PLZ:
18246GPS:
Standort:
In der historischen Ausstellung des Krummen Hauses in Bützow, im Dachgeschoß auf dem Flur.Größe / Material:
233:57:14 / Kalkstein.Geschichte:
Der Stein stand bis zum Frühjahr 1972 an der Landstraße Bützow - Klein Belitz (nahe Kilometerstein 9,7). Er wurde bei Feldarbeiten umgestoßen, zerbrach in mehrere Teile und mußte später im Heimatmuseum in Bützow sichergestellt werden. Dort steht er im Krummen Haus. Das abgebrochene Ohr wurde wieder an dem Stein befestigt, die Bruchstellen wieder zusammengefügt. Aus Sicherheitsgründen steht der Sühnestein nun nicht mehr frei im Raum, sondern wurde mit der Rückseite an die Wand geschraubt.obiit Hermanus Lameshovet (Im Jahre des Herrn 1399 am Tage des heil. Vitus – 15. Juni – starb Herman Lameshovet) Über der Figur im geschlungenem Bande steht: Miserere mei, Domine! (Herr, erbarme Dich mein!) Nach Schlie, der sich auf Lisch beruft, steht hier jedoch: misere : mei : deus |
Sage:
Die Landstraße von Bützow nach Doberan führt durch das Bauerndorf Selow, das eine Meile von ersterer Stadt entfernt ist. Die Felder waren Besitzthum zweier weithin gebietender Ritter. Auf den selower Höhen erhoben sich die Burgzinnen des einen, und in dem eine halbe Meile davon entfernten Pfarrdorfe Neukirchen hielt der andere sein Hoflager. Beide Herren hatten für sich und ihre Hörigen zu gemeinsamem gottesdienstlichen Gebrauche eine Kapelle, die in Selow lag. Im Verlauf der Zeit erwies sich der Raum derselben jedoch zu klein. Ein neues Gotteshaus sollte gebaut werden. Aber die Stelle war strittig. Es waren die mannigsfachten Versuche zur Einigung gemacht worden, und da keiner zu einem gedeihlichen Ende geführt hatte und jeder Ritter auf seiner Forderung mit noch größerem Eifer beharrte, so entschloß man, dem Schwerte die Entscheidung anheim zu geben. Beide kamen dahin überein, an einem bestimmten Tage sich kampfbereit auf dem Kirchhofe vor der selower Kapelle einzufinden, dann um die Kapelle herumzureiten und an der Stelle, wo sie einander begegnen würden, zu streiten, bis einer der Kämpfer todt auf dem Platze liege. Der Sieger solle alsdann in dem unbestrittenen Rechte sein, die Kirche auf seinem Gebiete zu erbauen, und sollten auch die Erben des Erschlagenen gehalten sein, alle erforderlichen Dienste und Hülfen zu leisten. Dieser Kampf ward als ein Gottesurtheil angesehen, dem sich Beide getrost unterwerfen wollten.Quellen und Literatur:
Im J. 1407 erheirathete Lüdeke Lammeshoved mit Margarethe von Kamen zwei Häuser auf dem Kohlmarkt, jetzt
die beiden Häuser 272 und 273 in der obern Holstenstraße (Petri=Kirchspiel), welcher Theil im Volksmunde noch jetzt der Kohlmarkt
genannt wird. Im J. 1425 übernahm Heinrich Wittenburg die beiden Häuser von Lüdeke Lammeshoved, der keine Kinder hatte;
wahrscheinlich war um diese Zeit Lammeshovd's Frau gestorben. Der Name Lammeshoved verschwindet mit diesem Lüdeke in Lübek.
Die Platte muß also aus der Zeit zwischen 1407-1425 stammen.
Am 15. Junii 1399 ward bei Selow in der Nähe der Stadt Bützow ein Bürger Hermann Lammeshoved, welcher ohne Zweifel zu der
lübeker Familie gehörte, erschlagen. Der Denkstein (steinernes Kreuz) steht noch auf dem Felde von Selow; vgl. Jahrb. X, S. 371.
Auf diesem Denkmale hat Hermann Lammeshoved einen Schild mit drei Lammsköpfen. Auf dem lübeker Denkmale hat der Mann
einen Schild mit einer Hausmarke neben sich.In einer Urkunde der Stadt Gadebusch vom 1. Oct. 1411 wird ein lübeker Bürger
Hermann Lammeshoved, vielleicht ein Sohn des Erschlagenen, als Testamentsvollstrecker eines andern lübeker Bürgers aufgeführt.
Der Name Lammeshoved kommt auch in Wismar vor. Im J. 1333 miethete ein Lammeshoved eine von den Rathsbuden in
Wismar: "Lammeshouet pro sua XL s". Wismarsches Kämmerei=Register oben in Jahrb. XXIX S. 100.
(G.C.F. Lisch in: Jahrbuch Mecklenburgische Geschichte, Band 29, 1864)
Die Landstraße von Bützow nach Doberan führt durch das Bauerdorf Selow, das eine Meile von ersterer Stadt entfernt ist. Das Dorf hat eine sehr reizende Lage, und die fruchtbaren Aecker, die nach Südwest hin von dem Höhenzuge, der von der Hohen-Burg her nach Norden geht, eingerahmt sind, erinnern an die Landschaften gebirgiger Gegenden.
Diese Felder waren zur Zeit der ersten Anfänge des Christenthums in Mecklenburg das Besitzthum zweier weithin gebietender Ritter; auf den selower Höhen erhoben sich die Burgzinnen des einen, und in dem eine halbe Meile davon entfernten Pfarrdorfe Neukirchen hielt der andere sein Hoflager.
Beide Herren hatten für sich und ihre Hörigen zu gemeinsamem gottesdienstlichen Gebrauche eine Kapelle, die in Selow lag. Im Verlauf der Zeit erwies sich der Raum derselben jedoch zu klein, und man sah die Nothwendigkeit ein, zum Baue eines neuen Gotteshauses zu schreiten. Aber der Ort, wo dieses sollte erbauet werden, wurde Veranlassung und Gegenstand zu ernster, blutiger Fehde. Jeder der Ritter nahm für sich das Recht in Anspruch, auf seinem Gebiete die Kirche erbauen zu lassen; Jeder sah's als eine Sache der Ehre an, und der Sieg, den der Eine oder der Andere davontrug, mußte als ein sprechendes Zeugniß seines Uebergewichtes erscheinen. Dazu kam auch die religiöse Begeisterung, die in dem Kirchenbau eine That des Glaubens erkannte und diesen darin zu bethätigen strebte. Es waren die mannigfachsten Versuche zur Einigung gemacht worden, und da keiner zu einem gedeihlichen Ende geführt hatte und Jeder der Streitenden auf seiner Forderung mit noch größerem Eifer beharrte, so war man des Entschlusses geworden, dem Schwerte die Entscheidung anheim zu geben und einen Zweikampf auf Leben und Tod zu kämpfen. Beide kamen dahin überein, an einem bestimmten Tage sich kampfbereit auf dem Kirchhofe vor der Thüre der selower Kapelle einzufinden, dann um die Kapelle herumzureiten und an der Stelle, wo sie einander begegnen würden, zu streiten, bis einer der Kämpfer todt auf dem Platze liege; der Sieger solle alsdann in dem unbestrittenen Rechte sein, die Kirche auf seinem Gebiete zu erbauen, und sollten auch die Erben des Erschlagenen gehalten sein, alle erforderlichen Dienste und Hülfen zu leisten. Dieser Kampf ward als ein Gottesurtheil angesehen, dem sich Beide getrost unterwerfen wollten.
Der Morgen war angebrochen in all seinem Frieden. Die Strahlen der Frühsonne spiegelten sich ab in den Thautropfen, die an den Grashalmen auf den Gräbern hingen. Feld und Wald und Garten feierten eine jener Stunden fröhlichen Auferstehens, wo neues Leben auch über die kleinsten Gebilde in dem Vaterhause unseres Gottes ausgegossen ist, wo Alles Seine Gnade verkündigt und es stille wird auch in der sonst so bewegten Menschenbrust.
Aber auf dem selower Kirchhofe sollte der Frieden und die Stille dieses Morgens bald aufhören; über den Gräbern wollten zwei Männer in wildem Grimme mit einander ringen und Dem in Seine Rechte greifen, der Leben und Tod in Seinen Händen trägt.
Der Kirchhof füllt sich mit Reisigen; jeder der Ritter erscheint in einem zahlreichen Gefolge. Vor der Thüre der Kapelle halten die Kämpfenden auf schnaubenden Rossen, die mit ihren Hufen die Erde stampfen. Dann wird noch einmal das wiederholt, worüber man eins geworden. Mit herabgelassenem Visir und weit ausgelegter Lanze reiten die beiden Ritter nach entgegengesetzten Seiten in gemessenem Schritt um die Kapelle. Jetzt treffen sie aufeinander. Ein furchtbarer Kampf beginnt. Jeder kämpft für sein Recht, für die Kirche des Herrn, für sein Leben; es wird eine That des Glaubens gekämpft. Mit fürchtbarem Gedröhne treffen die schweren Lanzen auf die schuppichten Panzer, daß sie zersplittert den Händen der Kämpfer entfallen. Es wird zum Schwerte gegriffen. Mit wuchtigen Schlägen dringen die Gegner auf einander ein. Die Entscheidung will noch immer nicht nahen. Da durchhaut der Ritter von Neuenkirchen dem Gegner das Visir unter dem Auge; das Eisen dringt in das Haupt, und entseelt stürzt er vom Rosse. Seine Mannen, die dem Kampfe zugeschauet, tragen ihn auf die Burg, und nach wenig Tagen wird sein Grab an der Stelle gegraben, wo er den Tod gefunden.
Der Sieger erbauet nun in Neuenkirchen ein großes Gotteshaus, und der Gottesdienst wird von Selow dorthin verlegt. Die Kapelle zerfiel im Verlaufe der Zeit.
Doch kurz nach der Bestattung des gefallenen Ritters ereignete sich etwas, das Alle in das höchste Erstaunen setzte. Eines Morgens nämlich stand auf dem Grabhügel ein großer behauener Stein aufgerichtet, von dem Niemand zu sagen wußte, woher er gekommen sei. Diesen Gedenkstein kannst Du, Wanderer, noch schauen, wenn Du durch Selow den Weg nach Kleinen-Belitz gehst. Dort steht er zur linken Seite einige Schritte von der Straße und weiset Dich in seiner alten, ehrwürdigen Gestalt auf längst entflohene Zeiten hin. Du wirst ihn mit jener Achtung anschauen, die Dir immer solche Monumente der Vorzeit, über deren Haupte Jahrhunderte mit ihren Stürmen und ihrem Sonnenschein dahingegangen sind, einflößen.
Der Stein ist grobkörniger, quarzhaltiger Granit; er hat eine Höhe von 8 und eine Breite von 2 Fuß und mißt in der Dicke 6 Zoll. Der Kopf ist fast kreisförmig und hat zu beiden Seiten ohrförmige Ansätze. Die Hauptseite des Steins ist nach Norden gerichtet. In der Rundung des Kopfes ist Christus am Kreuze erhaben ausgehauen. Auf der nördlichen Seite kniet in der Mitte eine männliche Figur, ohne Waffen und Schmuck, die ihre Hände betend zum Crucifix emporhebt. Am Rande über der betenden Figur ist ein geschlungenes Band mit gothischen Schriftzügen, die wol schwer zu entziffern sein werden. Die südliche Seite des Steines trägt dieselbe Darstellung, jedoch ohne Umschrift.
Woher der Stein gekommen, davon hat Niemand Kunde gehabt. Er stand eines Morgens auf dem Grabe aufgerichtet, mit seinem Fuße tief in die Erde hineinfassend. So umhüllete ihn ein geheimnißvolles Dunkel, und er wurde nicht allein den Bewohnern Selow's, sondern auch den benachbarten Dörfern ein Gegenstand frommer Scheu. Keiner wagte, ihn mit der Hand zu berühren oder wol gar zu beschädigen. Und als im Verlaufe der Jahre die Kapelle niedergerissen ward, die Grabhügel einfielen und der Gottesacker sich in ein Fruchtfeld umwandelte, da wich dennoch jene stille Scheu nicht; man ließ ihn unangetastet, und der Pflug durfte ihm mit seinem Eisen nicht nahen.
So hatte der Stein schon viele Jahre gestanden in immer gleicher Wirkung, und die Zeit hatte in ihn ihre Schrift gegraben. Da bemerkte man einst, daß in der Morgenstunde und später auch zu anderen Stunden des Tages auf einem der ohrförmigen Ausschnitte des Kopfes eine schwarze Krähe saß, die unheimlich und tückisch die Vorübergehenden ansah. Bald war Allen dieser unheilkündende Vogel bekannt; man hielt ihn für den verkörperten Teufel, der sie zu böser That reizen und verlocken wolle. Wer vorüberging, bekreuzte sich an Stirn und Brust, betete ein Vaterunser und flehete, nicht den Versuchungen des Widersachers zu erliegen.
So hatte der schwarze Gast wohl schon oft auf dem Denkstein gesessen, ohne daß Jemand ihn zu verscheuchen gewagt hatte. Da pflügt einst ein Knecht das Ackerstück um, auf dem der Stein steht. Wieder sitzt die Krähe an derselben Stelle und sieht tückisch den Knecht an. Dieser sucht sie zu verscheuchen, und da das nicht gelingen will, ergreift er einen Stein und wirft ihn nach der Krähe. Sie fliegt mit widrigem Gekrächze davon und ist seit jener Zeit nicht mehr gesehen worden. Der Stein hat aber den ohrförmigen Ausschnitt des Kopfes getroffen, der herunterfällt. Der Knecht siecht dahin mit den Tagen des Monats, und als diese zu Ende sind, stirbt er. - Das abgeworfene Ohr wird auch jetzt noch in einer daneben stehenden Scheure aufbewahrt. -
Jahrhunderte sind über den Gedenkstein dahin gegangen und haben ihre Schrift ihm eingedrückt. Das Geschlecht, das Zeuge jenes Kampfes war, ist längst von der Erde verschwunden. Die stillen Grabhügel des Kirchhofes sind nicht mehr zu finden und über ihnen wogen herrliche duftige Saaten. Die Begebenheit selbst lebt aber fort und fort in der Erinnerung der Menschen, und die Ehrfurcht vor dem Gedenksteine hat sich fortgepflanzt auf das lebende Geschlecht.
Der Herr Archivrath Dr. Lisch hat den Versuch gemacht die Inschrift des Gedenksteines zu entziffern, was ihm vollständig gelungen sein soll; er hat das Resultat seiner Untersuchung in den Jahrbüchern für mecklenburgische Geschichte und Alterthumskunde mitgetheilt. Nach ihm steht auf dem Rande der Hauptseite:
Anno domini 1399 in die beati Viti obiit Hermanus Lameshovet (Im Jahre des Herrn 1399 am Vitustage – 15.Juni – starb Herman Lameshovet).
Ueber der Figur im geschlungenem Bande steht:
Miserere mei, Domine! (Herr, erbarme Dich mein!)
Auf der Rückseite ist in dem Bande dieselbe Inschrift.
(Niederhöffer, Albert - Mecklenburg’s Volkssagen. Leipzig 1864)