierungsversuchen kommt, wäre eine zeichnerische Übersichtsentwicklung erwünscht gewesen; doch hat schon Losch selbst erkannt, daß eine derartige Hilfe problematisch bleiben muß, weil die Entwicklungsrichtlinien der Kreuze im Main-Tauber-Kreis ganz andere gewesen sein dürften als am Bodensee. Doch treten auch Unterschiede zu beiden Seiten des Schwarzwaldes auf, wobei sicher auch das Material der Kreuze, das fast stets aus der Umgebung des Standortes stammt, eine Rolle gespielt haben dürfte. Man muß dem Verfasser für die gehabte Vorsicht nur dankbar sein, denn nur zu gern werden Erkenntnisse anderer Verfasser auf benachbarte Räume übertragen. Das gilt auch für die Zeichen auf den Kreuzen, die Losch für sein Bearbeitungsgebiet als Berufszeichen deutet, was bei dem eindeutigen Überwiegen von Pflügen oder Teilen derselben und Rebmessern ganz natürlich erscheint. Das Auftreten von Schwertern, Messern, Beilen und sogar des Morgensternes im mitteldeutschen Raum spricht dagegen vielmehr für die Mord- oder Unglückswaffen.
Der Verfasser hat in sein Inventar alle Kreuze aufgenommen, die man auch als "niedere Steinkreuze" bezeichnet hat, eindeutig als Hoch- oder Feldkreuze anzusprechende Flurdenkmale wurden nicht aufgenommen, obwohl die Übergänge zu Bildstöcken und Feldkreuzen recht fließend sind, was vor allem an den Steinkreuzen mit Bildnischen beobachtet werden kann. - Die Angaben des Alters der Kreuze, die ja nur in Ausnahmefällen datiert sind, sind mit Unsicherheit verbunden, die auch der Rezensent in dieser Art vor 30 Jahren noch nicht erkannte. Wie die Tracht der städtischen Mode nachhinkte, so halten sich Merkmale der Gotik noch bis in die Zeit des Barock. Der Verfasser hat sich dann mit von-bis-Angaben geholfen.
Der Gefahr der Summierung ist der Verfasser dadurch entgangen, daß er keine Allgemeinübersicht gibt und dafür den einzelnen Kreisen Übersichten vorgestellt hat. Auch hier liegt, schon bereits eine Gefahr, da die Kreiseinteilung auf der Reform von 1972 basiert und dabei doch recht unterschiedlich gewachsene Gebilde zusammengefaßt worden sind. Der Verfasser hat ja nicht nur die Sühnekreuze erfaßt, sondern auch die jüngeren, aber in der Form ähnlichen, Gedenkkreuze. Die letzteren dürften aber in evangelischen Gebieten kaum zur Aufstellung gekommen sein, so daß schon die Verteilung der Kreuze mit einer Karte, auf der die Konfessionsunterschiede etwa um 1850 dargestellt sind, verglichen werden müßte. Schwierig ist auch zu beurteilen, ob z.B. im Hochschwarzwald durch die geringere Besiedlungsdichte auch ein lichterer Steinkreuzbestand zu verzeichnen ist. Der Rezensent wünscht sich eine stärkere kartenmäßige Auswertung, die den Preis des Buches vermutlich aber ins Unerschwingliche getrieben hätte und die ja noch erfolgen kann.
Der Verfasser gibt den Standort der Kreuze nach Rechts- und Hochwerten im 3°-Streifen an. Diese Angaben bieten die Möglichkeit, schnell und einfach eine Verbreitungskarte zu zeichnen, in die aber eine Gradeinteilung nur eingetragen werden kann, wenn auch die Blatteckenwerte bekannt sind. Über diese verfügt aber der Normalbürger und auch der Archäologe nur in den seltensten Fällen. Werden die Standorte mit den Abständen zu den Kartenrändern angegeben, benötigt man zwar keine Blatteckenwerte, sondern kann die Standorte sofort in das von den Grenzen der TK-Karten gebildete Netz eintragen, muß aber eine entsprechende Umrechnung auf den gewählten Maßstab vornehmen. Da bisher leider keine Einigung zwischen den Archäologen über das zweckmäßigste einzuschlagende Verfahren erzielt werden konnte, erscheint es dem Rezensenten noch als die günstigste Lösung beide Möglichkeiten zu bieten. - Vorteilhaft für die Unterschutzstellungen ist die Angabe der Flurstücke, auf denen sich die Kreuze befinden. Vorteilhaft vor allem dann, wenn die Fluren neu geordnet worden sind und die Standorte sich auf Privatgrundstücken befinden.
Die Mitteilung der örtlichen Überlieferung läßt erkennen, daß im Volksmund der ursprüngliche Errichtungsgrund meist noch grob bekannt ist. Fehlberichte sind dabei nicht zu vermeiden, doch scheint die Fehlerquote unter 10 Prozent zu liegen. - Die Angabe von Skelettfunden scheint nicht nur umstritten zu sein, sondern muß umstritten werden, wenn keine zeitliche Fixierung der Funde möglich
ist. Wenn z.B. bei Emeringen Menschen-und Pferdeskeleüfunde gemacht worden sind und beide Skelettarten zusammen gehören, so ist eine solche Bestattung wohl kaum im späten Mittelalter oder gar in der Neuzeit erfolgt. Andernteils dürften Funde von Uniformteilen an Steinkreuzen eher für Nachbestattungen sprechen. Bei den wenigen Funden dieser Art wünschte sich der Rezensent ergänzende Angaben und keine Verweise auf die oft verstreute Literatur, die außerhalb des Erfassungsgebietes nur selten zur Verfügung steht.
In den Kreisübersichten wird durchweg auf Sühnen und ihre Beurkundung hingewiesen. Verallgemeinernd kann festgestellt werden, daß im 13. Jh. Aufzeichnungen über Sühnen nicht nachweisbar sind, was aber zu Lasten fehlender Urkunden geht, unterlagen Totschlagsühnen doch in Ablösung der Blutrache der privaten Gerichtsbarkeit. Interessant der Hinweis, daß sich im Alb-Donau-Kreis 1427 und 1462 in den Sühnen die Söhne verpflichten mußten, den Totschlag an ihrem Vater nicht zu rächen. Das bedeutet doch, daß man noch bis nach 1400 mit der Ausübung der Blutrache rechnete.
Die erste Beurkundung einer Sühne erscheint 1306, jedoch noch ohne Verpflichtung zur Setzung eines Steinkreuzes. Das gleiche ist noch für 1309, 1323 und 1339 nachweisbar. Erst um diese Zeit scheint sich der kirchliche Einfluß so weit gefestigt zu haben, daß neben den Totengedenkfeiern auch Steinkreuze zu errichten waren und vermutlich noch später muß sich die Abbitte an den Toten auf dessem Grab entwickelt haben. - Wenn dann die Sühneurkunden verstärkt im 15.Jh. und später erscheinen, dürfte das nicht einer Sittenverrohung zugeschrieben werden, sondern dem Bestreben der Obrigkeiten, alle vorkommenden Rechtsfälle an sich zu ziehen, zu beurkunden und mit Gebühren zu belegen, um sich damit eine Einnahmequelle zu verschaffen. Wie weit sich das einbürgerte zeigt doch das Formularbuch des Alexander Hugen von 1530, also 2 Jahre vor Erlaß der Lex Carolina. Sollte das Wehren der Städte und Territorialherren gegen dieses Gesetz nicht auch deswegen erfolgt sein, weil man eine Verminderung des Einkommens aus Strafgeldern befürchtete?
Beachtlich ist der lange Zeitraum, ehe sich die Lex Carolina durchsetzte. Wenn einesteils im Prechthal 1575 ein Totschlag mit Strafe oder Verweisung bestraft werden sollte und dagegen ein Jahr zuvor im benachbarten österreichischen Teil des Alb-Donau-Kreises noch eine Sühne aufgezeichnet, wurde, so spricht dies für die unterschiedliche obrigkeitliche Behandlung. Die langwährende Dauer des Sühnegedenkens beweist 1637 eine Empfehlung des Basler Bischofs zur schiedlichen Beilegung eines Totschlags im Dorf Au. - In einer, leider ohne Jahreszahl mitgeteilten Sühne aus dem Bodenseekreis wird ausdrücklich vom Totschläger neben dem Sühnekreuz noch ein Grabkreuz gefordert, ein Beweis dafür, daß der Erschlagene nicht beim Sühnekreuz beigesetzt wurde, wie manchmal zu lesen ist.
Daß sich die Höhe des Wergeides nach den sozialen Verhältnissen des Totschlägers zu richten hatte, beweist ein Schreiben der Grafen von Heiligenberg und Werdenberg an den Rat der Stadt Überlingen, daß dieser für ein vernünftiges Maß Sorge tragen möchte, das auch der Täter, ein Untertan der Grafen, erfüllen könnte. Auch bei anderen Kreisen, so Biberach, fällt die unterschiedliche Höhe des Wergeides auf, das sich nach dem Vermögen des Totschlägers richtete, dagegen scheinen die kirchlichen Strafen nur wenig differenziert gewesen zu sein, mit Ausnahme vielleicht der Anzahl der Priester, die an den Totenmessen teilzunehmen hatten.
Das Buch ist eine Fundgrube, da das von Losch gebrachte Material, wie aus dem Vorangeführten hervorgeht, sehr reichhaltig und vielseitig auswertbar ist. - Dem Verfasser und dem Herausgeber (Landesstelle für Volkskunde, Stuttgart) kann man nur dazu gratulieren.
Walter Saal, Merseburg
(aus: Zeitschrift für Archäologie 18, 1984, S.276-279)
| Periodika | Kommissionsverlag Konrad Theiss Verlag Stuttgart | Bestellung | | ISBN | 3-8062-0754-2 | Typ | Buch | | 1075 erwähnte Objekte |
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