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Königslutter


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Perspektive

PLZ: 38154

GPS:

Standort: Etwa 2m vor der Südseite des Turmes der evangelischen Kirche auf einem Rasenplatz.

Größe / Material: 85:74:24 / Kalkstein

Geschichte: Auf der Rückseite, im unteren Teil des Kreuzungsfeldes ein kreisrundes Loch.

Das Steinkreuz wurde 1971 im Westteil der Stadt bei Regulierungsarbeiten am Bachbett der Heidteichs-Riede aus der Uferböschung gebaggert. Dieser Wasserlauf begrenzt westseitig den Garten der alten Klus (einem Siechenhaus), der unweit der heutigen Bundesstraße 1 liegt. Im Jahre 1476 wurde neben der Klus eine Kapelle gegründet, die Klus um das Jahr 1490 durch einen Neubau ersetzt. Als dieser im Jahre 1891 abgebrochen wurde, fand man dort einen Menschenschädel. Ob dieser als Bauopfer anzusehen ist oder möglicherweise einem gewaltsam Getöteten, für den das Steinkreuz gesetzt wurde, angehört, wird ungeklärt bleiben. Dank der Aufmerksamkeit von Herrn Georg Blohm, Pächter des Nachbargrundstücks, konnte das Steinkreuz im letzten Augenblick vor dem Abtransport zum Schuttplatz bewahrt werden.
Es ist sauber und gleichmäßig gearbeitet. Der Elmkalkstein ist dank der von ihm gebildeten Schutzschicht nur oberflächig verwittert. (Müller / Baumann 1988)

Sage:

Quellen und Literatur:
Müller / Baumann - Kreuzsteine und Steinkreuze in Niedersachsen, Bremen und Hamburg, 1988, Nr.3730.1
Krieger, Heinz-Bruno - Das Steinkreuz von Königslutter; in: Braunschweigische Heimat, 61.Jg., Heft 1, 1975
recherchiert von Joachim Thiele, Königslutter
Ergänzungen und aktuelle Aufnahmen von Frank-Dieter Peyer, Magdeburg (Fotos vom 14.09.2009)



Das Steinkreuz von Königslutter
Heinz-Bruno Krieger, Königslutter

Ein bisher unbekanntes, mittelalterliches Steinkreuz 1), das bei Erdarbeiten geborgen werden konnte, fand vor der Stadtkirche in Königslutter einen würdigen Platz. Es handelt sich bei dem Fund offensichtlich um ein altes Sühnekreuz, wie wir es in unserem Elmraum - und darüber hinaus - an vielen Orten nicht selten antreffen.
Das Steinkreuz, das bisher völlig unbekannt gewesen ist, und in keiner schriftlichen Quelle erwähnt oder aufgeführt wird, ist eine wertvolle Bereicherung der mittelalterlichen Denkmäler in der Stadt Königslutter am Elm. Die Bergungsumstände zeigen auch hier, wie sehr wir bedacht sein müssen, bei Bau- und Erdarbeiten immer wieder darauf hinzuweisen, etwa anfallende Funde zu sichern und zu melden!
Im Sommer 1971 wurde bei der Regulierung des Bachbettes und der Uferböschung der Heidteichsriede, eines Wasserlaufes, der im Westen der Stadt Königslutter von der B 1 überquert wird und hier hinter dem ehemals großen Garten der alten Klus vorbeifließt, bei der Begradigung des steilen Bachufers von den hiermit beauftragten Bauarbeitern, ein altes, verwittertes Steinkreuz aus der Uferböschung mit herausgebaggert.
"Dä ole Stein" - lag bereits auf dem Anhänger des Lastzuges, der die hier angefallenen Stein- und Erdmassen fortfahren sollte, als der inzwischen über achtzig Jahre alte Malermeister Georg Blohm, ein sehr heimatverbundener und interessierter Mann, der unmittelbar neben dem Fundort des Steinkreuzes seinen Pachtacker hatte, dieses Steinkreuz auf dem Fahrzeug liegen sah. Sofort und buchstäblich in letzter Minute eilte Blohm zu dem Fahrer des Wagens, um diesen gegen Zahlung eines Trinkgeldes von DM 3,- zu veranlassen, das Steinkreuz auf seinem Gartenstück abzuwerfen. Hierauf verständigte Herr Blohm den Verfasser dieser Zeilen und war sehr erfreut zu erfahren, daß es sich nicht, wie er erst angenommen hatte, um einen Grenzstein, sondern um ein mittelalterliches Sühnekreuz handelt.2)
In einem Aufsatz3), der in der heimatlichen Presse veröffentlicht wurde, wies ich darauf hin, daß es sich bei dem Fund um ein wertvolles Denkmal mittelalterlicher Rechtspflege in Königslutter handelt! Ich machte hier auch den Vorschlag, dem Kreuz, wenn irgend möglich, einen dem Fundort nahen, neuen Standort zu geben. Sollte dies jedoch aus irgendwelchen Gründen nicht möglich sein, wäre zu empfehlen, das Steinkreuz auf dem Rasen vor dem Turm der Stadtkirche einen, seiner ursprünglichen Bestimmung entsprechenden, würdigen Platz zu geben.
Die alte Klus,
jetzt Herberge zur Heimat

Dieser letztere Vorschlag wurde dann auch, nachdem mehrere Gespräche und eingehende Überlegungen geführt worden waren, von Herrn Propst Walter Blümel gutgeheißen und sofort aktiv unterstützt. Der Propst stellte hierbei nicht nur den Platz vor der Stadtkirche zur Verfügung, sondern scheute darüber hinaus keine Mühe und keine Mittel, um so die Bemühungen des Heimatschutzes praktisch zu verwirklichen. Hierfür sei ihm auch gerade an dieser Stelle Dank gesagt!
So fand dann das alte Steinkreuz vor der Stadtkirche einen neuen und hierfür sehr gut geeigneten Standort. Es ist ein wichtiges kultur- wie rechtsgeschichtliches Denkmal unserer Heimat und verdient nicht minder lokalgeschichtliches Interesse.
Der Fundort liegt unmittelbar an dem Areal, das zur ehemaligen, alten Klus gehörte, jener mittelalterlichen, frommen Stiftung, deren Gründung sehr wahrscheinlich bereits im 13. oder 14. Jahrhundert zu suchen ist. Die Klus von Königslutter4), urprünglich ein Siechenhaus, war weit draußen vor dem alten Marktflecken Lutter, an der von Westen nach Osten führenden, uralten Heerstraße - der heutigen B 1 - erbaut worden. Sie war umgeben von einem Garten, dessen westliche Grenze das Bett der Heidteichsriede bildete.
In einer Urkunde aus dem Jahre 1476 erfahren wir, daß bei dem "Seekenhuse vor Lutter", eine Kapelle gestiftet sei, die durch Johannes von Bersabe, Vikar des Bischofs von Halberstadt, geweiht werden soll.
Da die alte Klus aber im Laufe der Jahrhunderte baufällig geworden war, errichtete man im Jahre 1490 einen Neubau, zumindest aber einen Erweiterungsbau, an den der heute noch vorhandene Stein mit der Jahreszahl erinnert.5)
Diese Klusen waren nicht selten fromme Stiftungen alter, begüterter Familien, diese zum Seelenheil ihres Geschlechtes, für die Armen und Gebrechlichen im Lande begründen und fundieren ließen. Es ist auch hier naheliegend, dieses für Klus von Königslutter anzunehmen.6)
Das nun wieder aufgefundene alte Steinkreuz, das in unmittelbarer Nähe der Klus gestanden haben muß, läßt die Vermutung in uns wach werden, daß es hier um den Ort eines Totschlages oder zumindest eines ähnlich schweren Rechtsbruches handelt, an dem nach altem sächsischen Recht, zur Sühne des Verbrechens - gegenüber der Familie des Erschlagenen oder des Opfers - ein Sühnekreuz errichtet werden musste.7) Es sollte darüber hinaus, dem Seelenfrieden des Opfers, sowie dem des Täters dienen.
Die dann nach der Tat errichtete Klus lässt darauf schließen, daß dieser Rechtsbruch von einer begüterten Standesperson verübt worden sein kann, die oder deren Familie in der Folge an diesem Tatort die fromme Stiftung, in der nun Seelenmessen für die Familie des Stifters gelesen wurden, fundierte und errichten ließ. Da uns leider bisher über diesen Vorgang keine schriftlichen Quellen bekannt geworden sind, wissen wir nichts über die hier in Frage kommenden Personen zu sagen.
In diesem Zusammenhang dürfte noch von Interesse sein, daß die Familie von Bartensleben, deren Stammsitz die ca. 25 km nördlich von Königslutter gelegene Wolfsburg war, die alte Klus vor Königslutter mehrfach durch Stiftungen dotiert hat.
Inwiefern die Stiftung Heuers von Bartensleben 14208) an das Kloster Königslutter in Zusammenhang mit der Klus zu sehen ist, wollen wir hier dahingestellt sein lassen.
Die Stiftung des Hans von Bartensleben im Jahre 1583 ist auf jeden Fall für die Klus vor Königslutter bestimmt gewesen. Sie wurde noch bis gegen Ende des 19. Jahrhunderts als "Bartenslebensches Legat" von der Armenkasse der Stadt für die Belange der Klus verwaltet.9)
Beim Abbruch der Klus im März 1891 wurde ein noch gut erhaltener Menschenschädel aufgefunden, der vollständig mit in das Gemäuer eingemauert gewesen war. Auch hier ist es fraglich, ob dieser Schädel in einem Zusammenhang mit unserem Steinkreuz zu sehen ist, oder ob es sich bei diesem um ein Bauopfer gehandelt hat.
Das Steinkreuz von Königslutter ist ein mittelalterliches Denkmal, das Zeugnis gibt von Gesetz und Glauben unserer Vorfahren in Königslutter am Elm.

1) Das Kreuz hat eine Höhe von ca. 1m und eine Breite von ca. 60-80cm. Es ist aus einem Block von heimischem Elmmuschelkalkstain gehauen.
2) Heinz-Bruno Krieger, Steinkreuze im Elmvorland
3) Braunschweiger Zeitung 21.8.1971 und Helmstedter Anzeiger 21.8.1971.
4) Adolf Lüders, Geschichte von Königslutter; 1909, S.57.
5) Der Stein befindet sich eingemauert an der Ostseite des nach dem Abbruch der alten Klus 1891 an dieser Stelle erbauten, neuen Gebäudes, der "Herberge zur Heimat" - Er trägt die Inschrift: "anno millesimo quadrin - gentesimo nonagesimo".
6) Heinz Röhr, Geschichte der Stadt Königslutter, 1956, S.98.
7) Krieger, Steinkreuze im Elmvorland
8) Adolf Lüders, Das ehemalige Dorf Schoderstedt, jetzt eine Wüstung; Braunschweigisches Magazin 1901, S.110 ff.
9) Stadtarchiv Königslutter, Armen-Rechnungen etc.

(Krieger, H.-B. - Das Steinkreuz in Königslutter; in: Braunschweigische Heimat, 61. Jg., Heft 1, 1975)
(Bildquellen: Stadtarchiv Königslutter /
Joachim Thiele, Königslutter)


Sühnekreuze & Mordsteine