Deutschland Bayern Kreisfreie Stadt Memmingen

Volkratshofen

PLZ: 87700

GPS:

Standort: 1km südlich der Ortsmitte am Hangfuß.

Größe / Material: 120:93:30

Geschichte: Zu diesem Sühnekreuz existiert ein Sühnevertrag von 1458 (s.u.).

Sage:

Quellen und Literatur:
Groß, J. - Von alten Steinkreuzen an Straßen und Wegen im Allgäu, in: Allgäuer Geschichtsfreund, 8.Jg. 1895, S.52, zugleich: Das Kleindenkmal, wissenschaftliche Schriftenreihe der "Arbeitsgemeinschaft Denkmalforschung e.V.", Jg.6, 1982, Nr.1
Steinkreuze, in: Deutsche Gaue, Band III, 1901, S.43
Braun, Walter - Kreuze auf unseren Fluren, in: Der Spiegelschwab, Heimatbeilage der Memminger Zeitung, Nr.6 vom Juni 1971
recherchiert und bebildert von Thomas Pfundner, Holzschwang



Kreuze auf unseren Fluren
von Walter Braun

[...] Es gibt aber bei uns neben diesen Feldkreuzen der letzten hundert Jahre noch viel ältere Steinkreuze, die nicht nur Zeugnisse der Frömmigkeit sind, was ja in der Kreuzdarstellung sowieso dokumentiert ist, sondern auch Denkmäler altdeutschen Rechtes. Es sind die über den ganzen weiten Raum des nicht so stolzen "Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation" seit dem frühen Mittelalter verstreut gesetzten "Sühnekreuze", die eine gerichtliche, mit einer Sühne verbundene Zwangs-Auflage darstellen und uns sogar urkundlich mehrfach überliefert sind. Wir können stolz darauf sein, daß im Bereich des Landkreises Memmingen noch über 20 solche Sühnekreuze sich erhallen haben. Ihre Bedeutung wird vielfach nicht erkannt; man spricht von "Schwedengräbern" (die es bei uns bestimmt nicht gegeben hat!) und Mordgeschichten aller Art. Da die Zahl dieser Geschichts- und Rechtsdenkmäler aber leider auch von Jahr zu Jahr weniger wird, seien sie hier wieder einmal zuerst durch eine echte Überlieferung ins rechte Licht gesetzl und dann einzeln als Liste bekanntgegeben.

Im Memminger Stiftungsarchiv (77/4) befindet sich eine mit drei Siegeln versehene Pergamenturkunde, die einen Sühnevertrag vom 9. April 1458 (also vor mehr als einem halben Jahrtausend!) darstellt. Die Vorgeschichte des dabei im Mittelpunkt stehenden Totschlages (nicht Mord!) ist uns unbekannt. Wir wissen nur, daß damals auf dem Hof "Fischers", der zwischen Volkratshofen und Hitzenhofen gelegen war, eine Familie Kayser wohnte, die dem Lehensherrn, dem Memminger Unterhospital, ziemliche Schwierigkeiten machte. Einer oder einige aus dieser Familie, der Vater Hans oder die Söhne Hanns, Jäck, Peter oder Ludwig haben aus einem nicht bekannten Grund in einer rechtlichen Auseinandersetzung den Jörg Schmid von Westerhart in der Nähe von Volkratshofen erschlagen. Die Familie des Getöteten, die Mutter Else und die Söhne Benz (Bernhard), Hanns und Lukas haben darauf sofort beim Gericht in Memmingen Klage erhoben mit dem Erfolg, daß durch ein Schiedsgericht der Streit beigelegt und die Sühne auferlegt worden ist.
Die Urkunde sagt (gekürzt) ungefähr das folgende aus:

Bürgermeister Hans Vöhlin zu Memmingen (als Vorsitzender). Anton Ammann, Altbürgermeister, Ulrich Segmehl, Alexius Gäb. Altbürgermeister, und Hans von Buch, alle Bürger zu Memmingen, vertraten in ihrer Eigenschaft als Schiedsleute die Witwe Else Schmid von Westerhart und ihre Söhne Benz, Hanns und Lukas einerseits, mit Hans Kayser von Fischers und seinen Söhnen Hanns, Jäck, Peter und Ludwig andrerseits wegen des von diesen an Jörg Schmid selig, Sohn der genannten Else, zu Volkratshofen begangenen Totschlages. Zur Sühne wird den Angehörigen der Familie Kayser folgendes auferlegt:

  1. Je ein Kayser hat bis zum künftigen Martinstag eine Wallfahrt nach Rom, zu Unserer Lieben Frauen nach Aachen und zu Unserer Lieben Frauen nach Maria Einsiedeln zu machen und über die vollzogene Wallfahrt eine vollgültige Bescheinigung beizubringen; stirbt einer unterwegs, so gilt der Gang als vollzogen.

  2. Die Kayser sollen ein Steinkreuz nach Volkratshofen, oder wohin es die Familie Schmid haben will, setzen. (Das Kreuz steht heute noch an dem Feldweg von der Schule zu Volkratshofen unten am Hang nach Ferthofen und ist vom Kreisheimatpfleger Hermann Zeller durch eine Holztafel erklärt.)

  3. Die Kayser sollen zwischen Martinstag und Weihnachten an einem der Familie Schmid zuvor verkündeten Tag zwanzig Messen in Buxheim lesen lassen (Westerhart gehörte zur Reichskartause Buxheim) und dazu zwanzig Priester stellen, sowie zu jeder Messe ein Opfer darbringen.

  4. Sie sollen zu den Messen vierhundert Wachskerzen (zu ein Vierdung [?] Wachs bis auf eine, die ein Pfund zu wiegen hat) brennen lassen und sie sofort nach den Messen der Familie Schmid aushändigen.

  5. Die Kayser haben den Angehörigen der Familie Schmid bis zum kommenden St. Jörgentag über ein Jahr 28 Pfund Heller zu zahlen, dazu dem Hans Schmid für den ihm zugefügten Schaden (wohl als Schmerzensgeld?) noch besonders zehn Pfund Heller und zwar in zwei Raten, am nächsten Pfingsten und am St. Jakobslag.

Als Gewähren dieses Schiedsvertrages sind genannt: Ulrich Kayser, Zimmermann und Bürger zu Memmingen, Peter Kayser zu Kempten, Hans Dorn von Rummeltshausen, Hans Kayser der Eisenmann, Bürger zu Memmingen, und Michael Beppel von Volkratshofen. Gesiegelt ist die Urkunde von Hans Vöhlin, Anton Ammann und Alexius Gäb (drei sehr bedeutsamen Persönlichkeiten der Reichsstadt Memmingen).

Dies ist ein Beispiel für viele, wenn auch verständlicherweise nicht alle erhaltenen Sleinkreuze so urkundlich als Sühnekreuze belegt werden können...
(Der Spiegelschwab, Heimatbeilage der Memminger Zeitung, Nr.6 vom Juni 1971)


Sühnekreuze & Mordsteine