Deutschland Sachsen-Anhalt Burgenlandkreis

Balgstädt


Detail Kreuzungsfeld

Abbildung bei
Saal (1989)

AK von 1908

PLZ: 06632

GPS: N 51° 11,845', O 11° 44,524'

Standort: In einsamer Lage auf dem Rödel, unweit der Hangkante zum Unstruttal, ca. 1,5km südlich der Ortslage mitten in einem Niederwald.

Größe / Material: 126:87:30 / Muschelkalk

Geschichte: Steinkreuze sind Kulturdenkmäler, die seit jeher einen Reiz des Geheimnisvollen auf den Betrachter ausüben. Das Steinkreuz von Balgstädt steht auf dem Höhenzug des Rödels, der durch seine Muschelkalksteinbrüche bekannt wurde. Von hier wurden Steine für den Naumburger Dom, die Wenzelskirche, die Freyburger Kirche "St. Anna" und das Kloster Pforta abgebaut. Es ist schwer zu sagen, wie alt das Steinkreuz sein mag. Die Verwitterung des Steines und der Schriftzeichen läßt auf ein hohes Alter schließen. (1250-1530) Die Nähe der Königsstraße "Via Regia" und die Balgstädter Gangolfskapelle als Station der großen mittelalterlichen Pilger- und Wallfahrtswege nach Rom, Jerusalem und Santiago de Compostella könnten Grund für den Standort sein. Ebenso ist denkbar, daß das Steinkreuz, wie viele seiner Artgenossen als Sühnekreuz für eine Straftat von einem Täter aufgestellt werden mußte. Ein Vorgang, der im Mittelalter durchaus üblich war. Zu diesem Steinkreuz sollen die Pilger auf Knien von der im 15. Jahrhundert gegründeten St. Gangolfskapelle im Ort gerutscht sein.

An der Nordwestecke des Rodels, wo der alte Balgstädter Marktweg aus dem Holze kommt.
Dreiteiliges lateinisches Kreuz mit leicht eingezogenem Schaft und tatzenförmigen Armen und Kopf auf einem nahezu quadratischen Sockel, in den der Schaft eingelassen ist. Die Winkel sind nicht scharf herausgearbeitet, sondern man hat in ihnen kleine Kreisausschnitte stehen lassen. Diese Kreisausschnitte sind Teile des Außenkreises eines Ringes, in dem eine nicht überlieferte Inschrift vermutet werden kann. Auch im Innenkreis ist eine Darstellung mehr zu erahnen als zu erschließen. Ein Loch befindet sich oberhalb des Kreismittelpunktes. Der Sockel ist abgefast und 94cm:86cm:40cm (über Boden) groß. Der Schaftteil von nahezu quadratischem Querschnitt ist 61cm hoch und an der Basis 38cm:33cm groß. Das Oberteil ist 65cm hoch, über den Armen 87cm breit und 30cm stark. Kopf, Arme und Schaft zeigen Abschläge, die möglicherweise auf das häufige, nachgewiesene Umstürzen zurückzuführen ist. Ferner sind Verwitterungsschäden, besonders auf der Sichtseite, feststellbar. Muschelkalk. 14.-15. Jahrhundert.
Das Kreuz ist auf einer Flurkarte von 1723 bereits eingezeichnet. An seiner Stelle soll ein Balgstädter Schmied erschlagen worden sein. Am Kreuz sollen sich aber auch die Wallfahrer gesammelt haben, die von hier aus auf den Knien zum Bild des Hl. Gangolf in Balgstädt in einer Viertelstunde gerutscht seien, um sich den begehrten Ablaß zu verschaffen. Hauptwallfahrtszeit war Pfingsten. Liebers sah in den im Durchmesser 52cm und 38cm großen Kreisen ein Sonnenrad und in dem erschlagenen Balgstädter Schmied den hammerschwingenden Gott Thor. (Saal 1989)

Sage: Am alten Balgstädter Marktweg steht nahe des Rodels ein großmächtiges Steinkreuz, an dem vor langen Zeiten einmal ein Balgstädter Schmied erschlagen worden sein soll.
An dieser Stelle aber versammelten sich die Wallfahrer, die zu dem in Balgstädt lebenden heiligen Gangolf wollten, um Ablaß zu erbitten. Sie rutschten dabei den abschüssigen Weg auf ihren Knien bis ins Dorf. Das wurde sogar dem Heiligen mit der Zeit zu viel. Er hielt ihnen vor, sie möchten doch lieber ihre sündhaften Herzen und Seelen blank scheuern, statt ihre Röcke und Hosen durchzuscheuern. Da sich die Pilger aber nichts sagen ließen, verließ der Heilige Balgstädt und das ganze Unstruttal. Da die Balgstädter und ihre Umgebung aber nicht auf den Heiligen verzichten wollten, ließen sie sich in Naumburg sein Bild aus Stein herstellen und verrichteten nun vor diesem ihre Andachten. Als der Heilige von diesem Götzendienst erfuhr, bat er den himmlischen Blitzebewahrer und Hüter des Himmelstores, St. Petrus, um die Zerstörung des Götzenbildes. Das geschah auch, aber die Balgstädter setzten den zerschlagenen Kopf wieder zusammen und mauerten ihn in ihrem Gasthof ein.
Seither feiern sie nach Pfingsten ihr Ablaßfest in lustiger Buße bei kräftigem Schmaus und Trank und viel Tanz bis in die Frühe des anderen Tages. (Saal, 1992)

Quellen und Literatur:
Saal, Walter - Steinkreuze und Kreuzsteine im Bezirk Halle, 1989, S.27
Saal, Walter - Steinkreuzsagen aus Sachsen-Anhalt, 1992, S.34
Beyer, Gustav - Das Steinkreuz auf dem Rödel
Ergänzungen von Gernot Werner, Balgstädt (Fotos vom 1.02.2013)



Das Steinkreuz auf dem Rödel
von Gustav Beyer (1875-1962)

Auf steiniger Halde am Rödelwaldrand,
von wo aus man Balgstädt sichtet,
da hat man zwar nicht aus Meisterhand
ein schlichtes Steinkreuz errichtet.

Wer es gewesen, ich weiß es nicht,
doch steht es dort wohl schon lange,
denn als ich's als kleiner Knabe erblickte,
war mir es im Herzen fast bange.

Kommt man von unten den einsamen Pfad,
so unverhofft steht es da, mahnend,
sodaß man sich ihm ganz andachtsvoll naht,
ein tiefes Geheimnis ahnend.

Drum habe auch ich die Alten gefragt,
was hat denn das Kreuz zu bedeuten?
Die haben mirs dann kund gemancht,
eine Sage aus früheren Zeiten.

Dort unten im Dorfe aus einer Wand,
ein Antlitz schaut ernst auf Dich nieder,
den heiligen Gangolf hat man es genannt,
als das Haupt noch hatte Glieder.

Und diesem Manne hat man erbaut,
just an der selbigen Stelle,
im Dienste der Kirche war er ergraut,
zum Danke eine Kapelle.

Und damals war solch ein heiliger Ort
Der Wallfahrtsort vieler Pilger,
hier wusch man sich rein von Raub und Mord,
es war ihr Sündenvertilger.

Es kam da mancher aus fernem Land,
unter mühlsel'gen Fahr'n und Beschwerden
und wenn er dann oben am Kreuze stand,
dann warf er sich nieder zur Erden.

Im Boden drückt ihn die Sündenlast,
beim Nah'n der geheiligten Stätte,
nicht aufrecht vermochte er weiter zu geh'n,
damit er die Seele erreichte.

So legte er denn kniend den Weg zurück,
vom Kreuze bis zur Kapelle,
daß Gangolf ihn bei der Sündenkritik
ein gnädig Urteil fälle.

Doch zu Ende ist längst der Pilgerlauf,
die Kapelle, auch sie ist verschwunden,
das Kreuz nur ragt noch zum Himmel auf
und ermahnt uns an fromme Stunden.


Sühnekreuze & Mordsteine