Deutschland Niedersachsen Lkr. Helmstedt

Frellstedt (I / II)
Zur Einzelansicht die Steinkreuze anklicken.

Frellstedt I Frellstedt II

PLZ: 38373

GPS:

Standort: An der Straße von Süpplingen nach Frellstedt, hinter dem Bahnübergang, 1. Feldweg rechts, direkt südlich der Einmündung, neben dem km-Stein 1,8.

Geschichte: Ursprünglich standen sie ein Stück weiter nördlich rechts und links der Straße. Eines der Kreuze wurde beim Bau einer Gasleitung herausgerissen und stand zwischenzeitlich an der Frellstedter Kirche. 1998 sind beide an den jetzigen Platz dicht am ursprünglichen Standort umgesetzt worden.
Seit 1870 sind diese beiden Kreuze als "auf dem Frellstedter Felde" stehend bekannt.
Nach Angabe von F. Brandes aus den 1960er Jahren soll ein weiteres Steinkreuz nordöstlich vom Ort an der Straße nach Rote Mühle stehen.

Sage: 1. Vor vielen Jahren haben hier auf der Höhe ein Warberger und ein fremder Ritter einen heftigen Streit ausgetragen. Da keiner von beiden nachgeben wollte und die Sonne schon unterging, machte der fremde Ritter dem Streit durch einen gewaltigen Schwerthieb ein Ende. Der zu Tode getroffene Warberger konnte jedoch mit seiner letzten Kraft dem Feind noch einen tödlichen Hieb zurück geben. So fanden beide gemeinsam den Tod. Zum Gedenken an jene Begebenheit errichteten die Dörfer der alten Herrschaft Warberg an dieser Stelle zwei Steinkreuze.
2. Nach einer anderen Sage sollen zwei Ritter an dieser Stelle, wo sich eine alte Gerichtsstätte der Warberger befunden habe, unschuldig hingerichtet worden sein.
3. Die Steinkreuze werden Volksmund "die Mordkreuze" genannt.

Quellen und Literatur:
Müller / Baumann - Kreuzsteine und Steinkreuze in Niedersachsen, Bremen und Hamburg, 1988
Krieger, Heinz-Bruno - Die Steinkreuze von Frellstedt, in: Steinkreuze im Elmvorland, 1967, S.11f
recherchiert und bebildert von Joachim Thiele, Königslutter



Frellstedt (I)
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Größe / Material: 74:53:18 / Kalkstein

Geschichte: Das Steinkreuz ist tief eingesunken. Sein Kopf und ein Querarm sind konisch verstümmelt, der andere Querarm ist abgeschlagen.

Sage:



Frellstedt (II)
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Größe / Material: 68:52:18 / Kalkstein

Geschichte: Das Steinkreuz hat eine gedrungene Form und einen leicht keilförnigen Schaft. Es ist in guter Erhaltung.

Sage:



Die Steinkreuze von Frellstedt
von Heinz-Bruno Krieger, Königslutter

Kommt man von Süpplingen nach Frellstedt, so stehen einige hundert Meter vor Frellstedt auf einer etwas ansteigenden Höhe, dort, wo ein Richteweg rechts nach der Räbker Straße abzweigt, beiderseits der Straße zwei alte, verwitterte Steinkreuze.
Alte Leute wußten über diese Kreuze folgendes zu berichten: Hier auf diesem Berge soll sich in alten Zeiten die Gerichtsstätte der Warberger Ritter befunden haben.

"Se hett ok e' sejjt, da herren se freuer mal en paar Ridders unschullig hennerichtet, un äs et sick naher ruterstellt harre, dat dä Ridders unschullig wörren, da hätt dä ut Warberg düsse Krüze hier uppestellt."
Sie hatten auch gesagt, da hätten sie früher mal ein paar Ritter unschuldig hingerichtet, und wie es sich nachher rausgestellt hatte, dass die Ritter unschuldig waren, da hatten die aus Warberg diese Kreuze hier aufgestellt.

Andere sagen, hier sei früher die Grenze des fürstlichen Amtes Königslutter zu der Herrschaft Warberg hin gewesen.
Es haben auch Frellstedter und Süpplinger mir folgendes erzählt: Hier auf der Höhe vor Frellstedt haben sich mal vor vielen Jahren ein Warberger und ein fremder Ritter in heftigem Streite gegenüber gestanden. Als nun keiner der Streithähne nachgeben wollte und die Sonne schon die letzten, goldenen Strahlen über den nahen Elm herüberschickte, da machte der fremde Ritter dem Kampfe durch einen gewaltigen Schwerthieb ein Ende. Zu Tode getroffen wankte der edle Warberger, doch unter Aufbietung seiner letzten Kraft gab er dem Feinde noch einen tödlichen Streich zurück.
So fanden beide, Freund und Feind, hier auf der Höhe vor Frellstedt den Heldentod. Zur Erinnerung und zum Angedenken an jene Begebenheit errichteten die Dörfer der alten Herrschaft Warberg an dieser Stelle zwei Steinkreuze, die heute noch dem aufmerksamen Wanderer Kunde geben von dem vergossenen Herzblut zweier gefallener Streiter.

Eine weitere Bestätigung dieser Variation gibt uns die handschriftliche Aufzeichnung des unvergessenen Süpplinger Heimatforschers und Volkskundlers Alfred Hesse (1869 - 1931), deren Kenntnis ich Herrn Günter Kammrath, Süpplingen, verdanke. Hesse nennt in diesen Aufzeichnungen diese Steinkreuze "als im Volke Mordkreuze genannt".
Gehen wir nun auf diese, uns im Volke gerade über die Frellstedter Steinkreuze so reichlich überlieferten Sagen etwas näher ein, so ergibt sich schon von selbst, daß wir es hier mit Sühnemalen zu tun haben. Die näheren Umstände bzw. Gründe ihrer Aufstellung haben sich im Volksbewußtsein genau so verwischt, wie wir es bei vielen anderen Beispielen im Elmvorland bereits beobachten konnten.
Hier, in einigen hundert Metern Entfernung befand sich tatsächlich die Grenze der alten Herrschaft Warberg mit dem fürstlichen Amte Königslutter. Da kann es nicht verwundern, daß im Volksbewußtsein die Grenze zu den in der Feldmark stehenden Steinkreuzen (vor)verlegt wurde. Man suchte eine Daseinsberechtigung - und fand sie.

Nicht verständlich und dem Volksbewußtsein fremd scheint mir die Deutung der Frellstedter Steinkreuze in der Art, wie sie Heinrich Pinkernelle in seinen "Sagen aus dem Kreise Helmstedt" (Unsere Heimat, Sagen, Bräuche etc. des Kreises Helmstedt, Braunschweig 1951, Seite 48) gibt. Hier wird durch Aufsätze einiger Schüler der Volksschule in Frellstedt eine offensichtlich von einem unkundigen, auf jeden Fall mit der geschichtlichen Bedeutung der alten Sühnemale nicht vertrauten Lehrer beeinflußte Deutung gebracht, die dem Ansehen des sonst guten Werkes nicht zuträglich ist.
Da wird bei Pinkernelle von einem "Thingplatz" gesprochen, um den herum angeblich sieben Steinkreuze standen.
"Davor stellte sich vor mehr als tausend Jahren der Gaugraf, wenn er alle zwei Monate nach hier kam, um Gericht zu halten". Es wird dann von Strafen und von vielen Dingen gesprochen, die der Erzähler anscheinend in der Schule gelernt, niemals aber den alten, im Volke aufbewahrten Überlieferungen entnommen hat.

Die ganze Verworrenheit und den offenkundigen Widerspruch dieser Angaben über den Zweck der alten Justiz- und Kulturdenkmäler vor Frellstedt ersehen wir am besten aus dem letzten Absatz dieser "Sage", der uns eingehend schildert, wie - man höre - bei dem Auftauchen der "frommen Mönche" die Steinkreuze verschwinden mußten.
"Bei Nacht und Nebel wurden sie von den damals noch heidnischen Bauern ausgegraben und in die Feldmark versetzt als Grenzsteine gegen andere Dörfer und als Schutz gegen böse Geister." - Ausgerechnet "heidnische Bauern" errichteten um ihren Thingplatz "christliche Kreuze"!
Hier wird der Jugend eine Deutung dieser mittelalterlichen Sühnemale gegeben, die anscheinend ihre Wurzeln in der "germanischen" Literatur einer Zeit zu suchen hat, die dem Kreuz, dem Marterholz Christi - und nur als solches tragen diese alten Sühnemale die Kreuzform - unbedingt eine vorchristliche Symbolik und Gesinnung zu Grunde legen will!

Aber die Wahrheit sollte höher stehen als alle uns noch so lieb gewordenen Anschauungen! Sie in ein helleres Licht zu setzen ist Pflicht eines jeden, der dazu mithelfen zu können glaubt.
(Krieger, Heinz-Bruno - Steinkreuze im Elmvorland, 1967, S.11f)


Sühnekreuze & Mordsteine