Deutschland Rheinland-Pfalz Kreisfreie Stadt Worms

Weinsheim / OT von Worms


Wappen und Inschrift
am Kreuzstamm

PLZ: 67551

GPS: N 49° 36,266', O 8° 19,744'

Standort: In der Hauptstraße von Weinsheim, neben der Einmündung des Großen und Kleinen Riedwegs.

Größe / Material: 285:155:18 / Roter Sandstein

Geschichte:
Kreuzstamm und Querarm sind aus einem einzigen Stein gearbeitet. Die bei Schnabel (1980) erwähnte Inschrift auf der Rückseite ist nicht mehr zu erkennen.

Das Kreuz erhebt sich über einem nach oben konisch zulaufenden Sockel, der aus Steinplatten zusammengefügt ist. Die Konturen der Balken laufen parallel, die Balkenenden sind gerade, Kopf, Arme und Schaft stehen rechtwinkelig zueinander. Unter dem Gekreuzigten und dem Wappen der Lerch von Dirmstein mit Helmzier ist eine achtzeilige Inschrift in den Schaft eingemeißelt.
ANO DMI15[31]
VFF DEN 13 DA[G]
MAY IST VERSCH[I]
DEN DER EDEL [VND]
ERNVEST CHRIE[ST]
OFFEL LERCKE[L]
DEM GOT GENA[D]
VON DIERMSTE[IN]
Auf der Rückseite der Arme:
ANNO 178S VERSEDS
DII IAI
Zweigeteiltes Wappen über der Inschrift am Schaft des Kreuzes. – Wappen der Lerch von Dirmstein: oben drei (silberne) Türme in (rotem) Feld, darunter drei (schwarze) Heroldsstücke in (goldenem) Schild. Datierung: Nach 1531.
Zustand: Das Kreuz ist im allgemeinen gut erhalten. Der untere Teil des Schaftes sowie der Kopf sind jedoch von den Querbalken abgebrochen und werden mit diesen durch Eisenklammern zusammengehalten. Eine Eisenstange, die in die hinter dem Mal vorbeiführende Mauer eingelassen ist, stützt das Kreuz. Dagegen ist die Christusfigur stärker beschädigt: Füße und Unterschenkel sind abgeschlagen. Die Inschrifttafel über dem Haupt des Gekreuzigten ist weitestgehend verwittert. Bei allen acht Zeilen der Inschrift fehlen die Schlußbuchstaben.
Das Kreuz befindet sich heute nicht mehr an seinem Standort, denn eine Inschrift auf der Ruckseite der Arme vermerkt, daß es ANNO 78S – wahrscheinlich 1783 – aus bisher unbekannten Gründen "VERSEDS" wurde. Ursprünglich stand es westlich des Dorfes. Denn der Mainzer Domkapitular Georg Helwich, der das Mal am 15. September 1615 aufsuchte, um die Inschrift für sein Werk "Syntagma Monumentorum et Epitaphiorum" abzuschreiben, erwähnt, daß es "in Itinere versus dirmstein ante pagum Wemßheim", "auf dem Weg gegen Dirmstein vor dem Dorf Weinsheim" errichtet worden sei.
Dies geschah, wie die Inschrift allerdings nur unvollständig mitteilt, zum Gedächtnis an Ernst Christoffel Lerckel (Lerch) von Dirmstein, der hier "bei Weinsheim ... an der straßen" durch Hans Sigmund von Plieningen (Plenningen, Pleningen) "entleibt", nach einem Stammbaum der Lerch von Dirmstein aus der Mitte des 18. Jahrhunderts, "im Duell ertödtet" worden war.
Warum es zu dieser Auseinandersetzung kam, bei welcher der Einundzwanzigjährige sein Leben verlor, ließ sich bisher jedoch nicht ermitteln. Opfer wie Täter waren Mitglieder des niederen Adels.
Das 1280 erstmals erwähnte Geschlecht der Lerch (Lerckel) von Dirmstein zählte seit Beginn des 14. Jahrhunderts zu den Ganerben in diesem Ort. Seit dem ausgehenden 15. bzw. beginnenden 16.Jahrhundert waren seine Mitglieder Lehnsmänner und Dienstleute sowohl der Bischöfe von Mainz und Worms als auch der Kurfürsten von der Pfalz und von Mainz. Die Lerch besaßen neben ihrem Stammsitz, einem Wohnturm in der Marktgasse zu Dirmstein (an der Stelle des heutigen "Sturmfeder'schen Schlosses") weitere Hauser in diesem Dorf sowie je einen Hof in Mainz und Worms. dazu reichen Grundbesitz, vor allem in der nördlichen Vorderpfalz und dem südlichen Rheinhessen. Der bedeutendste Vertreter des 1691 ausgestorbenen Geschlechts war der Mainzer Amtmann von Tauberbischofsheim und Ritterschaftshauptmann im Gau und Wasgau, Caspar IV (1575-1644). Er setzte sich in verschiedenen Veröffentlichungen für die alten Rechte des reichsunmittelbaren Ritterstandes ein und verfaßte die heute im Landesarchiv Speyer aufbewahrte Chronik seines Hauses.
Das schwäbische Geschlecht derer von Plieningen (Pleningen), nannte sich nach dem heutigen Vorort Stuttgarts. Es wird 1142 erstmals erwähnt und starb 1645 aus. Seine Mitglieder, die sich nach 1534 zur Reformation bekannten, standen vor allem im Dienst der Herzöge von Württemberg. Sie besaßen seit dem 15. Jahrhundert Burg Schaubeck bei Kleinbottwar (Kreis Marbach), in dessen Kirche sie auch ihr Erbbegräbnis hatten.
"Nach dises Christofs ableben Ist sein vatter der massen bekümmert worden weill [er] kein Manlichen erben hatte, das er sein lebtag nicht mehr den weg von durmstein vf weinsheim vnd worms vnd an dem ort da dy that geschehen vorüber raisen wollen sondern uf Nittesheim [Groß- und Kleinniedesheim] den weg genommen".
Doch hinderte die Trauer Caspar II. Lerch von Dirmstein, der unter anderem das Amt eines bischöflich-wormsischen Hofmeisters und das des kurmainzischen Marschalls bekleidete, nicht daran, alles zu versuchen, den Tod seines Sohnes zu sühnen. Denn "als Casparo Secundo sein Sohn Christoff entleibet worden, hat er dem thäter heftig nachsetzen laßen, vnd bei Churfürstlicher Pfaitz viell hülff gesucht vndt handlung getrieben, aber Bischoff hemrich zu Wormbs vnd Pfaltzgraff, hat zur transaction vnd friedhandlung ihnen dahien vermögt das endlich gedachter Casparus eingewilliget dem thäter vnd seiner freundschafft verziehen hat, Jedoch mit dieser condition das der von Plenningen theten zur Verzeihung des entleibten mißenthat, Vnd zu ewiger gedechtnus in dem Spittall durmstein kauften soll ein ewige Pfründt, darinn die Lerchen zu dirmstein alle Ihre nachkomlingen vnd Erben, macht haben sollen eine arme Persohn darin zu thuen, Welche mit ihrem gebett für der Verstorbenen vnd des Lerchischen Stammens heil vnnd wollfahrt bitten sollen, Item das er thäter des steinen Creutz auff seinen Costen aufrichten laßen soll mitt mehrem Vmbstandt vnd Inhalt, wie selbiger vertragsbrieff inhelt De Anno Christi".
Dieser Angabe, die sich auch in der Beschreibung des Lerch'schen Wappens durch Caspar IV. findet, widerspricht allerdings der Wortlaut des Sühnevertrags, der unter Vermittlung des Bischofs von Worms, Heinrich, Pfalzgraf bei Rhein, am 14. August 1543 in Ladenburg abgeschlossen wurde. In ihm verpflichtete sich Hans Sigmund von Plieningen, Bischof Heinrich "vierthalb Hundert guldenn" (350 fl.) zu übergeben, von denen "armen personen, die Ire tag ehrlich herpracht, oder alters halber Irer hennd brott vnnd notturfftige leibs vnnderhaltung nit mehr haben, oder vberkommen mögen", eine Pfründe im Spital zu Dirmstein gestiftet werden solle. Dabei standen Caspar II. und seinen Nachkommen das Recht zu, die Pfründner auszuwählen, über das Geld konnten sie dagegen nicht frei verfügen. Vielmehr mußten sie den Betrag, sollte das Spital durch "krieg, branndt oder annder wege, Inn einenn abgang oder ohnwesen" geraten, "zu ehrn vnnd lob Gottes Almechtigen, vnnd zu nutz der armen nottürfftigen Leuthen" erneut anlegen. Auch erklärte sich Hans Sigmund von Plieningen bereit, alle Orte zu meiden, an denen sich Caspar II. Lerch aufhielt oder sie zu verlassen, wenn dieser dorthin kam, um "Caspar Lerchen, dem er verlust seines Sohns angeborner natur, billich beschwerden tregt, nicht zu weitherem nothdenken vnnd beschwerden" zu verursachen. Damit sollten die zwischen beiden Familien bestehenden "Irrungen vnnd Widerwillens gentzlichen vereiniget vnnd vertragen, vnnd was sich derwegen mit wortten vnnd sonst zugetragen hat, gefallen, erloschen, todt, absein vnnd pleiben, Auch der Sachen halber kein weitere forderung, anspruch, oder klag, Inn oder vsserhalb rechtens, niemer mehr haben oder furnemen, Inn keinen wegs, aller ding sonder guerde [Hinterlist]."
Das Kreuz in Worms-Weinsheim ist demnach kein Sühnemal, wie Caspar IV. Lerch von Dirmstein behauptet, sondern ein Erinnerungsmal, das Caspar II. seinem Sohne errichten ließ, um die Vorübergehenden anzuhalten, dem, der hier so plötzlich verstarb, im Gebet zu gedenken. Obwohl Caspar II. nach dem Tod des Christoffel Lerch von Dirmstein "seiner Natürlichen hofnung Manlicher adelicher Leibserben, vnd Successoren, erlebten alters halber damals beraubt worden", so wurde ihm doch noch 1540 ein Sohn geboren. Denn "nach dem aber vff solchen erbärmlichen fall Laydt vnd Clagen, auf ablebung seiner zweiten hausfrawen Annae von Heppenheim genant vom Sahl auß Rhat vieler des adels zur driten Ehe an Agnessen von Minchingen [Mündungen] geschriten vnd mit einem Sohn Casparo dem driten /: auß sonderbarer gödicher prouidentia vnd Schickung ohne zweifei zu größerer ehr vnd ewiger danksagung seiner almacht :/ gesegnet worden". Die 350 Gulden, die Hans Sigmund von Plieningen für die Errichtung einer Pfründe zu zahlen hatte, wurden dem Meister des Spitals zu Dirmstein, Heinrich Moll, erst im Jahre 1563 ausgehändigt. Denn solange Caspar III. Lerch von Dirmstein minderjährig war, wurde "keine person inn Spittal gethan". Vielmehr hatte man den Geldbetrag andersweitig angelegt und ihn dadurch auf 464 Gulden erhöht.
Ist auch das Geschlecht der Lerch von Dirmstein seit nahezu 300 Jahren ausgestorben, so hat das Kreuz seine ihm zugedachte Aufgabe, an Menschen zu erinnern, die plötzlich aus dem Leben gerissen wurden, doch nicht verloren. Denn heute ist es Bestandteil der Gedenkstätte für die Gefallenen des Zweiten Weltkrieges der Gemeinde Worms-Weinsheim. (Schnabel 1980).

Sage:

Quellen und Literatur:
Schnabel, Berthold - Die Steinkreuze in Rheinhessen, in: Alzeyer Geschichtsblätter, Heft 15, Alzey 1980, S.155-159
recherchiert und bebildert von Rudolf Wild, Annweiler-Queichhambach (Fotos vom 12.03.2007)


Sühnekreuze & Mordsteine