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Samuel Benjamin Klose
(1730-1798)
Das Verdienst schlesischer Lehrer - am überragenden Bildungsstand in ihrem Lande - hatte bereits 1558 Philipp
Melanchthon in seinem Sendschreiben an Herzog Heinrich XL von Schlesien mit solchen Worten gewürdigt: "Kein anderer Stamm [als die Schlesier] hat mehr in
der ganzen Philosophie bewanderte Männer; nirgends in Deutschland lernen und verstehen mehr Leute aus dem Volke die Wissenschaften als hier; viele Lehrer
in den Städten sind der lateinischen, griechischen und hebräischen Sprache kundig und bekennen dazu eine reine Frömmigkeit. Ein freigebiger Rat befördert in
Breslau das Studium der Wissenschaften und Künste."
In welchem Maße schlesische Schulmänner auch in der Geschichtsschreibung Schlesiens von Beginn an hervorgetreten sind, bezeugen die
Namen (und Werktitel) Peter Eschenlöer ("Historia Vratislaviensis"), Johann Hess ("Silesia Magna"), Nicolaus Pol ("Jahrbücher der Stadt Breslau"), Jakob Schickfuß
("New vermehrte Chronika"), Martin Koblitz ("Annales Francostenenses"), Georg Katschker genannt Aelurius, ("Glaciographia"), Martin Hanke ("De Silesiorum Nominibus
Antiquitates - Majoribus Antiquitates - Rebus ab anno Ch. 550-1170"), Johann Sinapius ("Olsnographia / Schlesische Curiositäten"), Christian Runge ("Notitia
Historicorum et Historiae Gentis Silesiacae").
Einen Sonderrang in der Reihe dieser schlesischen Geschichtsschreiber nimmt jedoch der Rektor der Breslauer Heilig-Geist-Schule,
Samuel Benjamin Klose ("Von Breslau. Dokumentirte Geschichte und Beschreibung. In Briefen"), ein. Sein Verdienst ist es, der schlesischen Geschichtsschreibung
eine vertiefte und erweiterte Sicht und im Sinne wissenschaftlicher Forschung einer Gründung auf den Elementen allseitiger Heranziehung, Nutzung, Dokumentierung
und Kritik von Quellen erschlossen zu haben, wie es vor ihm so noch keiner unternommen hatte. Als erster auch erkannte er, angesichts des überwältigend reichen
Urkundenschatzes schlesischer Archive, daß deren sachgerechte Auswertung das Leistungsvermögen eines einzelnen bei weitem übersteige und daher nur als
Gemeinschaftswerk in einem geschichtlichen Verein zu erfüllen sei. Die von ihm erhoffte Gründung eines solchen Vereins, wie er sich im folgenden Jahrhundert als
"Verein für Geschichte und Altertum Schlesiens" konstituierte, hat Klose nicht mehr erleben können.
Seinem Wirken wurde höchste Anerkennung zuteil durch die Würdigung, die Gustav Adolf Harald Stenzel in der Widmung seiner "Geschichte
Schlesiens" vorangestellt hat: "Samuel Benjamin Klose, dem um die Geschichte Schlesiens Verdientesten." Kloses Schrittmacherdienste für das intensivierte
Verständnis schlesischer Geschichtsforschung und -Schreibung hat in einer ausführlichen Darstellung "Zur Erinnerung an Samuel Benjamin Klose 1730-1798" Hermann
Markgraf in der Festschrift "Silesiaca" des Vereins für Geschichte und Altertum Schlesiens, für Colmar Grünhagen (Breslau 1898), gewürdigt. Darin beschreibt
Markgraf die qualitative Veränderung, welche die Geschichtsforschung und -darstellung seit Klose erfahren hat, mit den Worten: "Wenn wir einen Vergleich ziehen
wollen zwischen dem Standpunkt der schlesischen Geschichtskunde und Geschichtsschreibung von damals und dem von heute, so können wir allerdings mit einem
bewußten Stolze davon reden, daß unser Jahrhundert nicht nur mit treuem Fleiße, sondern auch mit reichem Erfolge gearbeitet hat, seitdem es dazu übergegangen ist,
unter Verwerfung der phantastischen Konstruktionen der mit durchaus ungenügender Kenntnis des Materials arbeitenden älteren Zeiten, zu den Originalquellen der
heimatlichen Geschichte hinabzusteigen, sie in immer sich mehrender Fülle auszugeben, zu veröffentlichen und mit kritischem Sinne nach einer wissenschaftlichen
Methode zur Gewinnung eines lebensvolleren Bildes der Vergangenheit zu verwerten. Die Wahrheitsliebe nötigt uns aber in gleicher Weise wie die Dankbarkeit zu dem
Geständnis, daß die ersten Schritte auf diesem Wege schon im vorigen Jahrhundert Klose getan und daß er dabei seinen Nachfolgern eine unglaubliche Fülle dicht v
erwachsenen Gestrüpps beiseite geräumt hat und so die richtige Bahn erst erkennbar und gehbar gemacht hat. In späteren Jahren schuf er in seinem umfangreichen
Werke "Von Breslau. Dokumentirte Geschichte und Beschreibung. In Briefen" ein Buch, das die heimische Geschichte von der Last der Überlieferung freimachte und
auf die finalen Quellen zurückführte. Deren Gebiet erweiterte er mit glücklichem Spürsinn und angestrengtestem Fleiße in reichstem Maße und übte mit Scharfsinn und
Witz seine Kritik daran. Ist es ihm nicht gelungen, durch konzentrierte Darstellung eine lesbare Geschichte zu schaffen, so bleibt nichts destoweniger der
wissenschaftliche Wert seiner Leistung ein sehr bedeutender und in gewissem Sinne unvergänglicher".
Verläßliche Angaben über Kloses Leben sind in nur sehr geringem Umfange, von seiner Hand überhaupt nicht, überliefert. Der daneben zu
beobachtende erstaunliche Sachverhalt, daß von der immensen Zahl Klosescher Arbeiten auch nicht eine, weder Buch, noch Aufsatz, noch Rezension von ihm
namentlich gekennzeichnet ist, kann kaum allein mit entsprechenden Zeitgepflogenheiten erklärt werden. Vielmehr deutet sich darin wohl doch die Bescheidenheit des
Autors an, der auch sonst in der persönlichen Lebenshaltung so wenig Aufhebens gemacht hat, daß er von seinem geringen Jahresgehalt (knapp 350 Reichstalern) noch
eine sehr große Bibliothek zu erwerben und darüber hinaus mehrere Legate für bedürftige Schüler zu stiften vermochte. So kann es kaum verwundern, daß nicht einmal
die zeitgenössischen Biographen (Streit, "Alphabetisches Verzeichnis aller im Jahre 1774 in Schlesien lebenden Schriftsteller", S.76; Erhardt, "Presbyterologie des
Evangelischen Schlesiens" Band 1, S.112) über Lebensgang und Werk Kloses richtig informieren, wie auch bei seinem Tode die Nachrufe ihm engvertrauter Freunde
wie Fülleborn und Gerhardt nur allgemein gehalten sind.
Gesicherten Daten nach zeichnet sich sein Lebensweg so ab: Am 27. April 1730 wird Samuel Benjamin Klose als Sohn des
Kürschnermeisters Johann Kaspar Klose und dessen Ehefrau Anna Magdalena, geborene Hertelin, zu Breslau geboren und am nachfolgenden Tage in der
Magdalenenkirche getauft. In dem Magister Samuel Rother, einem Verwandten, findet Samuel Benjamin den väterlichen Freund und Mentor, der 1739 mit der
Einschulung des hochbegabten Knaben ins Magdalenen-Gymnasium für eine angemessene Ausbildung Sorge trägt. Nur soviel ist an Gesichertem über seine dortige
Schulausbildung überliefert, daß er in den letzten Schuljahren den Unterricht des gelehrten Johann Kaspar Arletius genießt und damit den Grund für seine
ausgezeichnete Kenntnis der klassischen Literatur zu legen vermag, während über die Dauer seines Schulbesuchs "amtliche" Feststellungen nicht möglich sind,
da für den entsprechenden Zeitraum Abiturientenlisten nicht (mehr) vorliegen. Für seinen weiteren Schulbesuch bis zum Frühjahr 1750 geben jedoch Programme der
Schuldramen-Aufführungen zwischen Dezember 1747 und Mai 1750 glaubwürdigen Anhalt, in denen er wiederholt unter den Namen der mitwirkenden Darsteller
erscheint. Seine von Jugend auf zarte und labile körperliche Verfassung mag wohl auch dafür Ursache sein, daß ihm führende Rollen im Schulspiel nicht zufallen,
dagegen kündigte sich bereits in Kloses Schülerarbeiten, die nach seinem Tode gefunden wurden, der künftige Schriftsteller an, wie Fülleborn 1798 in seinem Nachruf
andeutet.
Verläßlich sind dagegen die Angaben über seinen Studienbeginn am 24. April 1752 in Frankfurt an der Oder und den vom 30. Mai 1753 in
Halle, wo er ausdrücklich als Student der Theologie immatrikuliert erscheint, während ungeklärt bleibt, was er in der Zeit zwischen Sommer 1750 und Ostern 1752 getan
hat. Das Studium schließt er ohne akademischen Grad - Magister oder Doktor - ab. Eine Pfarrstelle scheint er nicht erstrebt zu haben.
Seine erste Anstellung als Lehrer weist ihn 1762 als Kandidaten der Theologie aus. Bis zu diesem Zeitpunkt verdient er wohl seinen
Lebensunterhalt zeitüblich als Hauslehrer. Um diese Zeit lernt er auch Gotthold Ephraim Lessing kennen, der Ende 1760 als Sekretär des Generals und
Stadtverteidigers von Breslau gegen Laudon, von Tauentziens, in die schlesische Hauptstadt gekommen ist. Hier wird Klose, seiner vorzüglichen Gelehrsamkeit
wegen, Lessings beliebtester Gesprächspartner und Führer durch die Sehenswürdigkeiten Breslaus und die Bücherschätze seiner Bibliotheken. Er hilft Lessing
auch beim Zusammentragen einer großen Bibliothek. Für den im Sommer 1779 als Münzdirektor nach Breslau versetzten jüngeren Bruder Gotthold Ephraim Lessings
wird Klose zur bedeutendsten Quelle von Angaben über die Breslauer Zeit Gotthold Ephraims für die Biographie "Gotthold Ephraim Lessings Leben", die der jüngere
Bruder Karl Gotthold 1793 bis 1795 herausgibt. "Klose zehrte sein ganzes Leben von diesen Jahren des freundschaftlichen Verkehrs mit dem Manne, der seine
höchste Bewunderung und Liebe verdiente" so berichtet Hermann Markgraf.
Seine Dienstzeit am Magdalenen-Gymnasium zu Breslau, an dem er im Frühjahr 1762 als fünfter Lehrer angestellt wird, dauert nur kurz,
da Klose bereits im November 1763 vom Rat an das freigewordene Rektorat der Schule zum Heiligen Geist berufen wird, einer Schule, die damals sowohl als
Bürgerschule wie auch als Progymnasium füngiert und seit der Reformation der Bernhardinkirche angegliedert ist. Zugleich übernimmt er damit auch die Verwaltung
der Kirchbibliothek, die mit dem Rektorenamte verbunden ist. So ist es aus der Darstellung von Kloses Nachfolger im Rektorat, Michael Morgenbesser, ("Geschichte
des Hospitals und der Schule zum Heiligen Geist sowie auch der Bibliothek zu St. Bernhardin zu Breslau." Breslau 1814) zu ersehen. Die in städtischen Schulakten
enthaltenen Verwaltungsberichte Kloses geben gewissenhaft Auskunft über die inneren und äußeren Verhältnisse der Schule, auch über die persönlichen
Dienstbedingungen, Entlohnung und Dienststundenzahl des Rektors. Das weist der letzte dieser Berichte vom Jahre 1788 aus. Danach hatte er nur zehn Stunden
Unterricht pro Woche zu erteilen.
Dieses sowohl nach Einkommen wie nach Rang des Ansehens eher bescheidene Schulamt hält Klose trotz verlockender Aufstiegsangebote
inne, bis am 18. September 1798 ein plötzlicher Schlaganfall den Achtundsechzigjährigen seinem arbeits- und verdienstreichen Leben entreißt. - "Wir gehen wohl
schwerlich irre, in dieser geringen Amtsarbeit den Grund zu sehen, der ihn bewog, 35 Jahre lang auszuharren und jede Gelegenheit zur Erlangung eines vornehmeren
und besser besoldeten Amtes zu verschmähen. Ein so eingeschränktes Leben konnte nur einem Manne genügen, der es, wie Klose, ausschließlich der Gelehrsamkeit
widmete", urteilt Hermann Markgraf. - So weist sich Kloses Bescheidung im Amte nun gerade nicht als eine aus Gründen der Bequemlichkeit eingenommene, sondern
als eine sich darüberhinaus dem Dienste der Erforschung schlesischer Geschichte und der damit verbundenen schriftstellerischen und archivalischen Tätigkeiten
verpflichtete Lebensentscheidung aus. Wie denn diese Entscheidung auch Grund der Kloseschen Absagen sein mag, mit dem Rektorat des Elisabeth-Gymnasiums
das Schulamt höchsten Ansehens in der Stadt anzunehmen, das ihm, wie Fülleborn mitteilt, zweimal vom Rate angeboten worden sein soll.
Diese Angebote des vornehmsten Schulamtes der Stadt, wie auch Kloses wiederholte Einbeziehung in die Breslauer Schulreformkommissionen
unter Aufsicht der preußischen Minister von Carmer und von Zedlitz, verdeutlichen das außerordentliche Ansehen, dessen Klose sich als Schulmann erfreute. Darüber
berichtet ausführlich die Darstellung Eduard Reimanns "Über das höhere Schulwesen Breslaus in den Jahren 1763-1786" (Breslau 1887). Daneben zeigt auch der vom
Stadtrat bei Besuchen Friedrichs des Großen gepflegte Brauch, sich mit der Vorstellung des vornehmsten Gelehrten Breslaus dem König als der Pflege der
Wissenschaften verbundene Stadt auszuweisen, den hohen Rang der Wertschätzung an, den Klose erfährt, seit nach dem Ableben des hochberühmten Arletius
1784 ihm nunmehr diese Auszeichnung zufällt.
Hermann Markgraf hat als Breslauer Stadtarchivar umfangreichste Untersuchungen zu Leben und Werk seines Vorläufers Klose vornehmen
können und zu dessen Studien festgestellt: "Über die Richtung und den Umfang seiner Studien geben allein Kloses literarische Arbeiten Auskunft, und da diese zwei
Jahrzehnte lang nur aus anonymen Bücheranzeigen in Journalen, an denen auch andere mitarbeiteten, bestanden, so bieten auch sie nicht unbedingt sichere
Anhaltspunke. Liest man sich etwas in seine Gedankenkreise und in seine Schreibweise ein, so vermag man allerdings eine große Reihe von solchen Bücheranzeigen
mit Sicherheit als Produkte seiner Feder zu erkennen. Alles, was er schrieb, ist in Breslau bei Wilhelm Jakob Korn erschienen." Markgraf verweist dabei insbesondere
auf eine literarische Beilage: "Schlesische Berichte von gelehrten Sachen", die als Wochenbeüage der "Schlesischen privilegierten Staats-, Kriegs- und Friedenszeitung"
ab 1742 erschienen ist und 1769 bis 1782 eine Fortsetzung erfuhr unter dem Titel "Breslauische Nachrichten von Schriften und Schriftstellern".
In einem 1774 neu erschienenen Journal desselben Verlages "Neue litterarische Unterhaltungen", das jedoch nur zwei Jahrgänge lang
erschien, hat Klose nach Einschätzung Markgrafs ganz allein geschrieben. In diesen Journalen veröffentlicht nun Klose Rezensionen zu Büchern aus allen
Fachgebieten der Literatur: Theologie, Philosophie, Pädagogik, wie auch der Geschichte, Naturwissenschaften und Ökonomie, der schönen Literatur und
Reisebeschreibungen. Darin erweist er sich nicht allein als philosophischer Geist, sondern läßt auch eine empfindsame Seele und ein gläubiges Gemüt spürbar
werden und bekennt sich als evangelischer Theologe überzeugt zu den Lehren seiner Kirche, doch fern allem Anflug von Dogmatismus. Seine Überzeugung, Mensch
sein sei erst in der Einheit von Erkenntnis und Tat zu verwirklichen, bekennt er im Sinnspruch: "Wozu nützt auch die größte Erleuchtung des Verstandes, wenn das
Herz dabei kalt und der ganze Mensch ohne edle Entschlüsse bleibt!" Aus diesem Geiste heraus sieht er, wie sehr er auch im Strome des humanitären Geistes
seiner Zeit schwimmt und sich ihrer als einer Periode freien Denkens erfreut, in der Geschichte der Heiligen und Mystiker reiche Quellen, woraus man wichtige
Kenntnisse zum Wesen des menschlichen Herzens und Geistes schöpfen könne, wie sich ihm zugleich in den Schicksalen der Menschen und des
Menschengeschlechts das Walten des lebendigen Gottes offenbart.
Erfreuen sich philosophische Werke in seinen Besprechungen besonderer Wertschätzung, so zeigt sich doch Klose daneben als
Schulmann auf der Höhe seiner Zeit: in umfangreicheren Würdigungen des Basedowschen Gesamtwerks etwa, wie auch in solchen über die Pädagogik Trotzendorfs
und Ratichs und die Geschichte der Pädagogik im allgemeinen. Seine Rezensententätigkeit belegt gründliche Kenntnis nicht allein der alten Schriftsteller, sondern
auch der französischen, italienischen und englischen Literatur, Wie gründlich er seine Themen aus intensiver Sachkenntnis heraus entwickelt, belegen beispielhaft
seine in den "Neuen litterarischen Unterhaltungen" erschienenen Beiträge über den Peterspfennig in Schlesien und das Hexenwesen in Schlesien, die wie andere
Abhandlungen auch, Mitteilungen aus den Handschriften der Breslauer Bibliotheken enthalten. Kloses weitere journalistische Tätigkeit läßt indes nach der Einstellung
seiner "Neuen litterarischen Unterhaltungen" (1776) erkennen, daß sich sein sachliches Interesse mehr und mehr dem Bereich der schlesischen Geschichte zuwendet,
in welchem er, seiner hervorragenden Verdienste als Geschichtsforscher wegen, bleibenden Gedenkens würdig ist. Von seinen intensiven Untersuchungen zur
schlesischen Geschichte dieser Jahre zeugen seine Bücheranzeigen ebenso wie auch seine Schulreden, deren zwischen 1768 und 1772 behandelte Themen sich
mit dem Zustande der Wissenschaften sowie der Denkungsart und den Sitten in Schlesien im 16., 15. und 14.Jahrhundert befassen. Seine höchst achtenswerten
Kenntnisse in der Diplomatik, Sphragistik, Heraldik und Genealogie befähigen ihn, bei einer aufs kleinste achtenden Sorgfalt in besonderer Weise zur Auswertung der
Handschriften- und Urkundenbestände der Breslauer Bibliotheken und Archive. Wieviel mehr Anerkennung schuldet die Nachwelt seiner Liebe und Beharrlichkeit zur
Sache, die ihn befähigt hat, den Zutritt zu den Archiven der Stadt und der geistlichen Stifter zu erlangen und damit seiner fachlichen Qualifikation das angemessene
Arbeitsfeld zu erschließen.
br> Vermag sich der Quellenkundler Klose auf diesem Wege einen überwältigend großen Anteil des Urkundenschatzes durch unermüdliches
Kopieren und Exzerpieren zu erschließen und zu sichern, so schafft er sich damit zugleich als Historiograph die Materialien, mit denen er das gewaltige Vorhaben
seiner Geschichte Breslaus, belegt durch Dokumente, zu beginnen vermag. "So kann er, 1781-1783, nach langjährigen Studien ein Werk veröffentlichen, das durch
die Massenhaftigkeit und gleichzeitig kritische Verwertung des in die Geschichte neu eingeführten Urkundenstoffes alle früheren Bearbeitungen beiseite drängt und
eine neue Epoche der schlesischen Geschichtsschreibung einleitet". Die damit in Druck gegangenen fünf Bände, die Geschichte Breslaus von den Anfängen bis
zum Jahre 1526 darstellend, umfassen nur etwa die Hälfte seines fertigen Manuskripts. Wie Hermann Markgraf mitteilt, hat der Verein für Geschichte und Altertum
Schlesiens eine Abschrift von den ungedruckten Bänden seines Manuskripts nehmen lassen, die dem Königlichen Staatsarchiv in Verwahrung gegeben worden ist.
Dieser ungedruckte Teil umfaßt auch "Die Darstellung der inneren Verhältnisse von 1458 bis 1526", die von Stenzel 1847 als dritter Band seiner "Scriptores rerum
Silesiacarum" veröffentlicht worden ist, sowie die in drei weiteren Bänden als Handschrift vorliegenden Darstellungen "Über den Zustand der Religion. Von den
Verhältnissen der Geistlichen und den Streitigkeiten derselben", "Die Reformationsgeschichte unter König LudwigII. und König Ferdinand I." und die in drei starken
Folianten behandelte "Regierung des I. Habsburgers" sowie schließlich den über "Die Regierung Maximilians II." angefangenen, aber nicht zu Ende geführten Band.
Der damit in insgesamt acht Manuskriptbänden unveröffentlicht gebliebene Teil, der zwar in derselben Weise wie der gedruckte gearbeitet,
aber noch nicht in Briefen gegliedert ist, verliert sich noch mehr als früher in eine Reihe von Schriftstücken, so daß das Buch anstatt eine Geschichte Breslaus immer
mehr nur eine Quellensammlung dazu wird. Der immer wieder im Verein für Geschichte und Altertum Schlesiens erwogene Plan, diese nicht veröffentlichten Bände,
ihres so wertvollen Inhalts wegen, doch noch zu drucken, ist damals, als die mit der zeitgeschichtlichen Entwicklung inzwischen eingetretenen entsetzlichen Folgen
für Schlesien noch nicht abzusehen waren, leider verworfen worden, da die in den drei Archiven (Staats-, Stadt- und Domkapitelsarchiv) ruhenden Originalien (der
Kloseschen Kopien) ungehinderter öffentlicher Benutzung freistanden.
Als beim Druck des Kloseschen Werkes sich dessen unvorteilhaftes Konzept (Unhandlichkeit der Bände und schwere Lesbarkeit, weil der
Autor den gesamten Apparat wissenschaftlicher Untersuchung mit eingebracht hat) für den Verleger Korn als wirtschaftlicher Mißerfolg auszuwirken beginnt, bricht
dieser nach Erscheinen des fünften Bandes das Vorhaben ab. Es kommt zum Zerwürfnis zwischen Korn und Klose, der danach von seinen weiteren Arbeiten keine
mehr veröffentlicht hat. Wie sehr diese Entscheidung des Verlegers Klose getroffen hat, zeichnet sich konturenscharf erst vor dem Hintergrund seiner ganz der
Wissenschaft gewidmeten Existenz ab, die sich, da das Lebenswerk ein Torso bleibt, in Frage gestellt sieht. Begreiflich, daß dieser schwere Schlag gegen Kloses
Hauptwerk eine auffällige Verhaltensänderung des Getroffenen zur Folge hat. Zwar bleibt Klose der selbstgewählten Lebensautgabe, die Geschichte der Vaterstadt
zu erkunden, in unveränderter Hingabe bis zum Lebensende treu, wovon der bewundernswert umfangreiche quellenkundliche Schatz der 248 Bände der "Kloseschen
Handschriftensammlung" Zeugnis ablegt, doch zieht sich der Enttäuschte aus der Gesellschaft mehr und mehr in verbitterte Einsamkeit und Einsiedelei zurück,
Kleidung und Wohnung vernachlässigend. - Die "Klosesche Handschriftensammlung", die nach des Schreibers Tode (1798) in fremde Hände und so bis nach
Leipzig gelangt, kann dort schließlich doch noch vom Breslauer Magistrat ersteigert und für das Stadtarchiv gerettet werden. Sie enthält, in sieben Abteilungen
gegliedert, erstens Ausarbeitungen von Klose, unter denen neben der schon erwähnten Fortsetzung seines Manuskripts der Breslauer Geschichte vor allem seine
Schulreden hervorhebenswert sind. Die Abteilungen 2 bis 4 enthalten Abschriften von und aus amtlich geführten Büchern des Breslauer Rats in chronologischer
Folge, Urkundenabschriften zur Geschichte der einzelnen Kirchen, Auszüge und Abschriften zur Geschichte einzelner Ereignisse oder Persönlichkeiten Breslaus.
In Abteilung 5 folgen ähnliche Sammlungen zur Geschichte Schlesiens nach Orten oder Personen geordnet, während in Abteilung 6 Sammlungen zur
Gelehrtengeschichte Breslaus im 16. und 17. Jahrhundert und endlich unter 7 Abschriften von Handschriften, die keinen unmittelbaren Bezug zur schlesischen
Geschichte haben, eingegliedert sind.
"Die Benutzung sichert ihrem Urheber für alle Zeiten ein dankbares Andenken", urteilt Markgraf. "Bei gar vielen Stücken greift man lieber
zu seiner leicht lesbaren Abschrift als zum Original, bei einzelnen, wie zum Beispiel den die Urkundensammlungen der Dombibliothek enthaltenden Bänden, aber
auch bei manchen Amtsbüchern, müssen seine Abschriften oder Exzerpte die inzwischen verlorengegangenen Originale ersetzen!
Noch mehr verdankt ihm das Stadtarchiv: als der Magistrat im Jahre 1791 bei dem Suchen nach den tituli possessionis der städtischen
Landgüter auf die im Archiv herrschende Unordnung aufmerksam wurde und ihm in Gemeinschaft mit dem Registraturassistentenjohann Karl Roppan eine neue
Registrierung des Archivs auftrug, ging er noch am Abend seines Lebens an diese ausgedehnte Arbeit und verfaßte jenes vierbändige Repertorium, welches, auf den
älteren Repertorien und der ihnen hergebrachten Ordnung beruhend, noch immer das wichtigste Hilfsmittel für die Benutzung des Stadtarchivs ist, obwohl ihn der Tod
die Arbeit nicht hat vollenden lassen. Mit dem während dieser Arbeit unter dem 6. Juli 1795 dem Magistrat gemachten Vorschlag, ihm einen jungen, der lateinischen
Sprache kundigen Mann zu adjungieren, den er zum Stadtarchivar ausbilden könne, kam er um ein Jahrhundert zu früh."
Wie nun stellt sich das Gesamtergebnis dieses Forscherlebens in seinem Hauptwerk dar? Eine zuverlässige Ordnung in die ersten
Jahrhunderte der schlesischen Geschichte zu bringen, dazu reicht Kloses Gestaltungskraft angesichts der Fülle des Quellenmaterials nicht aus, sie bleibt dem
Leser überlassen. Seine an Philosophie grenzende Geschichtsschreibung macht die Menschen auch mehr zu Trägern von Meinungen und Ansichten, als von
Bestrebungen und Absichten. Dieser Mangel tritt in seiner Darstellung, je weiter sie voranschreitet, um so deutlicher in Erscheinung.
"Wenn wir trotzdem darüber einig sind, dem Buche einen hervorragenden wissenschaftlichen Wert beizulegen, so liegt dieser in dem, was
es für die Erkenntnis und Würdigung der kulturellen Zustände nicht etwa bloß der Hauptstadt, sondern des ganzen Schlesien geleistet hat", stellt Markgraf dazu fest.
"Nach dieser Seite ist die Anlage und zum Teil auch das Ergebnis des Buches großartig zu nennen. Klose hat doch den Weg gewiesen, der allein zu einer sicheren
und vollen Erkenntnis führen kann. Zwar hatte sein Jahrhundert bereits angefangen, die Urkunden als historische Zeugnisse wichtigster Art heranzuziehen, aber wie
großartig hat er deren Vorrat bereichert! Ganz neu hat er den reichen Inhalt der Stadt- und Landbücher, der wissenschaftlichen Manuskripte des Mittelalters in die
schlesische Geschichte eingeführt. Auf alles hat er geachtet: die Kulturgeschichte, die Wirtschaftsgeschichte, die Literaturgeschichte, die Religions- und
Kirchengeschichte hat er zuerst angebaut, kurz den ganzen Reichtum der inneren Geschichte Schlesiens hat er zuerst aufgedeckt. Das bleibt sein unvergängliches
Verdienst. Mit unermüdlichem Fleiße hat er unter den erschwerenden Umständen, die ihm die Zerstreuung des gelehrten Materials bereitete, den Inhalt seiner, den
inneren Verhältnissen der einzelnen Zeitperioden gewidmeten Abschnitte zusammengetragen. Er ist der erste gründliche Benutzer und Kenner des Stadtarchivs
gewesen. Er hat die Handschriftenschätze der vielen, schwer zugänglichen Bibliotheken so fleißig studiert, exzerpiert und kopiert, wie niemand wieder nach ihm.
Er las mittelalterliche Handschriften, wie andere Leute Romane. In dieser fruchtbringenden Ausnützung der nicht erzählenden Geschichtsquellen zeigt sich doch eine
charakteristische geistige Begabung. Hier ist ihm das Zeugnis nicht zu versagen, daß er nach dem Höchsten gestrebt hat.
Was sein Buch wenig lesbar macht, die steife Aneinanderreihung der Nachrichten, erhöht seinen Wert als Quellensammlung: seine
Angaben sind immer von guter Herkunft und zu keinem Zwecke zurecht gemacht. Sie verdienen auch in den seltenen Fällen Glauben, wo sie nicht quellenmäßig
belegt sind; denn er hat durchaus einen Blick für das Richtige. Auf den überaus reichen Inhalt genauer einzugehen, würde zu weit führen; er ist so wertvoll, daß
selbst die ersten Bände, trotz der neueren Quellenveröffentlichungen, noch nicht ganz entbehrlich sind, die späteren und die nicht zum Druck gelangten Bande
werden noch lange von schlesischen Geschichtsforschern genutzt werden".
Wohl kaum aus berufenerem Munde konnte diese von kritischer Anteilnahme getragene Würdigung erfolgen, die Hermann Markgraf Klose
zum 100. Todesjahre aus der Sicht der Jahrhundertwende gewidmet hat. Seine treffende Einschätzung des Kloseschen Lebenswerkes als bleibendes und unersetzliches
quellenkundliches Repertoire hat durch die gegenwartigen Verhältnisse, die der deutschen schlesischen Geschichtsforschung den ungehinderten Zugang zu den
schlesischen Archiven erschweren, eine zusätzliche Aktualisierung erfahren.
Aber auch in der heutigen polnischen Geschichtsforschung erfährt Klose uneingeschränkte Anerkennung als bedeutender schlesischer
Geschichtsschreiber und Quellenkundler und werden seine Sammlungen gern benützt.
(Dieter-Lienhard Döring, in: Schlesische Lebensbilder VI, 1990, S.101-110)
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