Hans Schnetzer


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Hans Schnetzer

*  11.05.1862 in Sulzdorf
 14.08.1914 in München

Nachruf:

   Am 14. September 1914 ist Hans Schnetzer gestorben. Er war einer der Begründer unserer Zeitschrift, deren Freud und leid er mit warmem Herzen mitlebte und um deren Zukunft sein Wunsch und Wille warben.
   Geboren am 11. Mai 1862 zu Sulzdorf "an der Lederhecke“ bei Königshofen im Grabfeld (Unterfranken) als Sohn eines Aufschlageinnehmers , war er das älteste von zehn Kindern. Nach des Vaters Versetzung nach Memmelsdorf besuchte er zunächst als Pflegling des Großelternhauses die Sulzdorfer Volksschule, um im Herbst 1868 den Eltern nachzufolgen. Hier in Memmelsdorf erlebte er den Siebzigerkrieg, der dem geweckten und leichtbegeisterten Knaben einen tiefen Eindruck machte. Im April 1875 bestand er die Aufnahmeprüfung an der herzoglichen Realschule in Koburg, trat 2½ Jahre später auf das Würzburger Realgymnasium über und beschloß 1883 sein letztes Schuljahr auf dem Realgymnasium zu Nürnberg. Im September dieses Jahres stellte er sich als Avantageur bei dem Leipziger Infanterie-Regiment Prinz Georg Nr.106, wandte sich aber, nachdem er sein Pflichtjahr abgedient hatte, als „überzähliger Unteroffizier“ dem Zolldienst zu und wurde zunächst als Grenzaufseher in die Zollwache nach Griesen (Hauptzollamt Pfronten) geschickt. 1886 wurde er nach Pfronten-Steinach versetzt und – nach einem ganz kurzen Dienst in Krün – ein Jahr darauf als Stationsführer der Revisionsaufsichtsstation nach Kufstein, wo er 1890 die Assistentenprüfung bestand. 1891 als geprüfter Zollassistent nach Ludwigshafen berufen, vermählte er sich hier 1892 mit der Tochter des Kgl. Försters Richstein von Partenkirchen, mit der er sich als 23-Jähriger in Griesen verlobt hatte, und kehrte 1896 wieder nach Kufstein zurück. Von acht Kindern sah er drei zu seiner Freude aufwachsen und die beiden Söhne noch als Freiwillige ins Feld ziehen. 1900 kam er dann nach München, zunächst als Hauptzollamtsoffizial, dann als Steueroberkontrolleur, und wurde 1910 als Rechnungskommissär in die Generaldirektion der Zölle und indirekten Steuern berufen. Hier wirkte er bis zuletzt als Zollinspektor.
   In Hans Schnetzers Wesen verbanden sich ein starkes, warmes Gefühl und ein klarer Blick für Menschen und Dinge, die seinem Leben in glücklichster Weise Inhalt und Form gaben und eine unbeirrte starke Entwicklung sicherten. Die Träume und Ideale des Knaben reiften in der Erkenntnis der Jahre, aber sie wiesen immer auf das gleiche Ziel hin, auf das Verstehenlernen des eigenen Lebens als Produkt seiner Umwelt, der Familie, des Heimathauses, des Heimatlandes. Schon als 18-Jähriger versuchte er – neben ständig geführten Tagebüchern – eine zusammenfassende Beschreibung seines Lebens und das seiner Familie zu geben, und der Familienchronik gelten noch seine letzten Arbeiten. Die Grenzerjahre, deren Ernst und Scherz er in drei kleinen Erzählungen – "Eine Grenzbegehung in den Bergen“, "Der schlaue Hias“ und "Hoamzahlt“ – in seiner trocken-sentimentalen Art festzuhalten suchte, ließen ihn aufs engste mit der Natur verwachsen, deren Wunder stets neu sein Herz bewegten, ohne daß sich je sein Gefühl ganz an den Schein der Tage verlor, hinter dem sein starker geschichtlicher Sinn stets die zielbewusste Entwicklung der Jahrtausende zu sehen wusste. Besonders jenen mannigfachen kleinen, oft naiven und doch fast immer gemütstiefen Äußerungen, in denen der verschlossene Bergler und Bauer Denken und Fühlen in Wort und Bild ausgab, galt Schnetzers Liebe, und von zahllosen Wanderfahrten aus Feiertagen, Dienstreisen und Ferien brachte er eine reiche geschriebene und gezeichnete Ernte heim, besonders aus dem Inntal, das er in seinen Kufsteiner Jahren in allen Winkeln kennen gelernt hatte, aus der Münchener Umgebung und dem Eichstätter Land, der Heimat seiner Schwiegereltern und dem Alterswohnsitz seiner eigenen Eltern. So wurde er in Laufe der Jahre der beste Kenner der bairischen Kreuzsteine, Marterln und Totenbretter, zu deren Geschichte er manches geschrieben, manches in Vorträgen - besonders im Münchener Volkskunstverein und dem Heimatgau - erörtert, und das Meiste, namentlich archivalische Studien, noch unverwertet und unvollendet hinterlassen hat.
   Vieles von dem, was Hans Schnetzer in seiner unermüdlichen Arbeit, die ihm Freude und Ziel seines Lebens war, erreichen wollte, ist uns mit seinem allzufrühen Tod verloren gegangen. Aber mehr noch beklagen die, die ihn persönlich kannten, in ihm den Menschen, dessen warmes Herz allem Schönen und Guten entgegenschlug und dessen offener, gerader Sinn Liebe schenkte und Liebe weckte.
(Bayerische Hefte für Volkskunde, Erster Jahrgang 1914, Heft 4, S.183-184)


Publikationen: 1898Ein Mädchen als K.K. Korporal, in: Tiroler Grenzbote, Kufstein, 10.Juli und Eichstätter Kurier, 25.Juli
1898Das Königskreuz bei Göllheim, in: Das Bayernland, Nr.45, S.536-538
1899Haussprüche im bayerischen Inntal, in: Das Bayerland, Nr.10, S.118
1901Marterln aus alter und neuer Zeit in Eichstätts Umgenung, in: Das Bayerland, Nr.19-21, S.226f., 239f., 250-252
1903Die Friedhöfe des Bayerischen Inntals in der Gegend von Kiefersfelden bis Neubeuren, in: Das Bayerland, Nr.4-6, S.40f., 57-59, 63-65
1903Sprüche an einem Haus zu Marzoll bei Reichenhall, in: Das Bayerland, Nr.20, S.240
1904Über Kreuzsteine, in: Volkskunst und Volkskunde, S.25-29, 35-42
1904Unsere Kreuzsteine und ihre Bedeutung, in: Das Bayerland, Nr.24/25, S.284-286, 298-300
1904Aus der "Krabatenzeit", in: Das Bayerland, Nr.20, S.240
1904Grabinschriften, in: Das Bayerland, Nr.51, S.612
1907Eine Totschlagsühne im 15. Jahrhundert, in: Das Bayerland, Nr.19, S.228
1907Alte martersäulen aus der Umgebung von Eichstädt, in: Volkskunst und Volkskunde, S.139-143
1907Totenbretter als Marterln, in: Volkskunst und Volkskunde, S.21-22
1907Sprüche an Feldkreuzen, in:Volkskunst und Volkskunde, S.119-120
1908Die Grabdenkmale bei der Bründlkapelle zu Haimhausen, in: Volkskunst und Volkskunde, S.97f.
1909Die Friedhöfe im bayerischen Inntal, in: Volkskunst und Volkskunde, S.124-130 (gegen das Bayerland 1903 stark umgearbeitet und nach einem am 12. Januar 1909 im Volkskunstverein gehaltenen Vortrag; vgl. auch Bayerischer Kurier 9 und 12, Januar 1909. Der Vortrag wurde in Kufstein wiederholt: Tiroler Grenzboten 3. März 1909)
1909Die Ermordungsstätte Ludwig des Kelheimers, in: Das Bayerland, Nr.21, S.242-244
1910Eine Totschlagbesserung im 16. Jahrhundert, in: Bayerisches Familienblatt VIII, S.30f.
1910Das Totenbrett, in: Deutsche Gaue, Band XI, S.243-268
1913Wallfahrten im Hemd, in: Deutsche gaue, Band XIV, S.42
1913Ein altes Steinmal, in: Münchner Illustrierte Zeitung, S.382
1914Vom Steinkreuz zur Marterl, in: Bayerische Hefte für Volkskunde, 1.Jg., S.26-38 und S.124-138.


Alle Angaben wurden nach bestem Wissen und Gewissen zuzsammengetragen. Keine Garantie auf Vollständigkeit.


Sühnekreuze & Mordsteine