Deutschland
Bayern
Kreisfreie Stadt München
Fasangarten / OT von München
Blick zum Standort |
undat. Aufnahme Sammlung Mooseder |
PLZ:
81549
GPS:
N 48° 5.274', O 11° 36.637'
Standort:
Der Name rührt von einem ehemaligen Forsthaus bei Perlach her, dem seit Beginn
des 18. Jahrhunderts bis ins Jahr 1805 eine Fasanenzucht angegliedert war. In den 1920er Jahren entstand hier eine zunächst wilde Siedlung, die am 1. Oktober 1937
nach München eingemeindet wurde. Der überwiegende Teil von Fasangarten gehört heute zum Münchner Stadtbezirk 17 (Obergiesing).
Der Bildstock befindet sich auf der östlichen Seite des Ortes, am "Kulmbacher Platz".
Größe / Material:
ca. 2m hoch /Tuffstein
Geschichte:
Sühnestein. Erste Erwähnung 1510. Gotischer Gedenkstein mit reliefierten Kreuz.
Der Stein wurde mehrfach versetzt. Seit 1989 steht der Stein am "Kulmbacher Platz" / "Seemüllerstraße". Das Blech-Dach ist neu und soll wohl den Stein vor weiterer Verwitterung schützen.
Sage:
Quellen und Literatur:
• Mooseder, Georg / Hackenberg, Adolf (Hrsg.) - Steinerne Zeugnisse der kirchlichen Gerichtsbarkeit, in: 1200 Jahre Perlach: 790-1990, Band I, 1990, S.175-177
• Heimatarchiv Perlach, Sammlung Mooseder
• recherchiert und bebildert von Uli Walter
Steinerne Zeugnisse der kirchlichen Gerichtsbarkeit
von Georg Mooseder
Vielfach unbeachtet und oft dem Verfall preisgegeben stehen alte Steinkreuze in verschiedenen Formen in der heimatlichen
Landschaft. Man findet sie auf freien Plätzen, an Weggabelungen, an alten Straßen, an Wegen und bei Einöden. Leider sind durch Witterungseinflüsse oder durch
menschliche Einwirkung viele dieser steinernen Zeugnisse untergegangen. Die Kreuze zeugen wie tief unsere Vorfahren von dem Gedanken des heilenden, siegenden
und sühnenden Kreuzes durchdrungen waren. Solche Denkmale haben einen bedeutenden heimatgeschichtlichen, volkskundlichen und rechtsgeschichtlichen Wert. Es
ist heute nicht mehr allgemein bekannt, daß sie an eine durch die Kirche ausgeübte Gerichtsbarkeit, das Sühnegericht, erinnern.
|
Sühnestein Fasangarten
|
|
Sühnekreuz: alter Standort an der Unterhachinger Straße in der Gemarkung
Unterbiberg (Neubiberg) |
Bei unserer Wanderung auf den Spuren des Perlacher Mittelalters wollen wir mit dem Sühnestein im Ortsteil Fasanengarten beginnen und
eingangs über das kirchliche Sendgericht berichten. Ein Zeitgenosse des Perlacher Leutepriesters Adilo (1180 genannt) war Heribort, Pfarrer von Feldmoching, der 1170
eine Vereinbarung zwischen dem Freisinger Domkapitel und dem Kloster Schäftlarn über strittige Wiesen in Milbertshofen als "decanus de Munichen" unterschrieb. Zwei
Jahre zuvor wurde Heribort in einer Urkunde als Dekan von Feldmoching bezeichnet. Mit dem Dekan und mit dem wechselnden Dekanssitz kam auch das kirchliche
Sendgericht (lat. Synodus = Zusammenkunft) an einen solchen Ort.
Ursprünglich war vom 8. bis 11. Jahrhundert, wie bereits erwähnt, der Bischof (= Sendherr) alleiniger Träger der Sendgerichtsbarkeit, der auch
zu einem Gerichtstag meistens sieben Sendzeugen bestellte. Die Kosten für diese Tätigkeit waren in Form der Bezahlung eines Sendpfennigs vom Sendpflichtigen zu
tragen. Dieses Sittengericht, das, wie der Name sagt, über Zucht und Sitte innerhalb einer Diözese wachte, wurde mit dem Ansteigen der Gläubigenzahl für den Bischof
als den alleinigen Richter in Glaubenssachen zuviel. Beginnend mit dem 11. Jahrhundert delegierte der Bichof die Sendgerichtsbarkeit an Archidiakone, Abte, Pröpste
und Dekane. Adel und Ritterschaft waren davon ausgenommen; sie blieben auch weiterhin dem Bischof direkt unterstellt.
Im 13. bis 14. Jahrhundert erlebten die Sendgerichte ihre volle Blüte. Die Folgen waren Auswüchse und Klagen wegen der Höhe der
Sendabgaben, der steigenden Strafen und Kompetenzschwierigkeiten der Sendgerichte. Mit Verkündigung einer neuen Gerichtsordnung, der sog. "Carolina" (Peinliche
Gerichtsordnung) 1532 durch Karl V., das erste allgemeine deutsche Strafgesetzbuch, das auf dem Reichstag zu Regensburg zum Reichsgesetz erhoben wurde, entzog
man der Kirche die rechtliche Grundlage für die Aburteilung von Verbrechen. Schließlich verfügte das Konzil von Trient (1545-1563) die Rückgabe der noch verbliebenen
Sendherrlichkeit dorthin, wo sie herkam; an denBischof. Die Zeit der Gegenreformation (in Bayern etwa 1508-1600) brachte dem Sendgericht in Glaubensfragen wieder
vermehrte Tätigkeit, die sich dann in der Zeit der Aufklärung (um 1800) ganz zu verlor.
Hatte in der frühen Zeit ein Gläubiger ein Verbrechen gegen die Lehre der Kirche begangen, also eine "Sünde", dann erhoben die sieben
Rügegeschworenen Anklage beim Send(= Sühne)gericht. Der Beschuldigte wurde vorgeladen und die Sendschöffen fällten ihr Urteil. Im Mittelalter wurde ein Mord oder
Totschlag, wie wir an einem Beispiel hören, nicht immer durch einen weltlichen Richter gesühnt; auch die Kirche hatte die Vollmacht über ein solches Verbrechen unter
Einsatz kirchlicher Strafen zu richten. Es mußte also auf Mord und Totschlag nicht unbedingt die Todesstrafe stehen. Die mittelalterliche Bevölkerung war durchaus
praktisch eingestellt, es gab ja kein soziales Netz, wie wir es heute kennen, jeder mußte sich zusammen mit seiner Familie selbst helfen. Die wirtschaftliche Notlage
einer Familie bzw. der Hinterbliebenen wurde durch die Hinrichtung des Täters nicht beseitigt, sondern nur vergrößert. Daher ließ man dem Täter sein Leben, strafte ihn
aber empfindlich an seinem Besitztum. So mußte er z.B., wenn die Kinder des Getöteten noch klein waren, dessen Bauernwirtschaft mit seiner eigenen mitversorgen,
oder den Hinterbliebenen eine fortlaufende Rente zukommen lassen. So weisen Flurdenkmale, immer schon von dem Fluidum des Geheimnisvollen umgeben, auf diese
frühe Gerichtsbarkeit hin. Sie erinnern an ein bestimmtes, meist schauriges Ereignis, auf Mord, Totschlag, Krieg und Pest, aber auch auf Heilige, die die Flur beschützen
sollen und die von den Gläubigen seit alters her verehrt wurden. Ein Flurdenkmal wird nach dem Aussehen des Objektes unterschieden als Sühnestein, Sühnekreuz,
Marterl, Bildstock oder Feldkreuz. Der Anlaß für die Aufstellung des Fasanengarten-Sühnesteins ist nicht bekannt. Inschrift oder gar Datum der Tat fehlt. Wir kennen
nicht die Beweggründe, die zu einem Mord oder Totschlag führten. Nicht einmal die Dorfsage berichtet darüber.
Das Denkmal stand 1809 in der Zeit der ersten Landvermessung genau auf der Grenze Perlach/Unterbiberg. Die Denkmalsignatur kam bei der
Renovationsmessung von 1858 auf den Flurplan. Günter Tuma berichtet, daß bereits 1510 die "Steinsäule an der Hochstraße" genannt wird. Die Straße verlief von
Unterhaching kommend vorbei an dem Stein in Richtung "Auf den Lüften", dem heutigen Rosenheimer Platz. 1791 heißt es in einer Archivalie "Martersäule bei Rudolfs
Hochacker unweit der Fasanenhütte."
Der gotische Gedenkstein mit einem reliefierten Kreuz wurde in den letzten Jahren einige Male versetzt und stand auf dem Grundstück der
Deutschen Bundesbahn. Seit 1987 waren zwischen den Gemeinden München und Neubiberg und dem Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege Verhandlungen im
Gange mit dem Ziel, den Stein endgültig und so an einem geeigneten Platz aufzustellen, daß auch die interessierten Bürger Gelegenheit haben ihn zu betrachten.
Inzwischen hat sich eine gute Lösung gefunden: Seit Mai 1989 steht das Flurdenkmal an der Seemüllerstraße, auf der Grünfläche des Kulmbacher Platzes. Ein
"Sühnekreuz" findet sich beim Friedhofeingang in Unterbiberg.
Die Stadtverwaltung München widmete 1934 eine am Stein vorbeiführende Straße als "Kreuzbichlweg" mit dem Hinweis, daß es sich bei
dem Namen um eine alte Flurbezeichnung in dieser Gegend handle.
Georg Mooseder
(Mooseder, Georg / Hackenberg, Adolf (Hrsg.) - 1200 Jahre Perlach: 790-1990, Band I, 1990, S.175-177)