Lipná / Lindau


die andere Seite
Foto: Basler (2009)

PLZ:

GPS:

Standort: Das sehr gut erhaltene Steinkreuz steht neben der Straße nach Lindau in der "Wiege", auf dem Damm des Forellenbaches.

Größe / Material: 80:86:19 / Granit

Geschichte: Die heute noch erkennbare Inschrift lautet:
IHS
1675 DI 1 A..
HAT EIN VATTER
SEIN KINDT MIT EINE
MESER
ERSTOC
.EN.
Von der Setzung eines Steinkreuzes ist nirgends die Rede. Wahrscheinlich stand das Kreuz schon vor 1675 und die Inschrift wurde erst nach dem Morde, der zufällig an der selben Stelle stattfand, angebracht.

Sage:

Quellen und Literatur:
Wagner, Joh. - Geschichte eines Kreuzsteines, in: "Unser Egerland", 30.Jg., (1926), H. 9/10, S.120-122
Kolektiv Autorů - Kamenné kříže, 2001, S.118, Nr.0024
recherchiert und bebildert von Uwe Stößel, Saalfeld
Ergänzungen von Paul Basler, Schwarzenbach / Saale (Foto vom 2.09.2009)



Geschichte eines Kreuzsteines
Von Joh. Wagner (Haslau – Linz)

Wer vom Dorfe Rommersreuth oberhalb Haslau nach Lindau geht u. zw. den Wegen in der sog. "Woign" ("Wiege" wird das Tal genannt durch den der Forellenbach fließt), etwa 200m südwestlich vom Bahnhaus Nr. 6, der sieht am Wegesrande kurz vor der Bahnübersetzung, wo der Weg sich, zum Bach herabsenkt, ein altersgraues, etwa 85cm aus der Erde ragendes Granitkreuz stehen. Dieses Kreuz war vor ungefähr 15 Jahren umgefallen, lag jahrelang im Wiesengrunde und ist dann durch Lindauer Steinmetzer von den nahen Lindauer Granitbrüchen wieder aufgerichtet worden. Die Länge der Querbalken beträgt 90cm, die Stärke 22 – 23cm.
Dieses Steinkreuz gleicht ganz den Kreuzsteinen, wie sie in den früheren Jahrgängen dieser Zeitschrift wiederholt aufgezeichnet wurden. Wie die eingegrabene Inschrift andeutet, ereignete sich hier eine Untat, die ein Vater an seinem Kinde vor dritthalbhundert Jahren i.J. 1675 verübte. Die Inschrift zeigt in der Mitte ein von 2 Messern durchbohrtes Herz und trägt die Worte "1675 de(n) 1. Au(gust) hat ein Vatter sein Kindt mit Eine(m) Meser erstochen." Ueber die Ursache, die zu dieser grausamen Tat führte, konnte nichts aufgefunden werden. Dagegen findet sich in den Haslauer Kirchen-Matriken (Sterbebücher) folgende Eintragung über die Tat selbst:

"1675 Donnerschtag den 1. Augusti hatt Michl Wagner in Rommerschreith sein selbst eigenes Söhnlein schmerzlich entleibet und umgebracht, welchem er Erstlich 8 Stiche mit seinem eigenen Brodtmesser und hernach einen erbärmlichen Riß mit dem Messer von der linken Brust bis auf den Bauch, daß alle seine Rieblein entzwey gegangen und das ingeweiht schröcklich herausgerissen und das Geschling stückweiß herumbgeworfen, welche grausame that, so noch kaum erhöret, schmertzlich und jämmerlich zu sehen war. Er aber gleich in die stadt geführet worden, das todte Kindt aber biß an den dritten tag liegent verblieben, und hernach mit Einwillung deß Wohl Edb. und Hoch Wohlweißen Rath der stadt Eger anhero auff Haßlau begraben worden, sein Alter war 8 Jahr und 15 Wochen."

Der Üeltäter wurde in Eger mit dem Schwerte am 7. März 1676 hingerichtet. Das Kreuz ist ein echtes Sühnkreuz, das von Gerichtswegen nach mittelalterlichen Rechtsgebrauch zur Sühne für die Tat errichtet werden mußte.
Es wird schon von Prof. Wilhelm in seinem Aufsatze. "Alte Kreuzsteine im Egerland" (mit einer Tafel) unter Nr. 19 Lindau erwähnt und beschrieben ("Unser Egerland" VI - 1902 - Seite 7). Er nennt es "eines der seltenen alten, oder wenigstens älteren Steine mit Inschrift". (Weitere Kreuzsteine bei Haslau verzeichnet er, ebendaselbst, unter Nr. 32, 33, 34 in der Nähe des Bahnhofes (Eiskeller) und zwei am Wege nach Seeberg.)
Kreuzsteine wie der Rommersreuter, mit so ausführlicher Legende, wie sie in die Haslauer Kirchenbücher ergaben, und mit Inschrift sind heute eine große Seltenheit und dürfte dieser Stein der einzige dieser Art im Egerlande sein.
Auf Ersuchen des Hauptschriftleiters dieser Zeitschrift war Herr Archivdirektor Dr. Siegl so freundlich auch die Aufzeichnung des Egerer Archivs (Chronik des Markl und das Ausgabenbuch) über diesen Fall nachzusehen. Die Chronik von Wolfg. Kasp. Markl berichtet auf Fol: 432 b zu dem Jahre 1675:

  1. 1. Aus der Ratschronik des Wolfgang Casp. Markl, Fol. 432b bei dem J. 1675:
    "Den1. Augusti hat Michel Wagner zu Rommersreuth sein 8jähriges Söhnl Jobst genandt, auf den Wißmath, so man das steinig nennt, gegen Lindau, erbärmlich ermordet, den leib aufgeschnitten, das Eingeweyd und hertz herausgerissen, viel Bluth gesoffen, und seiner aussag nach die Seel gesuchet, war ganz perplex, ist den anderen tag hereingeführet und den 7. Februarii 1) ao. 76 mit dem Schwerd gerichtet worden."

  2. 2. Aus den Ausgabsbuch 1675/76, Fol. 102ab.
    Unkost, was auf die in Verhaft gewesene Malefitz-Persohnen Aufgehangen.

fl. kr.
- Dem Stadtknecht wegen Michel Wagners von Rommersreuth,welcher seinen Knaben, als Sohn selbsten, mit einem Brodtmesser ermordet in Kethen zu schließen. –.56 
- Dan ihme (dem Stadtknecht) wegen des nunmehr justficirten Delinquenten Michel Wagners vom 7. Aug. bis 5. Feber, bey ihme in verhafft gesessen, so sich uf 189 tag betroffen, a. 5 kr., tut 15.45 
- dan bei drei mahligen verhör aufzuwarten a 3 kr. –.  9 
- für das Urtel auszuruffen –.56 
- das sichere geleith auf dem Rabenstein für dem Scharffrichter zu ruffen. –.28 
- item für unterschiedliche victualien und wein dem gefangenen die letzten 3 tag vorder exekution 1.7½
- Dem Friedrich Ludwig, außreuther, welcher des delinquenten Vatter wie auch Schweher dan Arnold und Peter Rubner Seuckhenreuth, jeden 6 mahl, hereingefordert a 3 kr. 1.12 
- denen Stadtschützen für 2 tägige Bewachung des Maleficanten, und uff die richtstad zu begleiten 1.24 
- denen Ratsdienern wegen unterschiedlicher schickung und aufwartung 1.–– 
- den 5. septembris wegen des delinquenten Michel Wagners dem Pohlauer umb ein Informat-Urtel gesandt gegen Ingolstadt, welches gekostet 12 fl., von der Universität, dan Pottenlohn zus. 17.45 
- den 27. sept. dem Adam Worschen, welcher gleichfalls deßwegen umb ein Informat-Urtel nacher Wirzburg gesandt worden, Pottenlohn 3.–– 
- dann vor das informat urtel 9.–– 
- den 14. decembris wurdte Barthl Freudner von Dirschenreuth wegen des verhafften Michel Wagners nach Ingelstadt umb ein endtliches Informat-Urtel geschickt, welchs sampt Pottenlohn hat gekostet 18.45 
- den 7. martii dem Scharfrichter von dem verhafften Michel Wagner zu enthaupten 1.30 
- Dem Johann Adam Söltner, alten gerichtshern, wegen unterschiedlicher verhör und bemühung des Michel Wagners 1.–– 
- dann vor 1 viertl wein –.40 
- dem herrn Gerichtsschreiber in der gleichen bemühung 1.–– 
- dem Wolf Adam Schneider, richter 1.–– 
- beeden herrn des Rats, so ihm begleiten helfen, jedem zu einem Drunckh wein a 40 kr. 1.20 
- Den 15. Feber denen Maurern, als sie den Rabenstein 2) Verbesserten vor bier und brodt 2.30 


1) Nach dem Ausgabsbuch richtig 7. März.
2) Der Rabenstein befand sich vor dem Brucktor hinter dem Hause des Wagners Dümmel, zwischen der Liebensteiner- und der Franzensbader-Straße. Hier wurden die zum Schwert Verurteilten gerichtet. Die zum Strang dagegen auf dem Galgenberg, da, wo jetzt ein Hügel mit dem Tempelchen sich erhebt.

("Unser Egerland", 30.Jg., 1926, H. 9/10, S.120-122)


Sühnekreuze & Mordsteine