Deutschland Niedersachsen Lkr. Region Hannover

Linden / OT von Hannover


Blick zum Standort

Detail Inschrift

die andere Seite

Abbildung bei
Müller / Baumann
(1988)

Skizze bei
Hoffmann (1935)

Hannover 1636
Abbildung bei
Hartmann (1880)

PLZ: 30449

GPS:

Standort: Im Stadtteil Linden. Von-Alten-Allee, rechts vor dem östlichen Torhaus am Eingang zum von Altenschen Schloßgarten.

Größe / Material: 132:67:27 / Sandstein

Geschichte: Auffällig ist, dass der Schaft des Kreuzes unterhalb der Scheibe weitergeführt ist und unten in einem angedeuteten bogenförmigen Sockel endet. Auf der Rückseite findet sich die gleiche Kreuzdarstellung wie auf der Vorderseite, ebenfalls mit verlängertem Schaft. Sie ist besser erhalten als die vorderseitige Darstellung, die teilweise durch die später hinzugefügte Inschrift beschädigt wurde. Ein bogenförmiger Sockel wie auf der Vorderseite ist hier jedoch nicht erkennbar (eventuell aber im Erdboden verborgen). (Koyda 10/2012)

Angewittertes, partiell in jüngerer Zeit nachbearbeitetes Scheibenkreuz. Die Scheibe zeigt auf beiden Seiten ein flachreliefiertes Balkenkreuz im Kreisring. Der Kreuzschaft setzt sich in eingerillten Linien fort und steht auf einem eingerillten Bogen. Das dieses Flurdenkmal von der alten Lindener Gerichtsstätte stammen soll ist nicht gesichert. Zwei Holzschnitte aus dem Jahre 1736 zeigen es nahe der Ihmebrüke vor dem Calenberger Tor. Nach dem Brückenneubau ist mehrmals eine Umsetzung erfolgt, bis es im Jahre 1890 der Graf von Alten-Linsingen an den heutigen Platz bringen ließ. Damals wurde eine unlesbar gewordene Inschrift (vergoldet) festgestellt. In der Annahme, daß es sich um ein Sühnemal für einen seiner Vorfahren handeln müsse, ist dann im oberen Teil der Plattenvorderseite folgende Inschrift in unterschiedlichen Buchstabengrößen eingehauen worden:
DOM. NOB.
OB.
BRUNING DE. ALTEN
20.Oct.
A.D.
1413.
Seitdem heißt dieses Scheibenkreuz "Brüningstein". Obwohl ein Sühnemal für Brüning von Alten nur in der Sage (und dort mit früherem Datum), aber urkundlich nirgends erwähnt wird, bleibt nur der im Klostrearchiv von Barsinghausen vorhandene Entwurf eines Sühnevertrages aus dem Jahr 1417 zwischen den Edelleuten Herman und Brant von dem Haus und den damaligen Vormündern des Corde von Alten (einzigem Nachfahren des Brüning v.A.) verbindlich für ein stattgefundenes Duell, bei welchem Brüning v.A. den Tod fand. Darin war vorgesehen, daß zur Sühne für den Toten: 1000 rheinische Gulden für Bau und Ausstattung einer Kapelle binnen vier Jahren (in Teilbeträgen jeweils am hl. Michaelstage entrichtbar) zu leisten sind; die Hand dort zu Grabe gebracht werden muß, dort, wo Brüning v.A. begraben liegt; 100 Ritter und Knechte mit einem Wachslicht von je einem Pfund Gewicht an 100 Seelenmessen in einer Kapelle der Neustadt von Hannover teilnehmen sollen und, falls die Anzahl der Männer (unverschuldet) nicht zu zustande komme, ebensoviele andere mit neuen Kerzen zur Messe gehen, dabei ein silbernes Bahrtuch auf die Bahre ziehen und Bahrlichte (ein Licht von zwei Pfund Wachs) bringen sollen; für die Armen, die für das Seelenheil des Toten beten, ein großes und drei kleine Fässer Bier sowie drei Stük hannoverschen Tuches beschafft werden müssen; je zwei Männer nach Aachen, zwei nach hl. Blute (vermutlich nach Wilsnack i.d. Mark) und zwei zur hl. Hülfe (vermutlich Kirche in Nutteln, Kr. Sulingen) wallfahrten sollen; sodann werden 20 Gulden bereits im ersten Vierteljahr zum Bau der Kapelle gefordert, und , wenn diese gebaut sein wird, sollen Corde von Alten und seine Erben nach ihm zu ewigen Zeiten dieselbe zum Lehen gehen; letztlich solle man in den Messen und bei allen guten Werken auch des seligen Evers von Jeinsen Seele gedenken, der mit Brüning von Alten zusammen den Tod fand.
Ob dieser Vertrag je zustande kam oder nur ein Entwurf blieb, ist ungewiß, ebenso ob es sich bei dem Scheibenkreuz tatsählich um das Sühnemal handelt, oder ob als solches ein heute verschollenes in Betracht kommt. (Müller / Baumann 1988)

[...] In einem Berichte über Linden wird gesagt, daß dort "eine alte Dingstätte im Marstemgau, die 1130 zur Engerschen Grafschaft der Grafen von Roden gehörte", war. "Die Gerichtsstätte lag am rechten Ufer des Ihmebaches und zwar nach den dort vorhanden gewesenen sechs Kreuzsteinen an der Göttinger Straße am Übergange über den Allergraben, wo die Brünningstraße jetzt ist (1610 "bei den sechs Kreuzen"). Hesse vertritt die Ansicht, daß der heutige Brünningstein in Linden wahrscheinlich einer von diesen Steinen und 1880 mit einer willkürlichen Inschrift versehen im von Altenschen Schloßgarten aufgestellt sein. (Hoffmann 1935)

Sage: Zwei befreundet gewesene Edelleute, Brüning von Alten und ein Herr von dem Haus gerieten im Jahr 1340 in einen heftigen Streit. Anlaß dazu gab ein dem Herrn v.d. Haus entflogener, sehr wertvoller Jagdfalke. Die Leute des Brüning v. Alten hatten diesen wieder eingefangen, jedoch in arg verstümmelten Zustand dem Eigentümer zurückgegeben. Darüber äußerst erzürnt, forderte der Geschädigte Genugtuung. Brüning v. Alten wich dieser zunächst aus, stellte sich dann aber doch dem Gegner. Als dieser mit seinen Mannen von einer Tauffeier aus Hannover zurückkam, fand das Duell nahe der Ihmbrücke "vor Linden am Sayge" statt. Dabei sollen Brüning v. Alten (anderer Version zufolge auch der Herr v.d. Haus) und insgesamt neun Reitknechte getötet worden sein. Auf dem Kampfplatze sei dann ein Sühnemal gesetzt worden.

Quellen und Literatur:
Hartmann, K. - Geschichte der Residenzstadt Hannover von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart, Hannover 1880, S.50-52, 247, 295
Hoffmann, Adolf - Die mittelalterlichen Steinkreuze, Kreuz- und Denksteine in Niedersachsen, 1935, S.19
Müller / Baumann - Kreuzsteine und Steinkreuze in Niedersachsen, Bremen und Hamburg, 1988, Nr.3624.5
aktuelle Aufnahmen von Tim Koyda, Hannover (Fotos vom 23.10.2012)


Sühnekreuze & Mordsteine