Deutschland Mecklenburg-Vorpommern Lkr. Güstrow

Wolken


Abbildung bei
Schlie (1901)

PLZ: 18246

GPS:

Standort: Der Sühnestein steht in der Darnow, einem Waldstück zwischen Wolken und Oettelin, an der vermeintlich alten Stelle.

Größe / Material: 175:60:16 / Granit

Geschichte: Nachdem der Sühnestein zweckentfremdet als Türschwelle in Wolken wiederentdeckt war, wurde er am 26. Juni 1891 an der ursprünglichen Stelle aufgestellt. Das war 268 Jahre nach dem Mord.

Der kleine Ort Wolken liegt ca. 1km östlich von Bützow. Dort geschah einst ein bemerkenswerter Doppelmord. An dieser Stelle wurde ein Sühnestein errichtet, der folgende Inschrift trug:

Anno 1623 den 27 Junii, Morgens zwischen 5 und 6 Uhr, ist der woledle gestrenge und veste Alexander von Harten seliger, wolverdienter Bürgermeister der Stadt Demmin, neben seinem Gutscher Peter Wirowen, von sinem treulosen Diener Henrich Hans Andres von Driesen genannt, meuchelmörderisch und schelmischer Weise niedergemordet worden. Dessen hinterbliebener Körper von hinnen begraben let, und den 6ten Jul. zu Demmin in sin Erbbegräbniß beigesetzet. Gott gnad der leiben Seelen und verleihe gnediglich, daß der schelmische Thäter zur gebührenden Strafe möge können gezogen werden.

Viele Leute erinnern sich dieses Denksteins noch recht gut, indem sie denselben selbst noch an Ort und Stelle gesehen haben. Für mehrere Jahre (um 1850) war er leider verschwunden. Ein alter Mann aus dortiger Gegend hat mir (Albert Niederhöffer) die Geschichte erzählt und mir dabei auch zugleich noch die vorstehende, altdeutsche Inschrift des Steines mitgetheilt, die er in seiner Jugend einmal wörtlich abgeschrieben hatte.
Nach Friedrich Schlie diente dieser Stein zwischenzeitlich als Türschwelle auf Hof Wolken. Ab 1891 stehe er wieder an der Mordstelle.

Sage: An einem schönen Sommermorgen, zu Ende des Monats Juny im Jahre 1623, bewegte sich eine schwere Reisekutsche mit 2 kräftigen Rappen bespannt, munter fort auf der bützower Landstraße. In derselben befanden sich Alexander von Harten und sein Schreiber und Diener, Heinrich Hans Andreas von Driesen genannt; auf dem Bocke aber saß der alte treue Kutscher, Peter Wirow.
Alexander von Harten, Bürgermeister der damals noch herzoglich pommerschen Stadt Demmin, war zwar ein gestrenger, aber doch ein durchaus rechtlicher und redlicher Mann. Er beschützte und förderte das Gute und Wahre, hielt srenge auf Recht und Gesetz, auf Zucht und Ordnung in seiner Stadt und war so dem guten Bürger ein Freund und Beschützer, dem schlechten aber ein unnachsichtlicher Richter und Bestrafer.
Harten hatte Geschäfte in Mecklenburg gehabt und befand sich nun aufder Rückreise. Außer vielen wichtigen Papieren, die er bei sich führte, enthielt auch sein Reisekoffer noch eine bedeutende Summe baaren Geldes, welches er aufdie Bitte und im Auftrage eines demminer Einwohners – als dessen Erbtheil von einem im Mecklenburgischen verstorbenen reichen Verwandten, - zugleich auch noch aufdieser Reise an betreffender Stelle einkassirt hatte.
Recht matt und müde hatte der Bürgermeister den Kopf in die Ecke des Wagens gedrückt und war eingeschlafen. Auf dem ehrwürdigen Gesichte des alten Herrn, von langen grauen Locken umrahmt, ruhte stiller Friede, fromme Glückseeligkeit und Freude; er schlummerte so sanft und träumte von Weib und Kind daheim, von seinem häuslichen Glücke und von den nahen reinen Freuden. Auch des alten, getreuen Peter Wirow’s Gedanken weilten daheim; er dachte an die nahe Erndte und die sonstigen, nothwendigsten Hof- und Feldarbeiten seines Brodherren. Schläfrig nickend saß er auf dem Bocke, zwar schlaff, doch sicher die Zügel mit der Linken, die Peitsche nachläßig in der Rechten haltend, während die klugen Pferde im langsamen Trabe, munter die Landstraße verfolgend, den Wagen weiter zogen.
Während die Beiden den Schlaf des Gerechten träumten, wachte aber der Schreiber, Heinrich Driesen, mit Hinterlist und Habgier. Driesen, ein durchaus schlechter und verdorbener Mensch, war schon von Kindesbeinen an immer ein böser Bube gewesen. Kein Mensch mogte ihn leiden, Niemand seiner Altersgenossen hielt Umgang mit ihm, denn stets suchte er bei seinen verächtlichen Eigenschaften, auch noch Händel und Streit und Gelegenheit, sich mit Jedermann zu schelten und zu schlagen. Der Vater grähmte sich so sehr darüber, daß er, als Heinrich beinahe 15 Jahre alt war, in eine tödtliche Krankheit verfiel und bald seiner, ihm schon einige Jahre vorangegangenen Gattin in das Reich des ewigen Friedens nachfolgte. Als der junge Driesen nun so ganz allein und verlassen dastand und Niemand von ihm wissen wollte, erbarmte sich der gute Bürgermeister des Waisenknaben, um vielleicht doch noch dereinst einen ordentlichen Menschen aus ihm bilden zu können. Doch es war nur Schein und Täuschung; Driesen wußte sich zu verstellen. Seine Niederträchtigkeit und Verstellungskunst ging soweit, daß er oft bei den guten Ermahnungen des würdigen Bürgermeisters weinte und die größte Reue über sein früheres Leben an den Tag legte; sobald aber Harten dann nur den Rücken gewendet hatte, steckte er boshaft grinsend die Zunge aus und betrog und hinterging denselben auf’s Neue.
Fünf Jahre schon war Heinrich Driesen im Hause des Bürgermeisters, als er nun seit 2 Tagen den Plan für den Raubmord vorbereitete. Während Alexander von Harten noch so in der Kutsche träumte, stürzte sich plötzlich, gleich einem Tieger, der schändliche Driesen auf den sorglos Schlafenden, und ehe dieser noch zur Besinnung kommen konnte, hatte Ersterer schon mit mordgierigen Händen dessen lose umgelegtes Halstuch erfaßt und zog aus Leibeskräften die beiden Enden derselben so fest und so lange zusammen, daß, ohne einen Laut von sich zu geben, Harten bald seinen Geist aufgeben mußte und erdrosselt dalag. – Als diese That vollbracht, galt es auch den auf dem Bocke noch immer im halben Schlafe nickenden Kutscher zu beseitigen. Eben so meuchlings überfiel er jetzt auch diesen, indem er sich leise aus dem Wagen schwang und, schnell wie eine Katze auf den Bock kletternd, dem Arglosen das scharfe Messer in die Kehle stieß. Mit blutbefleckten Händen erbrach nun Heinrich Driesen, nach vollbrachtem Doppelmorde, den Koffer, steckte zu sich was er an Geld enthielt und eilte dann, schwer mit Raub beladen, von dannen.
Eine Stunde später entdeckten vorbeikommende Arbeiter, was hier geschehen; sofort machten sie Anzeige davon, und bald gelangte dieselbe auch, durch Vermittelung des Magistrates zu Bützow, nach Demmin. Allgemeine Theilnahme und Entrüstung erweckte nah und fern die Kunde von diesem grauenhaften Verbrechen. Als man nach einigen Tagen die Leichen der Erschlagenen in feierlicher Prozession zurücke nach Demmin führte, da strömte von allen Seiten viel Volks herbei, um den Todten die letzte Ehre zu erzeigen. Unter Glockengeläute und Trauersang wurden später beide Leichen zugleich auf dem demminer Kirchhofe zur Ruhe bestattet. Während man die irdische Hülle Alexander’s von Harten in das seiner Familie gehörende Erbbegräbniß beisetzte, senkte man die des Peter Wirow in eine vor demselben bereitete Gruft, damit er seinem Herrn nun auch noch im Tode nahe sein sollte.
Zur Erinnerung an diesen Doppelmord setzte man bald darnach an der Stelle des wolkenschen Feldes, im sogenannten Darnow Holze, wo derselbe verübt worden ist, einen Denkstein, mit eingangs genannter Inschrift.

Der auf dem Steine ausgesprochene Wunsch sollte nicht unerfüllt bleiben, denn obgleich man – ungeachtet der vielen angestellten eifrigen Nachforschungen, sowohl von herzoglich mecklenburgischer, alsauch herzoglich pommerscher Seite, – erst nach langer Zeit des Mörders habhaft wurde, so entging er deshalb doch nicht seiner gerechten Strafe. Bald nach seinem Ergreifen wurde Heinrich Driesen lebendig geviertheilt und seine irdischen Ueberreste auf dem Schindanger verscharrt.

Quellen und Literatur:
Foto: Heimatmuseum Krummes Haus, Schloßplatz 2, 18246 Bützow
Schlie, Friedrich - Die Kunst- und Geschichts-Denkmäler des Großherzogthums Mecklenburg-Schwerin, Band IV, Schwerin 1901, Seite 634
recherchiert von: Forschungsgruppe Preußische, Mecklenburgische und Anhaltische Meilensteine e.V.


Sühnekreuze & Mordsteine