Kreuz auf dem Scheitel |
PLZ:
98660GPS:
Standort:
Am Oberen Tor.Größe / Material:
KalksteinGeschichte:
Das Kleindenkmal aus festem Kalkstein wurde 2001 bei Erdarbeiten hier am Oberen Tor aufgefunden, unbekannt sind Anlass und Zeitpunkt der ursprünglichen Aufstellung. Doch zeugt eine urkundliche Erwähnung von einem Sühnevertrag, der 1433 im Zusammenhang mit einer Bluttat in Themar geschlossen wurde. Teil der Vereinbarung zwischen den Familien Martersteck und Jahan war die Errichtung eines Steinkreuzes, an dem für die Seele des ohne die heiligen Sterbesakramente zu Tode gekommenen gebetet wurde. (Thüringisches Landesamt für Archäologische Denkmalpflege)Sage:
Quellen und Literatur:
Themar – "Wir wollen unsere Stadt für den Tourismus attraktiver machen," sagt Bürgermeister Hubert
Böse. Ein kürzlich gefundenes Steinkreuz wird zwar keine Massen nach Themar locken, doch ein weiteres Mosaiksteinchen zur
Attraktivität des Werrastädtchens ist es allemal.
Es war kalt gestern in früher Morgenstunde, klirrend kalt. Doch die kleine Gruppe, die da zur Übergabe des im Baustellenbereich
der Entlastungsstraße gefundenen Steinkreuzes gekommen war, harrte tapfer aus – in dem Bewusstsein, einen solchen Moment nicht
allzu oft erleben zu können. Wenn auch gerade diese Region in Thüringen reichlich gesegnet ist mit gefundenen oder
wiedergefundenen Bodendenkmalen. 42 Steinkreuze gibt es allein im Landkreis Hildburghausen – das 43. erhielt gestern Vormittag
seinen neuen Standort im Stadtmauerbereich Verkehrsknoten "Am Friedhof".
Kenntnis von der Existenz dieses vermutlich über 500 Jahre alten Steinkreuzes hatte niemand, weder die Historiker noch die
Bodendenkmalpfleger, weil es nirgendwo in Akten oder Chroniken erwähnt ist. Bis die Stadt Themar begann, ihre Straßen grundhaft
auszubauen – und dabei Bauarbeiter im Einsatz hatte, die außer ihrer Pflicht, den vereinbarten Bautermin zu halten, auch noch ein
waches Auge und Sinn für Geschichte bewiesen.
Als Detlef Hein mit seinem Bagger in zwei Metern Tiefe – wenige Meter neben dem jetzigen Standort des Steinkreuzes – auf
einen Steinklumpen stieß, warf er diesen nicht einfach auf den bereitstehenden Lastwagen, der ihn unweigerlich mit dem anderen
Bauschutt auf die Müllkippe gefahren hätte und diesen steinernen Zeitzeugen unwiederbringlich der Vergessenheit Preis gegeben
hätte. Er besah sich den Fund, reinigte ihn vom groben Lehm – und als er erkannte, dass es sich um ein Jahrhunderte altes
Steinkreuz handelte, verständigte er die zuständigen Stellen.
Seitdem beschäftigt dieser Stein die Denkmalbehörde genauso wie die Bodendenkmalpfleger – die natürlich seine genaue
Geschichte herauszufinden suchen. Bemüht darum hat sich auch Frank Störzner aus Kleinmölsen bei Erfurt, der sich seit
Jahrzehnten – quasi schon in seiner Kindheit oder Schülertagen – mit der Geschichte der Steinkreuze befasst. Ende der 80er Jahre
hatte er eine umfangreiche Arbeit über die Steinkreuze in Thüringen vorgelegt, die nicht nur unter Fachleuten große Beachtung fand.
Auch er hatte von diesem Fund erfahren, hatte darüber ausgiebige Nachforschungen angestellt – und war natürlich gestern zur
Einweihung des neuen Standortes nach Themar gekommen. Zur Bewertung der historischen Bedeutung seien, so Störzner, zwei
Punkte wichtig: "Beim Themarer Steinkreuz verhält es sich wie bei den allermeisten anderen Steinkreuzen: der konkrete
Setzungsanlass und sein Zeitpunkt sind nicht bekannt, so dass nur der Ausweg der Verallgemeinerung bleibt. Um den tieferen Sinn
der Steinkreuzsetzungen zu verstehen, müssen wir uns in die Zeit des späten Mittelalters, also um etwa 450 bis 700 Jahre zurück
versetzen, denn in den Jahrhunderten zwischen 1300 und 1550 liegt die Blütezeit jenes volkstümlichen, frommen und geheimnisvollen
Brauchtums. Damals wurden die Steinkreuze und sinnverwandten Totengedenksteine für Personen errichtet, die überraschend und
'unvorbereitet’, also ohne die heiligen Sterbesakramente empfangen zu haben, aus dem Leben geschieden waren."
Die zweite Möglichkeit, die die Entstehung eines Steinkreuzes begründen könnte, ist "die Einbindung in einen Rechtsvorgang,"
wie er hier in Themar zu vermuten sei, so Frank Störzner. Themar ist in der Steinkreuzforschung bekannt als einer von fünfzehn
Orten in Thüringen, wo ein sogenannter Sühnevertrag ausgehandelt wurde. Aus heutiger Sicht kaum vorstellbar, wurde Totschlag
damals nicht vom Staat verfolgt, dies wurde wie ein Zivil- oder Nachbarschaftsstreit zwischen den Parteien ausgehandelt. Die
"Behörde" überwachte lediglich die ausgehandelten Bedingungen. Nachweislich am 22. Januar 1433 – also vor nunmehr 568
Jahren – hatte es im Rathaus Themar einen Gerichtstermin gegeben, in dem unter Vorsitz des Grafen Wilhelm II. von Henneberg
ein Tötungsdelikt verhandelt worden war. Einer der fünf Brüder Jahan hatte vermutlich den Mann der Grete Martersteck erschlagen.
Einer der ausgehandelten Sühneleistungen war die Errichtung eines Steinkreuzes am Tatort durch die Gebrüder Jahan. Ob es das
gefundene Steinkreuz ist, kann zwar vermutet, nicht aber bewiesen werden.
Die anderen drei Sühneleistungen waren übrigens: Am Mittwoch nach Ostern sollen die Jahan mit 50 Knechten 50 Pfunf Wachs
in die Stadtkirche liefern (was zugleich eine Demütigung darstellte). Außderdem: Wallfahrten nach Rom, Maria Einsiedel (Schweiz)
und Aachen innerhalb eines Jahres, worüber ein Nachweis beim Pfarrer in Themar zu legen ist. Und außerdem die Veranlassung
von Fürbitten in vier Ordenskirchen der Umgebung. Von Gefängnis oder Kerker für einen Totschlag ist in diesem Gerichtstermin in
Themar nichts in den Akten zu finden
(Quelle: Freies Wort vom 17.12.2001)