Nachruf: |
Peter Assion
Am 1.4.1994 ist für alle, die ihn kannten überraschend und viel zu früh, Peter Assion gestorben. Für die hessische Volkskunde, speziell auf dem Gebiet der
Auswanderungsforschung, hat er sich bleibende Verdienste erworben, und auch auf seinem zweiten Arbeitsschwerpunkt, dem der Geschichte der Arbeiter als Schicht
hat sein Tod unter den Volkskundlern eine Lücke gerissen, die so rasch nicht geschlossen werden kann. Für seine Kollegen fehlt nun ein kooperationsbereiter und
sachkundiger Gesprächspartner - die Hessentagsausstellung "Auswanderung aus Hessen" durfte beispielsweise ein prominentes Stück von Peter Assions eigener
Auswanderungsausstellung weiter zeigen - und seine Marburger Schüler betrauern den Verlust eines beliebten Lehrers, der einen ganz eigenen Unterrichlsstil gepflegt
hat, seine Studenten sehr früh an Forschung herangeführt, ihnen die Möglichkeit zur Veröffentlichung ihrer Arbeiten gegeben und diese als noch ganz junge Menschen
auch an künftige Möglichkeiten praktischer Arbeit durch die Vorbereitung einer eigenen Ausstellung mit Katalog (Auswandererausstellung im Marburger
Universitätsmuseum) herangeführt hat. Seine eigene Tätigkeil als Museumsfachmann hat er in seinem Heimatort Walldürn bereits als Schüler begonnen, und dem
kleinen Museum ist er bis zum Schluß als dessen Leiter treu geblieben. Auch als Professor in Marburg blieb er seiner Heimat verbunden, hielt sich in Walldürn, wann
immer er dies konnte, auf, und dort ist er auch seiner schweren Krankheit erlegen.
Peter Assion wurde am 5.8.1941 in Walldüm in Baden als Sohn eines Feintäschnermeisters geboren. Er hat dort ab 1947 die Volksschule,
ab 1952 das Realgymnasium und seit 1953 das Burghardgymnasium in Buchen besucht und die Reifeprüfung am 3.3.1961 abgelegt. Als Studienfächer wählte er
Germanistik, Romanistik, Deutsche Volkskunde und Politische Wissenschaft, zum Studienort Heidelberg, 1964-1969 die FU Berlin, dann wieder Heidelberg. Er wurde
am (6.3.1969 zum Dr. phil. in den Fächern Germanistik und Wissenschaftliche Politik promoviert und legte in den gleichen Fächern am 3.6.1969 in Heidelberg das erste
Staatsexamen ab. Am 1.8. 1969 trat er eine Stelle als Konservator an der Badischen Landesstelle für Volkskunde in Fre-burg/Br. an. Nebenher arbeitete er an seiner
Habilitation, die am 22.1.1970 an der Univeisitäl Heidelberg erfolgte. Dort nahm er nebenamtlich als Privatdozent die Lehre im Fach Deutsche Philologie und Volkskunde
auf. Die Universität Marburg berief Peter Assion zum 28.1.1980 auf einen Lehrstuhl für Europäische Ethnologie (C4), und aus Marburger und hessischer Sicht war es
bedauerlich, daß er zum Sommersemester 1991 einen Ruf an die Universität Freiburg angenommen hat. Als seine und seiner Schüler letzte Arbeit hat er den Band
"Über Hamburg nach Amerika" mit Namenlisten der hessischen Hamburgauswanderer 1855-1866 und deren Analyse noch 1991, wie sich nun herausstellt, gleichsam
als sein hessisches Vermächtnis, herausgebracht.
Im Hessischen Heimatbund hat Peter Assion seit seiner Berufung nach Marburg 1980 mitgearbeitet. An dem Mitglied des Beirats und
Redaktionsausschusses der "Hessischen Heimat" haben wir dieselben Eigenschaften kennengelernt, die seine Kollegen und Schüler an ihm geschätzt haben:
Ideenreichtum und Kooperationsbereitschaft gepaart mit Liebenswürdigkeit und Sachlichkeit. Auch im Kreise des Hessischen Heimatbundes wird ihm ein ehrendes
Andenken gewahrt bleiben.
Inge Auerbach
(aus: Hessische Heimat, Band 44, 1994, Heft 3, S.122)
Nachruf auf Peter Assion
5.8.1941 - 1.4.1994
Von Christa Hagenmeyer
Am Karfreitag vergangenen Jahres verstarb Peter Assion in Freiburg i.Br., seinem letzten Wirkungsort. Auf dem Friedhof von Walldüm, wo sich
eine nahezu unübersehbare Trauergemeinde nach Ostern von ihm verabschiedete, wurde er im Familiengrab seiner mütterlichen Familie Bausback beigesetzt.
Als Sohn des Feintäschnermeisters Adolf Assion, welcher, in der hugenottischen Tradition stehend, sich in Frankfurt/Offenbach eine eigene
Fabrikation aufgebaut hatte, wurde Peter Assion durch die Kriegsumstände jedoch in der Heimat seiner Mutter, in Walldürn, geboren. Sein Vater fiel in Rußland im
Winter 1941/42; Vater und Sohn sollten sich nie sehen. Die Existenz ging im Bombenhagel des Zweiten Weltkrieges unter. So wuchs Peter Assion in der Obhut seiner
Mutter auf, die ihn im katholischen Glauben erzog und an das Brauchtum der Wallfahrtsstadt heranführte.
Wie Peter Assion wiederholt erzählte, war er schon als Bub von der Wallfahrt und der damit verbundenen Industrie, der Wachszieherei, der
Lebzeltenbäckerei und der Kunstblumenherstellung fasziniert und kannte diese Betriebe auch von innen. Die Wallfahrt zum Hl. Blut und das Öffnen des Blutaltars waren
für ihn während seines ganzen Lebens wichtige Ereignisse, die ihn stets nach Walldürn zurückzogen. Mehr als ein Zeichen war es daher, als am Tag seiner Beisetzung
der Hl. Blutaltar nach dem Requiem für die anwesenden Trauergäste geöffnet wurde.
Diese religiöse Atmosphäre Walldürns mit Wallfahrtsmarkt und Devotionalienhandel und die frühe Mitarbeit beim Aufbau des Walldürner
Heimatmuseums, das Sammeln, Bestimmen und Katalogisieren, bilden gleichsam die Folie eines Hintergrundes, ohne welchen die wissenschaftlichen Leistungen
Peter Assions nicht zu verstehen sind. Hier waren seine Wurzeln.
Neben diesen vielseitigen frühen Interessen wurde bei Peter Assion jedoch eine echte Doppelbegabung während seiner Gymnasialzeit immer
deutlicher: es waren dies das Schreiben, welches ihm im Abitur den Scheffelpreis eintrug, und das Malen, wovon zahlreiche Bilder im Haus seiner Mutter ein beredtes
Zeugnis geben. Diese starke gestalterische Kraft, verbunden mit Anschaulichkeit und Brillanz der Formulierung, zeichnet seine zahlreichen Veröffentlichungen aus.
Wie nur wenige seines Fachs war er daher auch imstande, seine Aufsätze und Bücher mit eigenen Zeichnungen zu illustrieren.
Peter Assion entschied sich für den wissenschaftlichen Weg. In Heidelberg studierte er von 1961 bis 1969 Germanistik, Romanistik und
Politische Wissenschaften, unterbrochen von einem Studienjahr an der Freien Universität Berlin, wo er nur zwei Semster ordentlicher Studierender der Volkskunde war.
In der Persönlichkeit von Gerhard Eis (), dem damaligen Heidelberger Altgermanisten und Begründer der Fachprosaforschung, fand
Peter Assion seinen zentralen akademischen Lehrer, dessen geistige Weite und wissenschaftliche Strenge den Studenten anzogen: Gerhard Eis wurde ihm Vorbild,
Förderer und Vaterfigur. Die Begabung des Schülers erkennend, betraute er Assion 1965 mit einem Promotionsthema, welches Fachprosaforschung und religiöse
Volkskunde verband. 'Die Mirakel der Hl. Katharina von Alexandrien', eine Dissertation von über 600 Seiten wurde auch vom Fach Volkskunde äußerst positiv
aufgenommen und machte den "Fachfremden" schon in jungen Jahren bekannt.
Gerhard Eis führte Peter Assion über das Promotionsthema hinaus auch in das weite Gebiet der Fachprosaforschung ein und regte ihn früh
zu wissenschaftlichen Veröffentlichungen an. In unserem Zusammenhang sei hier auf einige medizinhistorische Publikationen verwiesen, welche noch vor bzw. nach der
Promotion (1969) erschienen sind: diese reichen von der Rezeptliteratur, über einen Abriß zur Geschichte der jüdischen Ärzte in Deutschland, über Besprechungen
medizinhistorischer Literatur bis zu Grenzgebieten der Votiv- und Mirakelforschung.
Gefördert von den Odenwälder Volkskundlern Gotthilde Güterbock und Heiner Heimberger, war der Volkskundler Johannes Künzig auf den
jungen Wissenschaftler aufmerksam geworden und berief ihn noch im Jahr seiner Promotion auf die "Badische Landesstelle für Volkskunde" in Freiburg. Assion
bekleidete diese Stelle eines Landeskonservators, weitgehend eine Forschungsstelle, zehn Jahre lang; sie bot ihm die Möglichkeit, sich wissenschaftlich zu entfalten
und sich 1975 mit über 80 Publikationen, darunter mehreren Monographien, bei Gerhard Eis an der Universität Heidelberg zu habilitieren: er erhielt die venia legendi
für "Deutsche Philologie und Volkskunde". Von 1975 bis 1980 gehörte Peter Assion dem Lehrkörper dieser Universität als Privatdozent an.
Seiner Zeit als Konservator verdanken wir die grundlegenden Darstellungen zur Fachprosaforschung, welche der vom Alter gezeichnete
Gerhard Eis nunmehr dem jüngeren Kollegen übertrug. Zu nennen wäre an erster Stelle das Lehrbuch 'Altdeutsche Fachliteratur', welches 1973 innerhalb der 'Grundlagen
der Germanistik' erschienen ist. Aus seiner Feder stammt aber auch eine weitere grundsätzliche Darstellung der 'Fachliteratur' in Bd.3 der mittelalterlichen
Literaturgeschichte de Boor-Newald, ein Beitrag, welcher zwar erst 1987 aufgelegt wurde, aber noch in die Freiburger Zeit zurückreicht. Zu nennen sind des weiteren
zwei bedeutende Aufsätze zur Fachprosaforschung, die beide ebenfalls in den siebziger Jahren entstanden. Es sind dies der fächerübergreifende Aufsatz
'Fachprosaforschung und Volkskunde' (1974) und 'Der Hof Herzog Siegmunds von Tirol als Zentrum spätmittelalterlicher Fachliteratur' (1982). Nicht unerwähnt darf die
Mitarbeit Peter Assions an den Bänden zur 2.Auflage des Verfasserlexikons 'Die deutsche Literatur des Mittelalters' bleiben, zu welchem er eine Vielzahl von Beiträgen
bezüglich Fachprosaforschung und Volkskunde beigesteuert hat - und nicht zu vergessen ist hier die Besprechung der Darstellung 'Deutsche Fachprosa des
Mittelalters' (1972) des Eis-Schülers Wolfram Schmitt.
Im weiteren bekleidete Peter Assion von 1980 bis zu seinem frühen Tod zwei volkskundliche Ordinariate und stand dabei sowohl in Marburg
wie später in Freiburg jeweils großen Instituten vor. Als jüngster Ordninarius seines Fachs wurde er 1980 auf den Lehrstuhl für "Europäische Ethnologie und
Kulturforschung" der Philipps-Universität berufen; er trat dort die Nachfolge von Gerhard Heilfurth an.
Naturgemäß wandte sich Assion nunmehr nahezu ausschließlich volkskundlichen Themen zu, bewies jedoch auch hier Weitblick, indem er
unter anderem soziologische Themen aufgriff: zusammen mit seinen Studenten und Doktoranden erforschte er das Projekt "Die Amerika-Auswanderung aus Hessen im
19.Jh.", welchem wir mehrere Monographien zu verdanken haben. Ein weiteres Schwerpunktthema der Marburger Zelt bildete die Erforschung der "Arbeiterkultur", deren
Ertrag sich ebenfalls in der entsprechenden wissenschaftlichen Literatur spiegelt.
Dem Ruf auf den Lehrstuhl für Volkskunde an der Albert-Ludwigs-Universität folgte Peter Assion 1991 mit großer innerer Zustimmung, hatte er
sich doch die Rückkehr nach Freiburg, das ihm zur zweiten Heimat geworden war, lange gewünscht. Dabei kamen ihm seine exzellenten Möglichkeiten der
Fachprosaforschung zugute, galt es doch in der Lutz-Röhrich-Nachfolge die Erzählforschung voranzutreiben, - und auch die religiöse Volkskunde war in Freiburg wieder
gefragt.
1993 wurde Peter Assion das "Johannes-Künzig-Institut für ostdeutsche Volkskunde" übertragen: hier hatte er geplant, Remigrationsbewegungen
der Deutschen aus Rußland und Rumänien und deren Probleme in den Aufnahmeländern zu untersuchen. Seine anerkannt hohe fachliche Qualifikation zeigt sich auch
darin, daß er seit 1988 als Gutachter der Deutschen Forschungsgemeinschaft bestellt war.
Die Innovation und Produktivität ist Peter Assion bis zuletzt vergönnt gewesen. Hunderte von Aufsätzen und eine Vielzahl von Monographien
zeugen von seiner geistigen Farbigkeit, Disziplin und Schaffenskraft. Des Tributes, welchen er einer solchen Arbeitshaltung zu entrichten hatte, war sich Peter Assion
bewußt; zuweilen auch konnte er darüber sprechen.
Peter Assion hat die Geschichte der Fachprosaforschung mitgeschrieben, wird vor allem aber als Mitgestalter der Volkskunde während des
vergangenen Vierteljahrhunderts in die Wissenschaftsgeschichte eingehen; nicht zu vergessen die zahllosen Aufsätze zur regionalen Volkskunde des Odenwaldes und
Walldürns, in welchen seine Heimatverbundenheit Ausdruck findet. Ein großer Geist ist heimgegangen - zu früh.
Dr. Christa Hagenmeyer
(Wuerzburger medizinhistorische Mitteilungen, Band 13, 1995, S. 525-530)
Wer die Heimat sieht wie du,
der ist in tiefster Seele treu.
Peter Assion
(5.8.1941 - 1.4.1994)
Dieser leitsatz stand über seinem allzu kurzen leben. Er liebte Walldürn, es war "seine Stadt". Er liebte die Landschaft, die Stadt und er liebte
die Menschen. Stets war er bemüht, in all seinen Veröffentlichungen, Büchern und Vorträgen die Heimat bekannt zu machen, ja weit über ihre Grenzen hinaus.
Er führet noch 1993 seine Studenten aus Marburg und Freiburg in Exkursionen nach Walldürn und wußte sie zu begeistern. Besonders die Wallfahrt zum
Heiligen Blut lag ihm am Herzen. Schon als Student hatte er Berichte und Zeitungsausschnitte gesammelt und Kontakte zu den Pilgerführern der großen
Fußprozessionen aus Köln und Fulda geknüpft, um die alten Pilgerwege zu erforschen.
Ja er wollte selber einmal ein Fußwallfahrt von Fulda nach Walldürn mitmachen, um noch bewußter zu erleben, was er berichtete.
Der Höhepunkt seiner Begeisterung für die Wallfahrt stellte dann 1980 die Herausgabe seines Buches "650 Jahre Wallfahrt zum Heiligen Blut" dar, wobei für ihn
die Stadtgeschichte Walldürns stets eng mit der Wallfahrt verbunden war. In den Archiven war er zu Hause und grub so die Vergangenheit aus, und wir hätten noch
einiges von ihm in dieser Hinsicht erwarten können, denn er forschte mit Leidenschaft, um Licht in manches Dunkel zu bringen.
Sein liebstes Kind aber war das "Stadt- und Wallfahrtmuseum Walldürn". Mit unermüdlichem Sammeleifer trug er dotz zusammen, was einmal für die Nachwelt
die Geschichte der Vorfahren darstellen sollte und rettete so manches Stück vor der Vernichtung. Schon als Schüler hatte er manche Exponate mit dem Handwagen
zum Museum gefahren und war dem damaligen Leiter Dr. Schick zur Hand gegangen.
Nach dem Studium der Volkskunde und Germanistik in Heidelberg und Berlin, welches er mit der Promotion abgeschlossen hatte, übernahm er selbst dann 1970
die Leitung des Museums, betreute es fachkundig und baute es weiter aus, so daß es heute weit über Walldürn hinaus in Fachkreisen bekannt ist und eine Fundgrube
für die Volkskunde darstellt.
Trotz beruflicher Belastung als Ordinarius und Professor an der Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg war es ihm eine Herzensangelegenheit, auch die Geschichte der
Heimatvertriebenen festzuhalten, denn sie waren ja Bürger Walldürns geworden. Eine Ausstellung mit Erinnerungsstücken aus der alten Heimat und eine Broschüre
"Zweite Heimat Walldürn" waren dann sein letztes Werk.
Auch das Freilandmuseum Gottersdorf liebte er sehr und unterstützte es mit Rat und Tat. Er freute sich, dort ebenfalls seine Ideen verwirklicht zu sehen, denn er
wollte nicht nur den Glanz vergangener Zeiten dargestellt wissen, sondern auch die Armut der vermeintlich "guten alten Zeit".
Sein letzter Wunsch war, die Herausgabe dieses Buches zu erleben, aber es war ihm nicht vergönnt. So möchte ich nun diesem "seinem Buch" den Wunsch mit
auf die Reise geben, daß sich ein junger Wissenschaftler finden möge, der seine Arbeit fortsetzt und dieselbe Freude dabei erlebt wie der junge Peter Assion, der sich
seinen Idealismus bis zu seinem Lebensende bewahrte.
Seine Mutter: Hanna Assion
(aus: Heimatbuch "1200 Jahre Walldürn", hrg. von Peter Assion)
In memoriam
Peter Assion zum Gedenken
Am 1. April 1994 verstarb erst 52jährig der Geschäftsführende Direktor des Instituts für Volkskunde an der Universität Herr Prof. Dr. Peter Assion.
Peter Assion wurde am 5. August 1941 in Walldürn im Odenwald geboren, wo er auch, aufwuchs. Er studierte an der Universität Heidelberg und der Freien Universität
Berlin Germanistik, Volkskunde, Romanistik, Politische Wissenschaft und Psychologie. 1969 wurde er in Heidelberg von dem Germanisten Prof. Dr, Gerhard Eis mit
einer Dissertation über "Die Mirakel der heiligen Katharina von Alexandrien. Untersuchungen und Texte zur Entstehung und Nachwirkung mittelalterlicher Wunderliteratur"
promoviert. Außerdem legte er das Staatsexamen in den Fächern Deutsch und Wissenschaftliche Politik ab. Am 1. August 1969 trat Peter Assion zunächst als
Mitarbeiter von Prof. Dr. Johannes Künzig eine Stelle an der Badischen Landesstelle für Volkskunde an, dessen Leitung er 1970 übernahm. 1975 habilitierte er sich in
Heidelberg mit einer Darstellung der "Altdeutschen Fachprosa" und verschiedener anderer Studien für "Deutsche Philologie und Volkskunde". 1980 erhielt er den Ruf
auf die C4-Professur für Europäische Ethnologie/Volkskunde (Nachfolge Gerhard Heilfurth) an der Universität Marburg. Am 1. April 1991 trat er die C4-Professur für
Volkskunde (Nachfolge Lutz Röhrich) an unserer Universität an. Mit dieser Berufung erfüllte sich für Peter Assion ein großer Wunsch, denn der Stadt Freiburg fühlte er
sich nicht nur seit seiner Zeit an der Landesstelle für Volkskunde wissenschaftlich, sondern auch von der Lebensart so sehr verbunden. In der kurzen Zeit, die ihm in
Freiburg noch verblieb, hat Peter Assion ein kaum zu bewältigendes Arbeitspensum absolviert. Neben zahlreichen wissenschaftlichen Veröffentlichungen, die in dieser
Zeit entstanden, erarbeitete er in Zusammenarbeit mit dem Augustinermuseum mit Studierenden eine Ausstellung über Hinter-glasbüder, es folgte ein weiteres Projekt
mit Studierenden über die Integration von russland-deutschen Auswanderern in Freiburg. Im September 1992 übernahm er die Leitung der Ostdeutschen Kommission in
der Deutschen Gesellschaft für Volkskunde, verbunden damit sind die Herausgabe der Zeitschrift "Jahrbuch für ostdeutsche Volkskunde" und einer Buchreihe. Am 1.
Oktober 1993 wurde ihm die Leitung des Johannes-Künzig-Instituts für ostdeutsche Volkskunde übertragen. Seit 1988 war er zudem einer der beiden gewählten
Fachgutachter für Volkskunde bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft, er war im wissenschaftlichen Beirat des Instituts für den wissenschaftlichen Film in
Göttingen, gehörte der Kommission der Internationalen Volkskundlichen Bibliographie an und war Mitherausgeber des "Journal of Folklore Research". Neben den
Belastungen durch die Hochschullehre, die Leitung zweier Institute und die ehrenamtlichen Tätigkeiten fand Peter Assion aber immer wieder die Muße wissenschaftlich
zu arbeiten und zu publizieren. Er hinterläßt ein vielschichtiges und kaum zu überblickendes Werk.
Der Odenwald und vor allem Walldürn bildeten nicht nur den persönlichen Lebensmittelpunkt Peter Assions, sondern auch wissenschaftlich hatte er hier einen seiner
wesentlichen Bezugspunkte gefunden und stets behalten. Kein Gegenstand und kein Thema, das den Odenwald oder eine andere badische Region betraf, war ihm zu
gering, um nicht darüber zu schreiben und um daran größere volkskundliche Zusammenhänge deutlich zu machen, Da viele dieser Beiträge zwar abseits der großen
volkskundlichen Zeitschriften erschienen, aber in jenen Publikationsorganen, die viele an volkskundlichen und regionalgeschichtlichen Themen Interessierten Menschen
erreichen, hat Peter Assion in einem guten Sinne auch aufklärerisch gewirkt und Erkenntnisse, die in univer-sicärer Abgeschiedenheit gewonnen wurden, einer breiten
Leserschaft verständlich und zugänglich gemacht. Diese Arbeit, die in akademischen Kreisen häufig gering geschätzt wird, war ihm stets wichtig und er hat dem Fach
Volkskunde und seinem Ansehen in einer breiten Bevölkerung einen guten Dienst erwiesen. Die Anbindung an eine Region und ihre voiks-kulturellen Erscheinungen hat
zudem verhindert, daß Peter Assion in allen seinen Forschungsthemen stets den Bezug zur Empirie behielt und sich nicht in abgehobenen Theorien verlor.
Ein weiteres großes Gewicht in seinen Forschungen hat Peter Assion auf'das Thema "Volksfrömmigkeit" gelegt. Das zeigen nicht nur seine umfangreichen Studien
zu seinem Heimatort, dem Wallfahrtsort Walldürn, sondern besonders hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auf jene Untersuchungen, die innovativ auf dieses
traditionelle Thema der Volkskunde gewirkt haben, die ausgetretenen Pfade verließen und den Gegenstandsbereich "Volksfrömmigkeit" in einem weiteren Sinne faßten.
Mitte der 1970er Jahre hat Peter Assion sich engagiert zum Thema Parapsychotogie und Okkultismus geäußert. Diese Arbeiten waren sehr direkt inspiriert von der großen
Popularität, die der damalige Professor für Parapsychologie an der Freiburger Universität Hans Bender besaß. Peter Assion stellte der medienwirksamen Vermarktung,
die sich vor allem um den Bender-Schützling Uri Geller drehte, sachlich und in einem aufklärerischen Impetus eine historisch orientierte Analyse dieses Phänomens
entgegen. Gerade in einer Zeit wie der unsrigen, in der Psi-Phänomene vor allem in der Jugendkultur wieder an Bedeutung gewinnen, lohnt es sich, diese Beiträge zu
lesen, die in ihrer Aktualität und Argumentationsdichte nichts an Bedeutung eingebüßt haben. Die Arbeiten zur Volksfrömmigkeit von Peter Assion zeichnen sich durch
ein feines Gespür für die gesellschaftliche Einbindung solcher Untersuchungen aus. Besonders thematisiert hat er dieses Anliegen in dem Aufsatz "Der soziale Gehalt
aktueller Frömmigkeitsformen - Zur religiösen Volkskunde der Gegenwart". Moderne Buswallfahrten werden hierin genauso als Untersuchungsfeld der Volkskunde
reklamiert wie die Jugendreligionen. Sehr eindrücklich hat Peter Assion seinen Ansatz der Frömmigkeitsforschung in einem Beitrag über die Verehrung der Ulrika
Nisch von Hegne am Bodensee vorgeführt. "Das triviale Wunder", so nennt er jene kleinen Geschichten um erlangte Hilfe, interpretiert er als den Schlüssel für den um
den Bodensee entstehenden Kult. Hiermit hat er eine einfühlsame Studie vorgelegt, die katholische Frömmigkeit der Gegenwart auch Andersgläubigen verständlich
macht. Besondere Verdienste hat Peter Assion um die Arbeiterkulturforschung in der Volkskunde erworben. Er gehörte zu den Mitbegründern der Kommission
Arbeiterkulturforschung in der Deutschen Gesellschaft für Volkskunde. In einem Handbuch zur Volkskunde hat er den Artikel "Arbeiterkulturforschung" verfaßt, der in
vorbildlicher Weise in Abgrenzung zu anderen Disziplinen die spezifisch voikskundliche Fragestellung umreißt.
Überhaupt war bei allem interdisziplinären Überblick die Konzentration auf die Spezifik volkskundlichen Arbeitens eines der wesentlichen Anliegen von Peter
Assion. Am konsequentesten hat er diesen Ansatz wohl in seinem zentralsten Forschungsbereich, der Auswanderungs- und Migrationsforschung, umgesetzt.
Bereits in seiner Marburger Zeit hat Peter Assion ein Auswanderungsarchiv aufgebaut, das sich heute weitgehend in Freiburg im Institut für Volkskunde befindet.
Neben einer Ausstellung in Marburg sind mehrere Bücher und Aufsätze aus der Arbeit mit diesem Archiv hervorgegangen. Der Band "Von Hessen nach Amerika", der
erst im letzten Jahr erschien, war das Ergebnis einer langjährigen, fruchtbaren Zusammenarbeit mit Marburger Studierenden. An dieses anregende und gewinnbringende
gemeinsame Forschen und Lernen hoffte Peter Assion auch in seiner Arbeit mit den Freiburger Studierenden anzuknüpfen. Mit seinem großen Engagement und seiner
Begeisterungsfähigkeit hatte er auch in Freiburg bereits viele Studierende für seine Themen gewinnen können.
In seiner Auswanderungsforschung ist Peter Assion nicht der Gefahr erlegen, in ausgefahrene sozial- und wirtschaftsgeschichtliche Bahnen einzuschwenken,
sondern er hat die volkskundliche Dimension des Themas Migration umschrieben: Auswandererlied, -literatur, Utopien vom Schlaraffenland, Akkulturation, um nur
einige der behandelten Aspekte zu nennen. Mit der Übernahme des Johannes-Künzig-Instituts für Ostdeutsche Volkskunde verband sich für Peter Assion die große
Hoffnung, die im Bereich der Auswanderungsforschung gewonnenen Erkenntnisse auch zum Nutzen der lange Zeit im Schatten stehenden ostdeutschen Volkskunde
nutzbar zu machen. Die Deutsche Volkskunde hat einen ihrer engagiertesten und gewichtigsten Vertreter verloren, der wie nur wenige das Fach in seinen zentralen
Themenbereichen abdeckte und Forschungsfeldern wie der Arbeiter kultur- und Migrationsforschung ihre Kontur gab. In der Lehre wie in Veröffentlichungen ging es
Peter Assion darum, das volkskundlich Spezifische an Themen zu erfassen und zu vermitteln. Er war einer jener Fachvertreter, die stets die Mitte des Faches im Blick
hatten. Sein weiter historischer Horizont vom Mittelalter bis in die Gegenwart haben ihn davor bewahrt, die Volkskunde einseitig entweder als historische oder als
Gegenwartswissenschaft zu reklamieren. Für ihn war "Volkskultur" ein gewordenes kulturelles Gebilde, das bis in die Gegenwart wirkt. Silke Göttsch
(Prof. Dr. Silke Göttsch (heute Göttsch-Elten), veröffentlicht in den Freiburger Universitätsblättern 1994)
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