[...] An erster Stelle soll auf eine Gruppe von Steinen hingewiesen werden, deren Vorkommen
sich, soweit sich das bis jetzt hat ermitteln lassen, fast ausschließlich auf die preußische Provinz Sachsen - natürlich einschließlich der
kleineren dazwischen geschobenen Gebiete - und zwar nur auf die Gegend von Apolda bis Zerbst in Anhalt beschränkt, das sind die
genagelten oder Nagelsteine. Bereits im Jahre 1884 hat Herr Prof. Kirchhoff in Halle darauf
aufmerksam gemacht, daß ganz Thüringen dieser seltsamen Altertümer bar und ledig ist, oder genauer, daß diese Steine nur in dem
Übergangsgebiete aus Thüringen zur großen norddeutschen Tiefebene heimisch oder wenigstens bis jetzt nachgewiesen sind. Ihre
Eigentümlichkeit besteht, wie schon der Name besagt, darin, daß in sie bald nur wenige, bald aber auch außerordentlich viele
eiserne Nägel eingeschlagen sind.
[...] Betrachten wir nun den Aberglauben d.h. den heidnischen Glauben, welcher
sich an die Nagelsteine knüpft, so drängen sich folgende Wahrnehmungen auf:
Die Steine, in welchen sich Nägel eingeschlagen finden, erweichen beim Gewitter, nach einem Bericht sogar schon
bei heftigem Platzregen; nur dann nehmen sie die Nägel willig auf. Wer mit seinem Nagel später kommt, schlägt ihn nutzlos krumm. Stehen schon hiernach
diese Steine in einer eigentümlichen Beziehung zum Gewitter, so ist es gewiß nicht als Zufall anzusehen, daß
sich überdies noch mehrere Gewittersagen an dieselben knüpfen. Der böse Ritter versinkt beim Alberstedter Stein in die Erde bei furchtbarem Donnerwetter;
die Verwandlung des Kutschers nebst Gespann in Stein geht bei Krimpe ebenfalls unter Donner und Blitz vor sich. Ganz besondere Beachtung aber verdient, daß
der Zauberer, der in den Naumburger Stein Nägel mit seiner Zipfelmütze einschlägt, den Namen Pumphut führt. Dieser Pumphut mähmlich ist eine in der
ganzen nordgermanischen Tiefebene bis weit nach Osten hin verbreitete mythologische Erscheinung mit landschaftlich nur wenig abgeändertem namen. In Westfalen
begegnen wir ihm unter dem namen Pumphut, wo er als reisender baumeister, als wandernder Müllergeselle, der sowohl in Wasser- wie in Windmühlen bestens
Bescheid weiß, doch auch als reisender Zimmergeselle auftritt. Eine besondere Charakterschwäche von ihm ist sein ungeheurer Durst, den er bei jeder Gelegenheit
zu stillen beflissen ist; darum hält er sich mit Vorliebe im Wirtshause auf; ja ohne einen Trunk zur Erfrischung vermag er nicht zu arbeiten.
An der Saale - in Naumburg - lernen wir ihn unter dem namen Pumphut als Zauberer kennen, der mit der Zipfelmütze verrichtet, was
andere mit dem Hammer nicht können. In der Lausitz erscheint Pumphut unter dem Namen Pompot als eine Art liederlicher Possenreiser und gaukelnder Zauberer,
der außer anderen Kunststücken auch das versteht, Nägel auf dem Stein zu hauen, ohne denselben zu berühren. [...]
[...] Heben wir nun die Hauptzüge in dieser Schilderung hervor, so erscheint Pumpan einerseits als ein hilfreiches, andererseits als ein
gefahrdrohendes Wesen. Unwiderstehlich vernichtet er seine Gegner; heimlich zugefügtes Unrecht, namentlich wenn es armen, wehrlosen leuten zugefügt wird,
erblickt er aus Himmelshöhe und straft die Übeltäter. Fleiß und Treue belohnt er; wirtschaftlichen Frauen gewährt er Segen. - Alles in allem genommen,
kann es keinem Zweifel unterliegen, daß Pumpfut, Pumphut, Pompot, Pumpas, und Pumpan der gleiche name für die gleiche Göttergestalt ist, wie Beckenstedt
behauptet (in seiner Schrift: Pumphut, ein Kulturdämon der Deutschen, Wenden, Litauer und Zamiten. Leipzig 1885, S.25), und ferner, daß dieselbe eine
Gewittergottheit ist, die des Windes und Sturmes gewaltig ist, deren Schläge durch Stein und Bein gehen, die aber auch gewaltigen Hunger und Durst hat und auf
gute Versorgung mit Speise und Trank etwas giebt; lauter Züge, die auch dem Gewittergotte Donar in den Mythen, die sich mit ihm beschäftigen, geliehen werden.
Ist also Pumphut ursprünglich ein Gewitterdämon, so ists begreiflich, daß er spielend das kann, was seine Verehrer
allenfalls mit seiner Hilfe können, wenn er als Herr des Gewitters am Himmel seine Macht entfaltet, nähmlich daß es durch Stein und Bein geht, wenn sie mit der Kloppe drein schlagen.
Übrigens hat sich Pumpan sogar, gleich so manchem heidnischen Gott, die Verwandlung in einen Heiligen gefallen lassen müssen, wie der
Ausruf: "Heiliger Bimbam!" beweist, den man hier und da hört, wenn Verwunderung über ein befremdendes Verhalten oder über eine auffallende Kraftleistung ausgedrückt
werden soll. [...]
[...] Weitere Untersuchung wird zu entscheiden haben, ob die Gottheit, welche an den Nagelsteinen verehrt wurde, abgesehen von dem in graueste
Urzeit zurückreichenden Pumphut oder Pumpan, als Wodan oder Donar oder eine andere Gottheit anzusehen ist; die Sagen vom versunkenen Kutscher deuten auch auf
eine Göttin. Nachdem, was bis jetzt vorliegt, scheinen die Nagelsteine verschiedenen Gottheiten geweiht gewesen zu sein. [...]
[...] Ergibt sich aus dem Mitgeteilten, daß dem Heidentume die Nagelsteine als heilige Stätten
galten [...] so stimmt zu diesem Ergebnis der Vernichtungseifer, den die christliche Kirche und die christlich gewordene weltliche
Gewalt gegen die Verehrung aufgerichteter Steine entfaltete, denen das Volk nach wie vor eine geheimnisvolle Kraft beimaß. Schon auf einem Konziel zu Tours im Jahre 567
wurde den katholischen Priestern anbefohlen, allen leuten, welche aufgerichtete Steine verehren, den Eintritt in die Kirche zu verwehren, und ein Konzil zu Nantes verordnete
später, daß solche Steine in tiefe Gruben versenkt werden sollten. Ein anderes Verfahren, um sie der Verehrung zu entziehen,
war die Erbauung christlicher Kapellen über oder neben ihnen, oder die Einmauerung der von den Heiden verehrten Steine in ein christliches Gotteshaus. Aus späterer,
bereits zur Anfertigung von Bildwerken fortgeschrittener Zeit haben wir ziemlich viele merkwürdiger Beispiele der Einmauerung heidnischer Bildwerke in das christliche
Gotteshaus. [...]
[...] Endlich mag noch erwähnt sein, daß nach einem Berichte an einer Stelle sogar von Menschenhand bearbeitete, wegen ihrer Form
der geschichtlichen Zeit angehörige Steine mit Nägeln beschlagen worden sind. Denn etwa 100 Schritt von der nunmehr verschwundenen St. Georgskapelle bei
Sotterhausen, welche am Wege nach Sangerhausen lag und
bei welcher man eines Tages einen ungeheuren Kieselstein (Nagelstein?) bloßgelegt hatte, unter dem angeblich ein großer Schatz verborgen war, standen vormals eine Anzahl
Steinkreuze, von welchen jetzt noch etwa zwei an der bezeichneten Stelle liegen. In diese hatte das Landvolk viele Nägel
eingeschlagen, um dadurch die Heilung verschiedener Krankheiten zu bewirken.
(Größler, Hermann - Altheilige Steine in der Provinz Sachsen, in: Neujahrsblätter, Herausg. von der Hist. Kommission der Prov. Sachsen, Halle 1896, S.2-64)
Tauting Gde. Egelfing (BA. Weilheim), 45 Min. östl., an einem Fußwege versunken, sp.-w., 74cm breit,
16cm dick. Auf dem Querbalken links: I St (verschlungen). In der Kreuzung eine Vertiefung (25cm hoch, 22cm breit, 2cm tief, worin noch zwei schmiedeeiserne
Nägel stecken. Darunter: 1609 (undeutlich).
Waltersberg Gde. Spatzenhausen (BA. Weilheim), am südl. Weiler-Ende, an der Straße nach Murnau, sehr sp.-w., versunken, Oberteil ab, 84cm breit,
18cm dick, mit Vertiefung in der Kreuzung, worin ein schmiedeeiserner Nagel. Links davon: T, rechts: II, darunter 1782. - Pfarrmatrikel ohne Anhalt.
(Raich, Michael - Kreuzsteine in Oberbayern, in: Deutsche Gaue, Sonderheft 8, o.J., S.11/13)
Steinkreuz am Fußweg, der von der Straße Seeshaupt - Staltach (Weilheim) westlich gegen den Oster-See abzweigt; im Wald; Tuff; 178(3?);
0,57:0,49:0,12m; an jedem Querbalken ein Nagel eingetrieben.
(Deutsche Gaue, Band IX, 1908, S.161-162)
[...] Am Harz kennt man die Nagelsteine, zum Beispiel "die Speckseite" bei Aschersleben, in die zahlreiche Nägel getrieben wurden.
Fast will dies in Erstaunen versetzen; aber das Gestein, das von Apolda bis Zerbst gefunden wird, ein von Hornspalten durchsetzter Sandstein der Braunkohlenformation,
ermöglicht das Einschlagen von Nägeln. Die Nägel sollen in frühchristlicher Zeit eingetrieben worden sein, um die alte Gottheit, denen die Steine geweiht waren, für die Schicksalsfügung
günstig zu stimmen. [...]
(Karstens, Ernst - Von alten Steinkreuzen und anderen Malen, in: Unsere Altmark, Sonntagsunterhaltungsbeilage der Tageszeitung Salzwedeler Wochenblatt, Nr.35, S.139-140)