PLZ:
36119GPS:
Standort:
Nördlich von Ellers im Wald an der Straße nach Giesel links (Flur Stiftsrain).Größe / Material:
Geschichte:
Benennung: "Mähdkreuz" (Grenzkreuz). Bezeichnet 1726. Vornehme Barockform. Bodenplatte. Diamantierter Sockel. Kurzer, kräftiger Pfeiler mit Zierfeldern. Blockkapitäl mit Inschriften: DER MAEHD KREVTZ FÜRSTLICHE WALDVNG 1726. Auf der Gegenseite: DER PROPSTEI ST. IOANESBERG WALDVNG. Hoher Aufsatz mit Karniesbogen. Vorn Kruzifixus in Nische mit gekehlter Rahmung. Hinten Wappen von Mengersen mit Freiherrnkrone, darunter ovales Medaillon mit Inschrift: VON CONRAD VON MENGERSEN PROBST RENOVIERT 1726.Sage:
Quellen und Literatur:
Über weite Gebiete des westlichen Teiles des Kreises Fulda erstreckt sich der große Gieseler Forst, dessen bewaldete Kuppen und Erhebungen
die östlichen Ausläufer des Vogelsberges bilden.
Die am Ostrande dieses Forstes gelegenen Ortschaften Neuhof und Giesel sind durch eine 7 km lange Straße miteinander verbunden, die sich über den
bewaldeten "Hintereren Schiefersrain" hinzieht.
Kommt man aus Richtung Neuhof, so zweigt beim Kilometerstein 3,7 links ein Waldweg ab, an dessen Anfang rechts das sogenannte "Mägdekreuz" steht. Will
man es von Fulda aus erwandern, geht man über Johannesberg, Harmerz nach dem zur Domäne Johannesberg gehörigen Vorwerk Nonnenrod und von dort auf einem
Forstweg zum "Roteborn“, einem früher bei der Bevölkerung der Umgegend beliebten Ausflugsziel, das sich aber heute in einem trostlosen Zustand befindet. Nun steigt
man die Anhöhe hinan und gelangt nach kurzer Zeit bei dem genannten Kilometerstein auf die Straße Neuhof-Giesel.
Steht man nun vor dem "Mägdekreuz", so muß man die Feststellung treffen, daß es sich bei ihm gar nicht um ein Kreuz, sondern um einen barocken Bildstock aus
rotem Sandstein aus dem Jahre 1726 handelt. Er zeigt nicht die allgemein üblichen Formen der Bildstöcke des Fuldaer Landes. Er besteht aus einem gegliederten
Schaft, dessen Vorder- und Rückseite mit Zierfeldern versehen sind. Darauf sitzt ein hoher Aufsatz, der oben in einen abgesetzten Rundbogen ausläuft.
Die Vorderseite des Aufsatzes zeigt in einem ausgekehlten Feld ein auf einem Sockel stehendes Kruzifix. Darunter lesen wir am oberen Schaftende die Worte:
DER MAEHD KREVTZ / FVRSTLICHE / WALDUNG / 1726.
Die Rückseite zeigt oben das Wappen von Mengersen und darunter in einem Medaillon die Worte: VON / CONRAD / VON MENGERSEN PROBST / RENOVIRT /
1726 und weiter unten am oberen Schaftende: DER PROBSTEI / ST.JOHANNESBERG / WALDVNG.
Der Bildstock in seiner wohlgegliederten Form macht auf den Beschauer einen gefälligen Eindruck und zeigt, daß sein Verfertiger ein Könner war. Da im Jahre 1726
mit dem Bau des Propsteigebäudes in Johannesberg begonnen wurde, ist anzunehmen, daß von geschulten Kräften, die bei diesem Bau beschäftigt waren, auch der
Bildstock gefertigt wurde.
Welche Bedeutung hat nun der Bildstock mit dem Namen "Mägdekreuz", und was besagen dessen Inschriften? Sie berichten, daß der Bildstock 1726 von Propst
Conrad von Mengersen errichtet wurde, der damals Propst auf dem Johannesberg war; sie besagen ferner, daß die umliegenden Waldungen zur genannten Propstei
gehörten. Wahrscheinlich wurden damals dort auch größere Aufforstungen vorgenommen.
Noch heute stehen in den Wäldern unserer Gegend mehrere Bildstöcke, die in früheren Zeiten zur Erinnerung an vorgenommene Aufforstungen gesetzt wurden.
Was besagen die rätselhaften Worte "DER MAEHD KREVTZ" auf der Vorderseite des Schaftes? Des Rätsels Lösung finden wir wohl, wenn wir das auf der
Rückseite angegebene Wort "Renovirt" mit "Erneuert" ersetzen. Der heutige, im Jahre 1726 errichtete Bildstock hatte einen Vorgänger, der den Namen "Mägdekreuz"
führte. Er wird ein Holzbildstock, oder was wahrscheinlicher ist, ein niedriges Steinkreuz in Form der Mord- und Sühnekreuze gewesen sein, das zerstört oder der Zeit
zum Opfer gefallen ist.
Man kann immer wieder feststellen, daß Bildstöcke und Kreuze aus neuerer Zeit an Stellen errichtet wurden, an denen schon vorher Kreuze standen. Aus Pietät
erstellte man, als die alten Male abgängig wurden, an deren Stelle ein neues. So geschah es wohl auch mit dem "Mägdekreuz". Das alte Kreuz wurde durch ein neues
religiöses Mal in Form der damals üblichen Bildstöcke ersetzt.
Als ich einmal in der Nähe des Mägdekreuzes weilte, traf ich einen Straßenwärter, den ich nach der Bedeutung des Namens "Mägdekreuz" befragte. Er erzählte mir,
daß nach der Volksüberlieferung dort eine Dienstmagd ums Leben gekommen sei. Es ist dies die immer an alten Kreuzen vorkommende Geschichte von einem Mord
oder Totschlag oder von einem plötzlichen Tod; an der Stelle des Geschehenen wurde dann ein Kreuz errichtet, um die Vorübergehenden um ein Gebet für den
Verstorbenen zu bitten.
Die Worte "DER MAEHD KREVTZ" bedeutet aber Mehrzahl. Er ist daher anzunehmen, daß bei den Erzählungen über das alte "Mägdekreuz" das an vielen Kreuzen
vorkommende sogenannte Zweikampfmotiv, zwei Mägde erschlugen sich gegenseitig, in Frage kommt. Solche Geschichten, die vom gegenseitigen Totschlag berichten,
kommen noch mehrfach in unserem Gebiet an alten Kreuzen vor und auch in anderen Gegenden, wo man diese alten Kreuze antrifft.
Das "Mägdekreuz" steht übrigens auf geschichtlichem Boden. Der verstorbene Prof. Dr. Vonderau erwähnt in einer Veröffentlichung "Alte Fuldaer Grenzsteine"
(Fuldaer Geschichtsblätter 1933, S.65ff.) das Mägdekreuz und vermerkt, daß es auf der Südostlinie der Karlmannsschenkung im Distrikt "Stiftsrain" am "Hinteren
Schiefersrain" stehe. In dieser Schenkung des Hausmeiers Karlmann vom Jahre 743 wird das Gebiet mit seinen Grenzen beschrieben, das er dem hl. Bonifatius zur
Gründung des Klosters Fulda schenkte. Prof. Vonderau berichtet weiter, daß in der Nähe des "Mägdekreuzes" auch die "Antsanvia", jener frühgeschichtliche Weg, der
von Wetterau über den Vogelsberg und die Rhön nach dem Grabfeld und weiter führte, verlaufen sei. Auch Vonderau vermutet, daß der heutige Bildstock an Stelle eines
früheren Males gesetzt worden sei.
Forstmeister Wagner, der lange Jahre das Forstamt Fulda-Süd verwaltete und mit den Gelände- und Wegeverhältnissen in der Umgebung des "Mägdekreuzes"
besonders vertraut war, berichtet in seiner Veröffentlichung "Ortesweg und alte Klostergrenze" (Buchenblätter Nr.39/1934 vom 30.09.1934), daß die "Antsanvia" dort
verlaufen sei, wo heute das "Mägdekreuz" stehe.
Wie E. Sturm in einem Artikel "Bau- und Kunstdenkmale in Neuhof" vermerkt (Buchenblätter Nr.10/1952 vom 10.10.1952), steht das Kreuz auf der Grenze zwischen
der ehemaligen Propstei Johannesberg und dem früheren fuldischen Oberamt Neuhof.
Das alte "Mägdekreuz", der Vorgänger des heutigen Bildstocks, muß eine gewisse Bedeutung besessen haben, so daß man, als es abgängig wurde, es für
notwendig hielt, an seine Stelle ein neues Mal zu setzen und auch den Namen des alten Kreuzes auf die Vorderseite ds neuen Bildstocks einhauen zu lassen.
Der heutige Bildstock vom Jahre 1726 erfüllt somit einen mehrfachen Zweck. Er berichtet uns, daß er im Jahre 1726 von Propst Conrad von Mengersen gesetzt
wurde, und daß die Waldungen ringsum der Propstei Johannesberg gehörten. Er war einst Grenzkreuz zwischen der Propstei Johannesberg und dem fuldischen
Oberamt Neuhof. Er steht auch, wie die Forscher meinen, auf der Grenze der Karlmannsschenkung vom Jahre 743 und an der Antsanvia, dem frühgeschichtlichen
Durchgangsweg durch das Fuldaer Land. Schließlich hält er wohl auch die Erinnerung an eine Untat wach, die einst dort geschah, die dem früheren Kreuz und dem
heutigen Bildstock zu seinem Namen "Mägdekreuz" verhalf.
Noch steht heute das "Mägdekreuz" einsam im Walde am "Hinteren Schiefersrain". Nur Waldarbeiter und zur Sommerszeit Beeren- und Pilzsammler kommen
gelegentlich an ihm vorüber. Vornübergeneigt steht es am Rande eines tief ausgehöhlten Waldweges, so daß die Gefahr besteht, daß es bei einer starken Erschütterung,
etwa beim Vorbeifahren eines Holzfuhrwerkes oder eines Traktors, umfällt. Deshalb sollten die Verantwortlichen - das wird wohl die Forstverwaltung sein - für die Erhaltung
dieses alten Flurmales sorgen.
(Buchenblätter, Nr.31 vom 08.10.1966)