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Ein Gedenkblatt für
Prof. Dr. Otto August Müller
Von Ludwig Vögely, Karlsruhe
Mit Prof. Müller schloß am 19. November 1968 nach einem langen Leiden ein Volkskundler von Rang seine für die
Belange der Heimat zeitlebens wachen Augen für immer. Wer das Dasein dieses mannes überblickt, steht voller Respekt vor einer außerordentlichen Lebensleistung,
imponierend in ihrer Vielseitigkeit und Ausgabe der vollen Arbeitskraft.
Herkommen und Werdegang:
Otto A. Müller war Durlacher, und darauf war er stolz. Dort erblickte er am 17. Juni 1898 das Licht der Welt. Er besuchte die Humboldtschulke
in Karlsruhe, wo der bekannte Pädagoge Dr. Karl Ott sein bewunderter Lehrer wurde. Otto Müller hatte das Glück, stets Lehrern zu begegnen, die als Vorbild ihn prägten.
Bevor er jedoch die Schule ganz durchlaufen hatte, brach der Erste Weltkrieg aus. Müller meldete sich freiwillig und machte den Krieg bei den Leibgrenadieren und
Hohenzollernfüsilieren mit. Eine schwere Verwundung im Jahre 1917 brachte ihm nach der Genesung die Entlassung aus dem Kriegsdienst. Der Weg zur Nachholung
des Abiturs war frei. Das Studium mit den Fächern Deutsch, Französisch und Latein in Heidelberg schloß sich an. In der Kürze der Zeit, in der Otto Müller sein Studium
hinter sich brachte und mit der Promotion abschloß, zeigte sich schon seine enorme Arbeitskraft. Der junge Gymnasiallehrer trat seine erste Stelle in Bühl an und
unterrichtete dort von 1922 bis 1934. Es mag - im Rückblick - wohl die schönste Zeit seines schulischen Lebens gewesen sein. Immer sprach er von seinen Bühler
Abiturienten voll Freude, und die Verbindung zu ihnen riß über Jahrzehnte hinweg nicht ab. So lag denn auch auf dem frischen Grab Dr. Müllers ein Kranz der Bühler
Abiturienten des Jahrganges 1931. Auf der Schleife stand: "Unserem verehrten Professor und guten Freund." Diese Worte setzen ihm als Lehrer ein Denkmal.
In die Bühler Zeit fiel die Verheiratung mit Erika Werber. Er hatte in ihr die Frau gefunden, ohne deren Verständnis und Hilfe sein Lebenswerk
nie hätte entstehen können. Ihrer sei an dieser Stelle mit Dankbarkeit gedacht.
Die weiteren Lebensstationen sind nun rasch aufgezählt. 1934 bis 1940 amtierte Dr. Müller in Offenburg. Er war vorher schon Ausschußmitglied
des Historischen Vereins für Mittelbaden geworden. Jetzt konnte er am Sitz des Vereins als Obmann eine reiche Tätigkeit entwickeln. Die Kriegsjahre sahen ihn in
Straßburg. Ab 1949 bis zu seiner Pensionierung unterrichtete Dr. Müller am Kantgymnasium in Karlsruhe.
Der Volkskundler
Die Neigung zur Volkskunde muß Otto Müller angeboren gewesen sein. Schon der Untersekundaner sammelte in der Heimat seines Vaters Volkslieder (Dainbach bei
Mergentheim), der Soldat setzte diese Tätigkeit mit Soldatenliedern fort. Hier gehen die Parallelen zu Prof. Dr. Johannes Künzig, der auch tatsächlich sein Kommilitone
auf der Universität war. Nun beweist sich das Wort von den vorbildlichen Lehrern, das oben gesagt wurde. Außer Johannes Künzig wurden Prof. Dr. Fehrle und Prof. Dr.
Othmar Meisinger die großen Anreger volkskundlichen Forschens für Müller. Von ihnen lernte er den Blick für das Wesentliche, Exaktheit der wissenschaftlichen
Forschung, das Dringen in die Tiefe. Hierin machte Dr. Müller zeitlebens keine Konzessionen. Was ihn aber besonders auszeichnete, war die Fähigkeit, seine
wissenschaftlich erarbeiteten Erkenntnisse in vorbildlicher Weise allgemeinverständlich darzustellen. Eine schwere Kunst! Er wollte, daß die Kunde vom Volk
(Volkskunde) wieder dem Volke zugute komme. Seine besondere Liebe galt dabei den Steinkreuzen und Bildstöcken. So wurde er zum "Steinkreuzles-" oder
"Bildstöcklesmüller", wie ihn seine Freunde und Schüler heiter, aber mit Hochachtung im Hintergrund, gerne nannten.
Die schriftstellerische Tätigkeit
Prof. Dr. Müllers großes volkskundliches Wissen schlug sich in einer unübersehbaren Reihe von Aufsätzen nieder, die in allen wesentlichen
Zeitschriften erschienen sind. Nur die wichtigsten können hier genannt werden. 1926 erschienen die Flur- und Straßennamen Bühls und ein Aufruf Müllers, der in vielen
Zeitungen erschien, wurde zum Beginn der Flurnamensammlung und ihrer Erforschung. Zuvor schon entstand eine Sammlung der Sagen von Mittelbaden, die
gewissermaßen der Anfang seiner volkskundlichen Arbeit war. 1927 erschien seine erste Arbeit über Steinkreuze, der noch viele andere folgten. 1929 publizierte er
die interessante Arbeit über die "Hohwölfle - ein Gebildbrot". 1930 wurde ein erfolgreiches Jahr. Müller veröffentlichte als Abschluß jahrelangen Forschens eine
Bestandsaufnahme der Steinkreuze in Mittelbaden. Daß er später kein umfassendes Buch über dieses Thema herausbringen konnte, war für ihn schlimm. Der
Krieg vernichtete alle Unterlagen, sie wieder zu schaffen, war unmöglich. Bedeutsam waren auch die Aufsätze für die Festgaben für Prof. Meisinger und Prof. Fehrle,
die sich mit den Themen "Flurnamen und Volkskunde" und "Flurnamen und Ortsgeschichte" befaßten. Eine große Arbeit fand im Jahre 1939 ihren Abschluß:
"Steinach im Kinzigtal, 1139-1939". Das Buch erschien im Verlag des Historischen Vereins. 1942 folgten, vorbildlich in Forschung und Deutung, die "Flurnamen
von Steinach im Kinzigtal". Gerade die Flurnamenforschung verdankt Prof. Müller viel. Bis zu seinem Tode hat er sich für sie eingesetzt und Freunde zur Weiterarbeit
geworben.
Sein eigentliches Lebenswerk aber wurde seit 1949 die Herausgabe der Beilage des Durlacher Tageblattes "So weit der Turmberg grüßt".
Bescheiden im Beginn, steigerte sich die Bedeutung dieser Schrift durch die unermüdliche Arbeit Dr. Müllers von Jahr zu Jahr, bis sie schließlich in allen Bibliotheken
und an der Volkskunde interessierten Institutionen zu finden war. Dabei zeigte sich eine weitere Seite Dr. Müllers. Er verstand es glänzend, Mitarbeiter zu finden,
sie zu begeistern und an den Schreibtisch zu bringen. Der Kreis seiner Freunde, die durch ihn wieder zu aktiven Heimatkundlern wurden, wuchs, bis die Durlacher
Zeitung verkauft wurde und damit das Ende auch der Beilage nicht mehr zu verhindern war. Mit Bedauern muß hier festgestellt werden, daß seit jener Zeit die alte
Residenzstadt Karlsruhe keine gleichwertige heimatkundliche oder heimatgeschichtliche Schrift oder Beilage mehr besitzt. 16 Jahresbände "So weit der Turmberg
grüßt" sind Prof. Müller zu verdanken, und nicht zuletzt werden sie es sein, die seinen Namen lebendig erhalten.
Die Grenzen des Arbeitspensums Prof. Müllers liegen aber noch weiter. Seine jungen Jahre widmete er dem Historischen Verein für
Mittelbaden. Vor allem aber war er ein Mann der "Badischen Heimat". Ungezählte Vorträge führten ihn landauf-land-ab. Er wurde schon früh Mitglied des
Flurnamenausschusses unseres Landesvereins. Besonderen Dank aber ist die Ortsgruppe Karlsruhe ihm schuldig. Viele Jahre stellte er seine reiche Erfahrung als
Beirat zur Verfügung bei den vielfältigen Problemen, welche die "Stadt der vielen Möglichkeiten" uns stellt. Solange er gesund war, konnte man auf ihn zählen, bei der
Beratung und auch beim Viertele hinterher. Ein Mann wie Prof. Müller beherrschte auch die edle Kunst des Weintrinkens. Daß er der "Arbeitsgemeinschaft für
geschichtliche Landeskunde am Oberrhein" angehörte, ist beinahe selbstverständlich.
Prof. Dr. Otto Müller hat eine große Lücke hinterlassen, und wir schulden ihm viel Dank. Ein wenig von dieser Schuld abzutragen, dazu
wurden diese Zeilen geschrieben.
(in: "Ekkhart“ 1970, S.178-180, Beilage zur Zeitschrift "Badische Heimat“, hrsg. vom Landesverein Badische Heimat e.V.)
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