Deutschland Rheinland-Pfalz Lkr. Alzey-Worms

Gau-Odernheim


Fundzustand:
zwischen hohem
Unkraut

PLZ: 55239

GPS: N 49° 46,546', O 8° 12,472'

Standort: An der Straße nach Dorn-Dürkheim, am ersten nach Süden abbiegenden Feldweg.

Größe / Material: 76:90:25 / Sandstein

Geschichte: Wird hier "Ottenkreuz" genannt. Das Kreuz stand früher an der Kreuzung zweier alter Straßen, der Wormser Straße und der Fischerstraße. Der Verlauf der Wormser Straße entspricht dem heutigen Feldweg; der Fischerweg verlief etwas südlich der heutigen Straße und wurde bei der Flurbereinigung weitgehend zerstört.
Auf der Vorderseite des linken Armes befinden sich zwei konzentrische Kreise. Ansonsten sind die Kanten stark abgeschliffen.
1555 wird erwähnt, dass das "Creutz am Wurmbser weg" neu aufgestellt wurde. Im 18. Jahrhundert wird der Name "Ottenkreuz" als Flurname belegt. Später geriet es in Vergessenheit, da es tief in den Boden eingesunken war. 1955 wurde das Kreuz bei Nachgrabungen gefunden, auf einem Betonsockel aufgestellt und mit einer Eisenstange gesichert. (Schnabel 1974 / 1980)

Sage: Ein Graf namens Otto sei hier erschossen worden und deshalb an der Stelle ein steinernes Kreuz errichtet und "Ottenkreuz" benannt worden.

Quellen und Literatur:
Berthold Schnabel: Die Steinkreuze in Rheinhessen, 1980, S.124-126, mit Abb.13
Berthold Schnabel: Die alten Steinkreuze im Kreis Alzey-Worms, 1974, S.43, 2.1
Reck, Adam - Das Ottenkreuz bei Gau-Odernheim, Heimatjahrbuch des Landkreises Alzey, 1966
Sender-Petry, Helena - Weil Kunigunde Otto meuchelte, in: Allgemeine Zeitung vom 09.02.2007
recherchiert und bebildert von Rudolf Wild, Annweiler-Queichhambach



Weil Kunigunde Otto meuchelte
Landesarchäologe Dr. Gerd Rupprecht hat Sühnekreuz nahe Gau-Odernheim wieder entdeckt
von Helena Sender-Petry

Seit dem 13. Jahrhundert steht das Kreuz am Wegesrand. War es ein Ablass für einen Mord aus Habgier?
Foto: Axel Schmitz

GAU-ODERNHEIM Fakt ist: Es floss Blut. Welcher Otto allerdings von den Schergen Kunigundes gemeuchelt wurde, ob Cousin Otto von Bolanden oder dessen edler Gefolgsmann Otto bei Otternheim ins Gras beißen musste - darüber schweigen sich die Quellen standhaft aus. Es ging um Macht und Äcker, und so nahm die Teilung der Ländereien des Stammherrn Werner I. von Bolanden 1268, seines Zeichens Raubritter, wenige Jahrzehnte später ein unrühmliches Ende. Und noch heute zeugt das so genannte Sühnekreuz - nahe Gau-Odernheim an der Landstraße Richtung Hillesheim - von diesem Zwist. Der Landesarchäologe Dr. Gerd Rupprecht hat es auf einer seiner Erkundungsfahrten durch Rheinhessen wieder entdeckt, und seine Neugier und sein Forschergeist waren wie so oft geweckt.

"Leider ist die Umgebung des Kreuzes nicht gepflegt. Müll liegt rum, und der interessierte Laie findet auch keine Erklärung vor Ort", bedauert Dr. Rupprecht. Zudem sei das Kreuz stark verwittert und in einem insgesamt traurigen Zustand. Wie weit es im Boden versunken ist, hat er noch nicht exakt herausgefunden, doch er weiß: "Ein Sühnekreuz wurde im Mittelalter bis hinein ins 18. Jahrhundert immer dann gesetzt, wenn sich Menschen bekämpften und einer auf der Strecke blieb." Das Gau-Odernheimer Kreuz sei "groß und mächtig", so liege die Vermutung nahe, dass es einer hohen Persönlichkeit gewidmet worden war. Eben einem der beiden bereits erwähnten Ottos, wie es schon Adam Reck 1966 im Heimatjahrbuch des Landkreises Alzey vermutet hatte. Und nicht von ungefähr heißt das klobige, schaurig-mysteriöse Monument bis heute Ottenkreuz.

Reck war es auch, der gemeinsam mit Helfern 1955 das Sühnekreuz ausbuddelte, reinigte, fünf Meter von der Straße weg wieder aufstellte und somit die Aufmerksamkeit und das Interesse an der bewegten Geschichte der Region dokumentierte. Und Reck wusste auch, dass nahe Hillesheim ein weiteres Sühnekreuz stand, doch: "Dieses Zeitzeugnis ist heute verschwunden", bedauert Dr. Rupprecht, der dem Ottenkreuz ein ähnliches Schicksal, nämlich Zerstörung und Vergessen, unbedingt ersparen will

Dabei muss die Frage erlaubt sein, warum solche Sühnezeichen so beliebt waren unter hochherrschaftlichen Mördern? Dr. Rupprecht: "Ein Kreuz bedeutet Ablass von der Schuld". Ein Kreuz, vielleicht noch eine Beichte beim Pfarrer, und die Sache war erledigt? Kein Fegefeuer und ewige Verdammnis drohte diesem Sünder? War die Sache vor dem himmlischen Richter damit erledigt? Der Landesarchäologe sieht es genauso. Und er versichert, dass es sich in keinem Fall um eine "Märtyrerstation oder ein Feldkreuz" handelt. Denn "die sehen ganz anders aus".
(Allgemeine Zeitung vom 09.02.2007)


Sühnekreuze & Mordsteine