Deutschland Sachsen
Erzgebirge
Lkr. Löbau-Zittau
Oybin
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1. Dieser Stein soll an ein Duell zwischen zwei
Offizieren Wallensteins 1632 erinnern, welche beide eine Zittauer Bürgerstochter liebten, aber auch beide gefallen sein sollen.
2. Die ausgehauenen Figuren am Stein sollen Heilige, und der Stein eine alte Betstätte der Qybiner Mönche sein.
Quellen und Literatur:
• Moschkau, Rudolf - Ein Zerstörungsakt am Duellstein auf dem Oybin bei Zittau, in: Die Fundpflege. Beilage der Blätter für Mitteldeutschen Volkskunde- 4. Jg., 1936, Heft 4, S.35-38
Ein Zerstörungsakt am Duellstein auf dem Oybin bei Zittau
Von Rudolf Moschkau, Leipzig
Mit 2 Abbildungen im Text
In seinem treuen Eifer um die vorgeschichtlichen Werte, die das Zittauer Gebirge
und im besonderen der Oybin bewahrt, hat Dr. Alfred Moschkau auch ein bescheidenes und doch reizvolles Denkmals nicht
vergessen, für er eine Sage anzuführen hat, von dem er aber auch bedauernd mitteilen muß, daß Bubenhände an diesem Mal
zerstörend tätig waren. Er kennt das Denkmal, einen natürliche Quadersandsteinblock, unter dem Namen "Duellstein" und sagt
darüber 1): "Auf der westlichen Vorstufe des Qybin, in niederen Burghofe,
fünfzig Schritte links vom Globusplatze befindet sich ein Felsen, an dem zwei Figuren in halber Lebensgröße sichtbar sind, die auf
einer Art kleiner Konsole stehen, auf welcher Reste von Schrift bemerkbar sind. Dieser Stein soll an ein Duell zwischen zwei
Offizieren Wallensteins 1632 erinnern, welche beide eine Zittauer Bürgerstochter liebten, aber auch beide gefallen sein sollen. Nach
anderer Meinung sind diese ausgehauenen Figuren Heilige, und der Stein eine alte Betstätte der Qybiner Mönche." Später trägt der
Verfasser nach, daß auch ein eingehauenes Kreuz zu sehen ist und erwähnt nochmals, mehr vermutungsweise, die "postamentartigen
Sockel mit Spuren von Inschriften".
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Abb. 1. Der Duellstein auf dem Oybin.
Alter Zustand Aufn. R. Moschkau 1919
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Abb. 2. Der Duellstein auf dem Oybin.
Gegenwärtiger Zustand Aufn. R. Moschkau 1936
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Bei einem Versuch, den Stein unterhalb der Füße etwas freizulegen, konnten Schriftspuren nicht
wahrgenommen werden. Dagegen stellt sich in Schriftzeichen die erste wesentliche Beschädigung des Steines dar. Über dem
Oberteil der linken Figur hinwegist, brutal eingemeißelt, der Name [SC]HEIBNER zu lesen. Hierdurch ist der Kopf beschädigt und
der rechte Arm fast völlig beseitigt worden. Da die Figur in kräftigem Relief gearbeitet ist, tritt der Leib stark hervor und zeigt einen
mutwillig vergrößerten, ursprünglich wohl nicht vorhanden Nabel. Alt ist eine breite Rille um den Kopf herum, die nach oben eine
Fortsetzung in winklig gestellten Rillen zu haben scheint, die wiederum von schwachen Rillenteilen begleitet scheinen und dem Kopf
einstmals vielleicht als geweih- oder strahlenartiger Ansatz zugedacht waren, der linke Arm stützt sich auf die Hüfte; die Füße, vom
Erdreich bedeckt, sind seitwärts gestellt. Auf einer im stumpfen Winkel angrenzenden Bildfläche, der Geländeböschung etwas
entsprechend höhergerückt, ist die zweite Figur zu sehen. Weniger plastisch herausgearbeitet, tritt sie dennoch durch eine kräftige,
ringsum laufende Rille deutlich hervor. Sie zeigt gleichfalls die auswärtsgestellten Füße, entbehrt aber der Arme. Gesichtsmodellierung
ist hier wie bei der linken Gestalt kaum in Spuren vorhanden, kann also auch ursprünglich nur angedeutet gewesen sein. Zwischen
den Köpfen beider Gestalten ist das erwähnte Kreuz mit annähernd gleichen, blattähnlichen Armen erkennbar.
Diesen in Abb. 1 festgehaltenen, noch 1935 kontrollierten Zustand des Steines fand ich gelegentlich eines
Sommerbesuches 1936 in so mutwilliger Weise verschandelt vor, wie dies Abb. 2 zeigt. Die wie weiße Bemalungen wirkenden
Veränderungen des Steines sind Abschürfungen, die in den frischen Sandstein grell hervortreten lassen. Besonders die linke Gestalt
ist arg bestoßen, die rechte von der Spitze einer Schildfigur berührt, in der ein Totenkopf und achtspeichiges Rad zu sehen sind.
Die Initialen T. A. und L. S. - diesen verkehrt gestellt, mit beigefügtem Doch - bezeichnen gewiß die Urheber der Sudelei, die wohl
ihr Werk damit zu krönen meinten, dass sie an Stelle des griechischen Kreuzes eine unschöne Hakenkreuzform setzten, die mit ihren
verbreiterten Schenkeln die alte Kreuzform völlig getilgt hat.
Die Beurteilung des angerichteten Schadens kann nicht davon ausgehen, dass der Stein einen recht
geringen Kunstwert darstellt. Es ist ja damit ein heimatliches Sagendenkmal gertoffen worden, das den in Sachsen mit besonderer
Liebe gepflegten und erforschten Steinkreuzen und ihrer Sagenwelt nachsteht - vielleicht aber auch ein Denkmal heimatlicher
Vorgeschichte! In unmittelbarer Nachbarschaft des Steines sind seit Jahrzehnten immer wieder bronzezeitliche Gefäßscherben
aufgelesen worden, die von einem Urnenfriedhof herrühren mögen, der bei der Anlage des mittelalterlichen Burghofes zerstört wurde,
die aber auch Reste einer bronzezeitlichen Siedlung in dieser Höhe sein könnten, wie sie sich in ähnlicher isolierter Lage und
geologischer Umgebung in Sachsen nur noch einmal auf dem Pfaffenstein im Elbsandsteingebirge festzustellen war. Geringe
Bruchstücke tönerner Gußformen von Bronzeringen, die ich hier 1906 fand, sprechen für einen Siedelplatz; eine Bronzenadel der
Periode IV/V belegt das tatsächliche Vorkommen von Bronze. Daß die Möglichkeit besteht, unseren Stein mit den bronzezeitlichen
Herren des Berges Qybin, einem Stamm der Illyrer, in Verbindung zu bringen, mag hier zur Beleuchtung seines Wertes kurz
begründet werden.
Die kindisch-schematische Gestaltung der Figuren gibt zwar keinen Anhalt für den Zeitpunkt ihrer Entstehung,
zumal ihnen auch stilistische Merkmale der Bekleidung wie übrigens auch solche des Geschlechts fehlen. Sie passen ebenso gut in
die schlichteste Volkskunst jüngerer Vergangenheit wie in den primitiven Formenkreis bronzezeitlicher Menschendarstellung. Aber
sowohl der isolierte Standort des Steines nahe einer bronzezeitlichen Siedlung wie vor allem das Bewegungsmotiv und das paarweise
Auftreten der Gestalten lassen auf eine sehr frühe Entstehung schließen. Der rechte, im Schulteransatz noch eben gehaltene Arm der
linken Gestalt kann nur nach oben gewinkelt oder gebogen gewesen sein, da die Zerstörung nur den Teil seitlich links des Kopfes
betroffen hat, der teil seitlich des Unterleibes aber wohlerhalten ist und von einem Arme keine Spur zeigt. Mit der so ergänzten
Armhaltung stellt die Figur einen in der vorgeschichtlichen Kunst wohlbekannten mythischen Typus dar, der die Formen der ab- und
zunehmenden Mondsichel im zauberische oder mimischen Gestus wiederholt und vielleicht eine Darstellung der Mondgottheit selbst
bezweckt. Die späte, klassische Prägung dieses Typus liegt in Bildern des Dionysos, der thrakisch-griechischen Mondgottheit, vor.
Aber auch die armlose Gestalt rechts ist in der Vorzeitkunst nicht ohne beispiel. Die Menschen- und Götterwelt der Felszeichnungen
von Bohuslän wie auch die Grabplatte von Kivik verwenden diesen Typus, der im Zusammenhang eine mythisch geschilderten
Mondgeschehens den besiegten, ohnmächtigen Schwarzmond als Gegenspieler des lichten, siegenden Mondes darstellen könnte. Ist
doch Verlust von Körperteilen oder Zerstückelung allenthalben in der alten Welt als treffendes mythisches Bild des sterbenden,
untergehenden Mondes gebraucht worden. Sieht man aber auch von der Körperhaltung ab, so lässt das paarweise Auftreten ähnlicher
Gestalten an das mythische göttliche Brüderpaar, die Dioskuren der Griechen, denken, die bald als Freundespaar, bald als Gegner
geschildert werden und in den großen indogermanischen Teilvölker, besonders auch den Illyrern wohlbekannte Göttergestalten waren,
wie dies zahlreiche Darstellungen des Hallstatt-Kulturkreises belegen, der unsere mittel- und ostdeutsche jungbronzezeitliche Kultur so
kräftig beeinflusst hat. Das Kreuz endlich, das schon die Steinzeitkunst sakral verwendet, mag den Figuren zur Betonung ihrer
Heiligkeit beigefügt worden sein. Doch kann es auch in der Klosterzeit beim Exorzismus der alten Heidenstätte durch die weihende
Hand des Priesters angebracht worden sein.
Gleichviel nun, welche Deutung des Steines richtig ist: In der Forderung nach einem praktischen Schutz kann
es kein Schwanken geben. Sudeleien reizen zur Nachahmung und neuen Zutaten und würden schließlich das beschämende
Schauspiel der Zerstörung an einem Denkmal vollenden, das vielleicht noch einmal mit Sicherheit als seltenes Zeugnis religiösen
Vorzeitglaubens erkannt wird.
Literatur:
1) Dr. Alfred Moschkau, Oybin-Chronik. Urkundl. Geschichte
von Burg, Cölestiner Kloster und Dorf Oybin bei Zittau. Leipa i. Böhmen (1884), S.270 und 274.
(Die Fundpflege. Beilage der Blätter für Mitteldeutschen Volkskunde- 4. Jg., 1936, Heft 4, S.35-38)