CH 8280 Bernrain OT von Kreuzlingen - CH 8280 Bernrain / OT von Kreuzlingen
"Anno 1380 do gestuond dem Schapaller die Hand an dem Cruzifix uff Bernrain und was dasselb Crücz nomen (nur) ein Bild in ain bösem gehüs
und unter ainem tächlin an einer sul."
(Quellens. I 323b, Konstanz. Chronik)
Die Zimmersche Chronik I 433ff berichtet: "Zu Costanz hat sich anno 1384 ain gleicher fahl begeben, und giengen etlich
knaben von Costanz geen Stadelhofen hinauß in waldt, holz zu holen bei Bernrain, wie sie auch theten. Als sie aber am umbherkeren und wider haim welten, do kamen
sie zu dem crucifix uf Bernrain, das stand dozumal under ainem dechle an ainer saul. Daselbs rueten sie ain weil. Do stund under inen ain knab uf, der hieß der
Schappeler, der griff dem bild am crucifix an die nasen und sagt in ainem gespöt: "Herr Gott, laß dir schneuzen! so will ich
dich desto lieber kissen." Gleich gestunden dem knaben die hendt. Do liefen die andern in die vorstatt und sagten das seiner muetter. Also kam sein muetter und
ander erbar leut. Es gehieb sich sein, des knaben, muetter ganz übel und rueft den allmechtigen Got getrewlichen an und verhieß darbei siben
ferten geen Einsidln. Do ward der knab wider ledig. Darnach über zwai jar do wolt sich der knab nit bössern, sonder gotzlestert und schwuer so übel, das man
recht über in geen ließ und ime offenlichen die zungen ußschnitt; zudem wardt im die statt Costanz sein lebenlang verbotten.
Nochmal in hochdeutscher Form:
Anno 1384 begaben sich etliche Knaben in den Konstanzer Stadtwald zum Holzlesen, auf dem Rückweg rasteten sie beim Bernrain neben einem schon stark
verwitterten Bildstock am Wegesrand. Der Schappeller, ein übler und vorwitziger Kerl, trat an den Bildstock, fasste frech an die Nase der Christusfigur und spottete: "Herr
Gott, lass dich schnäuzen, so will ich dich um so lieber küssen!" dann wollte er zurücktreten, doch wie erstarrt hing er an der Säule fest. Erschreckt rannten die anderen
in die Stadt zur Mutter des Schappeller. Die gottesfürchtige Frau eilte zu ihrem Kind, betete inbrünstig, versprach auch 7 Wallfahrten nach Einsiedeln und bat beim
Herrgott um Gnade für Ihren Sohn. Da löste sich der Fluch und der Knabe war wieder frei. Doch über zwei Jahre wurde es mit ihm so übel, dass man ihm wegen
Gotteslästerei in aller Öffentlichkeit die Zunge herausschnitt und ihn auf Lebenszeit aus der Stadt Konstanz verbannte.
(Birlinger, Anton - Aus Schwaben. Sagen, Legendenden, Aberglauben, Sitten, Rechtsbräuche, Orsneckerein, Lieder, Kinderreime, Neue Sammlung. Band I. Wiesbaden 1874, S.81, Nr.99)
Anmerkungen:
1.) Bernrain - Wallfahrtsort in der polit. Gem. Kreuzlingen TG. Die um 1388 am Jakobsweg erbaute Kapelle, bis 1818 zur Konstanzer Pfarrei St. Stephan gehörend,
wurde in Verbindung mit der Sage eines Kreuzesfrevels im 15. Jh. zum Wallfahrtsort. 1460 erfolgte die Errichtung einer Kaplaneipfründe. Im Zuge der Reformation wurde
um 1527 das "Wunderkreuz" entfernt. Nach der Rückkehr zum alten Glauben 1548 entwickelte sich B. zu einem Zentrum der Gegenreformation. 1647 wurde das aus
dem 14.Jh. stammende, im Frauenkloster St. Katharina zu Konstanz verwahrte Kreuz zurückgeführt. Nach der zweiten Rückführung des während des 1. Villmergerkriegs
in Sicherheit gebrachten Kreuzes 1664 wurden Prozessionen und Gottesdienste wieder aufgenommen. 1831-1903 war die Kapelle kath. Pfarrkirche von Emmishofen.
Auf Anregung von Johann Jakob Wehrli wurde in B. 1843 eine Armenschule eröffnet. 1931 Gründung der Schokoladenfabrik B. Seit 1936 besteht in B. ein jüd. Friedhof.
hls-dhs-dss.ch
2) Bald nach dem Kapellenbau in Bernrain entstand die Sage von einem Knaben aus Stadelhofen, der sich beim Holzsammeln frevlerisch an einem Kreuz verging
und deswegen seine Hand nicht mehr vom Korpus lassen konnte, bis seine Mutter 7 Wallfahrten nach Einsiedeln versprach. Die Folge sei dann der Bau der Kapelle
gewesen, damit das wundersame Kreuz einen würdigen Platz habe. Besonders an den Festen Kreuzauffindung (3.Mai) und Kreuzerhöhung (14.September) wurde zu der
kleinen Kapelle gepilgert. jakobus-info.de