Geschichte & Forschung Rechts-Bräuche

Rolande


 kleinere Abhandlungen 


 Einige Rolande im Bild 

Roland von Halberstadt
Quelle: Jung (1939)

Heiliger Roland von Dortmund
Quelle: Jung (1939)

Korbach (Hessen) - Die "gerüstete" Ritterfigur mit Schild und Fahnenlanze soll nach norddeutschem Vorbild einen Roland der ehemaligen Hansestadt Korbach darstellen. Normalerweise sind die norddeutschen Rolandsstandbilder barhäuptig, jedoch kann auch diese Figur als Zeichen der Stadt- und Markthoheit angesprochen werden. Sie hatte eine lange Zeit hindurch ihren Standplatz inmitten der Heiligenfiguren am gotischen Portal der St. Kilianskirche, bevor sie an das alte Rathaus versetzt wurde. Die Entstehungszeit wird mit 1470 angegeben.
Quelle: Riebeling (1977)

Der Ruland zu Bremen
Quelle: Zoepfl (1861)

Der Ruland zu Wedel in Holstein
Quelle: Zoepfl (1861)

Der Ruland zu Brandenburg
Quelle: Zoepfl (1861)

Der Ruland zu Stendal in der Altmark
Quelle: Zoepfl (1861)

Der Ruland zu Erfurt
Quelle: Zoepfl (1861)

Der (zweifelhafte) Ruland zu Stadtberge (Eresberg, jetzt Obermarsberg)
Quelle: Zoepfl (1861)



 neueste Forschungsergebnisse 

Der Roland in Obermarsberg (NRW) wurde nach den Angaben auf der Erläuterungstafel um 1600 aufgestellt. Tatsächlich muss er aber schon vor 1410 entstanden sein, weil dem Kirchenmodell, welches er trägt, der 1410 erbaute Turm der fehlt.
Foto: Vogt / Fuhrmann (2008)

Ritter Roland verlor als Gefolgsmann Kaiser Karls des Großen und Markgraf der Bretagne 778 im Tal von Ronçeval sein Leben beim Rückzug vom spanischen Feldzug, als christliche Basken die Nachhut überfielen. Bald wurde er Mittelpunkt einer Heldendichtung, die als "Chanson de Roland" vor der Schlacht bei Hastings 1066 den normannischen Kriegern vorgesungen wurde. Im 12. Jahrhundert wird er im "Rolandslied des Pfaffen Konrad" zum christlichen Ritter, der das von Gott verliehene Schwert "Durendart" und das Hörn "Olifant" trägt. Er gibt sein Leben für die Verteidigung und Ausbreitung des christlichen Glaubens hin und erlangt dadurch einen Platz im Paradies - ein Vorbild für die jungen Adligen, die es für die Kreuzzüge zu begeistern galt. Eine ausgesprochen deutsche Erscheinung sind die monumentalen Holz- und Steinfiguren, die ab dem 14. Jahrhundert als Zeichen des kaiserlichen Schutzes und Rechts von Kaiser Karl IV. in Städten aufgestellt werden, die sich gegen ihren Stadtherren auflehnen. Die Bedeutung der jüngeren Rolande ist vor dem Hintergrund ihrer jeweiligen Stadtgeschichte zu sehen - meist sind sie Symbole der Stadtfreiheit, verliehener Privilegien, von Handels- und Zollvorrechten oder der Gerichtsbarkeit.

Roland im Kontext
Roland hat, viele Facetten:
Roland ist Europäer im wahrsten Sinne des Wortes, denn weit über 1000 Jahre hinweg ist er in Europa präsent. Er läßt sich auf keine Nationalität festlegen, er ist Franke, Franzose, Spanier, Deutscher.
Roland ist ein Phänomen, das wie keine andere Heldengestalt bis in die Gegenwart bekannt ist.
Roland ist besonders eindringlich im Tal von Ronçeval zu spüren, das an vielen Tagen des Jahres eine unheimliche Atmosphäre aufweist, so als würden auf den bewaldeten Höhen die Feinde im Hinterhalt lauern, das Geklirr von Schwertern auf Schildern und Rüstungen zu hören sein, als würde von den nebelumhangenen Bergen der verzweifelt um Hilfe rufende Ton seines Hornes Olifant widerhallen und das Echo desGaloppsder Pferde, auf denen Karl derGroße und sein Heer zum Schlachtfeld zurückkehren.
Roland begleitet die Pilger auf ihrem Weg nach Santiago de Compostela zum Grab des heiligen Jakobus, das er aus Sarazenenhand befreit haben soll. An vielen Kirchen ist er dargestellt in seinem Kampf gegen den Riesen Ferragut, der christliche Ritter entführt haben soll. Es ist zugleich sein Kampf als Christ gegen den Ungläubigen, in dem er stets obsiegt.
Roland ist Identifikationssymbol - für die Liebe zum Vaterland, für die Treue zu seinem Herrn, für christliches Heldentum. Er ist Vorbild für die jungen Adligen, wenn sie an den Kreuzzügen teilnehmen, um gleich ihm sein Leben für den christlichen Glauben einzusetzen. Roland ist integer und nur seinen Idealen ergeben - ein Vorzeigeheld.
Roland ist als Schwertträger seines Kaisers Karl zugleich auch das Symbol des Schutzes der nachfolgenden Kaiser, den sie den Städten gewähren in deren Freiheitsstreben gegenüber ihren Stadtherren. Konsequent wird im Fall der Niederlage deswegen sein Bild zerstört.
Roland ist in seiner übermenschlichen Größe Symbol des Selbstbewußtseins der Städte und Gemeinden, er ist ihr Freiheitssymbol, er steht für erteilte Privilegien und für das Recht schlechthin.
Roland war und ist Symbol besonders der alten Handels- und Hansestadt Bremen. Er wird dort seit Jahrhunderten auch geschickt vermarktet - wo er steht, hat Bremen das Sagen oder erinnert seine ausgewanderten Bürger an ihre Herkunft und Heimat - er ist aber auch kriegerisch, wenn die Kanonen des Kriegsschiffes "Rulant von Bremen" übers Meer donnern ...
Roland läßt sich nicht isoliert in Teilaspekten betrachten. Uns ist das Verständnis der mittelalterlichen Symbolsprache weitgehend verlorengegangen. Wir sehen und verstehen aufgrund dessen nicht mehr, sondern müssen erst lesen und erläutern, um zu verstehen. So muß auch Roland erklärt werden. Der mittelalterliche Mensch, welcher dem mündlich vorgetragenen Rolandslied, den Erzählungen und Sagen lauschte, erkannte in den Abbildungen an den Kirchen und auf dem Marktplatz den "Roland" wieder und ordnete ihn im richtigen Zusammenhang ein - er war der heldenhafte, getreue Paladin seines Kaisers Karl, nicht aber die Nachfolge der Irminsul, eines Ahnenpfahls oder des Marktkreuzes, wie es oft behauptet wurde.
Roland ist heute vor allem verbindendes Glied der Orte, in denen er steht oder stand. Er wird mehr und mehr das Symbol für Zusammenarbeit und Zusammenhalt untereinander und ist heutzutage zusätzlich eine Touristenattraktion.
Roland hat aber noch andere Ausformungen: Er ist Zielfigur bei Reiterspielen, er sammelte als Nagelfigur im Ersten Weltkrieg Spenden für die Kriegshinterbliebenen, er ist vor allem Werbeträger, sei es für Versicherungen, Apotheken, Gastwirtschaften, Genußmittel, Schiffe, Eisenbahnen.
Roland hat auch die Bühne erobert und ist unsterblich geworden in den Werken der großen Barockkomponisten Händel und Haydn.
(Munzel-Everling, Dietlinde - Rolande. Die europäischen Rolanddarstellungen und Rolandfiguren, 2005, S.166-167)



 ältere Deutungsversuche 

   [...] In Erlenbach am Main und in Neustadt im Odenwald finden wir noch heute solche Marktkreuze. Da mit der Zeit der Handschuh zerfiel, schnitt man aus Blech eine Hand oder einen Handschuh aus und befestigte diese am Kreuz, auch so, daß die Hand nicht nach abwärts hing, sondern gewissermaßen aus dem einen Kreuzarm herauswuchs. Diese Art der Darstellung zeigt das Wappen von Stadtlauingen bei Kissingen. Dieser Ort war 1484 von Rudolf von Scherenberg, dem Bischof von Würzburg, mit dem Stadtrecht begabt worden. Vordem hieß er Niederlauringen. Von dieser Form der Darstellung des Marktkreuzes ist es nur ein kleiner Schritt zu einem figürlichen Denkmal: Anstelle des oberen Kreuzkopfes denken wir uns ein Bild des menschlichen Kopfes und auch an dem andern Kreuzbalken noch eine Hand, die das Schwert hält, und fertig ist - der Roland. Die Rolandsfiguren in den norddeutschen Städten sind also im Grunde nichts anderes wie vermenschlichte Marktkreuze. [...]
(Funk, Wilhelm - Von Flurdenkmälern im allgemeinen und den Flurdenkmälern um Neustadt a.d. Aisch im besonderen, 1940, S.12)

[...] Heute noch wird in westfälischen Städten, wie in Münster, zum Zeichen des Marktfriedens der Schwertarm am Rathause ausgestreckt; die Rolande der niedersächsischen Städte, die Kennzeichen der Gerichtsstätte, halten das Schwert vor sich, nicht im Kampfe geschwungen, sondern als das alte Sinnbild des Schwertgottes, der zugleich der Gott des Gerichts war. [...]
(Jung, Erich - Germanische Götter und Helden in christlicher Zeit, München und Berlin 1939, S.497)

[...] Die Erklärung des Runland als rothes Land wird auch durch die letztere Annahme in keiner Weise erschüttert.
   Ruland, als rothes Land aufgefasst, ist genau dasselbe wie "rothe Erde", wodurch, wie allgemein bekannt, nach der westphälischen Vehmgerichts-Sprache der Platz bezeichnet wurde, auf welchem die Hegung des Blutgerichtes Statt fand. Ein Rulandsbild, eine Rulands-Säule, columna Rulandi, ist daher eine Rothlands-Säule, und dafür auch von dem Verfasser des Aufsatzes über den Ruland zu Halle in der Leipziger Illustrirten Zeitung, Jahrgang 1858 Nr.761, sehr richtig erkannt worden.
   Eine Rothlands - Säule ist demnach eine auf dem rothen Land, der rothen Erde, d.h. auf der Blutgerichtsstätte errichtete Säule, also eine Gerichtssäule, eine als Wahrzeichen des Gerichtes errichtete Bild-Säule, also grammatisch genau dasselbe, als was wir den Ruland aus rechtsgeschichtlichen Gründen bereits erkennen mussten. Es musste daher ursprünglich nothwendig "Rulands-Säule, columna Rulandi" gesagt und muss diese Ausdrucksweise als die streng genommen allein sprachrichtige und der Sache angemessene anerkannt werden; auch hat sich dieselbe notorisch bis zur Stunde erhalten.
   Da nun aber die auf dem rothen Land, der Blutgerichtsstätte aufgestellte Bildsäule, wie wir gesehen haben, regelmässig nicht nur den Charakter einer Gerichtssäule, sondern auch einer Markt- and Mundats-Säule, überhaupt eines Wahrzeichens der gesammten städtischen Berechtigungen an sich trug, so war sie, dies mit einem Worte zusammengefasst, auch Wahrzeichen des Weichbildrechts, wie schon Gryphiander richtig erkannt hat; denn Weichbild ist, wie die Glosse zum sächsischen Weichbild (Ausg. v. Zobel, art.9.) sehr schön bemerkt, "nichts anderes, denn des riches hofrecht", d.h. das einem Orte, Hofe, curia, Dorfschaft, villa, von dem König oder Kaiser verliehene, ursprünglich nur von ihm zu erlangende Privilegium, als städtische Gemeinde die städtischen Freiheiten zu geniessen. Die Rulands-Säule war sonach sogar im buchstäblichen Sinne selbst ein Weichbild, d.h. im Weich oder Wich, dem Bannbezirke der Stadt, als Symbol des städtischen Zwing- und Bannes oder der städtisches Gerichtsbarkeit und der übrigen städtischen Freiheiten errichtetes Bild, wie dies auch schon Dreyer bemerkt hat und daher "Wykbild" erklärt als "in vico civitatis posita imago".
   Es konnte daher allerdings wohl die Rulands-Säule auch selbst "Weichbild" genannt werden, wie Gryphiander berichtet, dass es seiner Zeit noch an manchen Orten geschehen sei. Somit rechtfertiget es sich allerdings, in der angegebenen Beschränkung, wenn er in den Versen, welche er unter seine Abbildung der Rulands-Säule gesetzt hat, sagt: der Ruland sei "ex re" d.h. seiner Bedeutung nach "Weichbildus" genannt worden, wobei freilich die abgeschmackte lateinische Endung besser hinweggeblieben wäre! Schon vor ihm hatte Goldast diesen an sich ganz richtigen Gedanken ausgesprochen und den Ruland als ein Weichbild in dem angegebenen Sinne erklärt, d.h. als eine "statua, per quam notatur, ibi esse forum publicum causarum, jurisdictionem, locum iustitiae, districtum territorium, oder wie es die alten Teutschen eigentlich genennet haben, mallum publicum, ein Malstatt, da man freikaiserlich Gericht hält". Auf diese Bedeutung der Rulands-Säule als Weichbild werden wir noch einmal bei der Darstellung ihrer Beziehungen zu dem alten heidnischen Göttercultus der Germanen zurückkommen. [...]
   [...] Die ächte Irmensäule war, wie wir auf das bestimmteste wissen, ein "truncus ligni in altum erectus", wie der Schildpfahl, den die deutschen Kaiser auf den roncalischen Feldern errichteten, wenn sie dort selbst ihren grossen Lehen - Gerichtstag hielten, und wie der Schwertpfahl, der bei anderen deutschen Gerichten erwähnt wird: sollte man hiernach bezweifeln dürfen, dass die ächte hölzerne Innensäule auch ein solches Symbol trug, und zwar jenes, welches dem Charakter des Gottes oder vergötterten Heroën, dessen Namen sie trug, d.h. des Er, Ers, des deutschen Mars, oder des mit ihm häufig vermengten Heroën Irmin, entspricht, nämlich das Schwert, oder dass dieses zu gewissen Zeiten an ihr aufgehängt wurde, da die bestimmtesten Zeugnisse darthun, dass das Schwert das Symbolum des deutschen Kriegsgottes war, der uns bald unter dem Kamen Er, Ers, Tyr, Zio, Mors oder Mort, und Wich, Wig, sowohl im Süden wie im Norden von Deutschland entgegentritt, und der gerade unter der Gestalt des Schwertes verehrt wurde? Insbesondere ist der Götzen-Name Wich für den Ruland [Roland] und somit für die Rechtsgeschichte von Bedeutung, indem sich hiermit für die Erklärung des Wortes Wichbelde oder Weichbild eine neue Bahn eröffnet, und dies sonach auch buchstäblich als Bild des Kriegsgottes Wich, des deutschen Mars, aufgefasst werden kann. Das Wichbeiderecht (Weichbildrecht) ist dann zunächst das Recht eines Ortes, ein Bild, d.h. überhaupt eine Säule des Wich, einen ihm geweihten "truncus ligni in altum erectus", somit das Recht eine heidnische Opferstätte, Blut- und Kampfgerichtsstätte zu haben. Hiernach wäre die Bezeichnung des Ruland [Roland] als Wichbelde sogar nur als eine Uebertragung des Namens der alten heidnischen Opfer- und Gerichts-Säulen auf das neu in den Städten aufgestellte Bild des rothen Königs Otto II. aufzufassen, und da Wich (wig, wic) von jeher nicht nur Weihe, sanctitas, sondern (schon im Heliand) auch soviel wie pugna, bellum bezeichnete, so würde in dem Wichbelde zugleich der Begriff einer Kampf-Säule liegen, und zwar in doppeltem Sinne, erstlich als Säule zur Bezeichnung des Ortes, wo der Heerbann sich versammelt, wie dies auch bei dem lignum in altum erectum auf den roncalischen Feldern der Fall war, und zweitens als Bezeichnung des Ortes, wo die gerichtlichen Kämpfe auszufechten sind, und gerade letzterer Begriff liegt, wie wir schon oben gesehen haben, in der Rulands - Säule. [...]
(Zoepfl, Dr. Heinrich - Die Rulands-Säule. Eine rechtsgeschichtliche Untersuchung, Leipzig und Heidelberg 1861, S.119-120, 151-152)

[...] Indem man ferner dem Pfahl, der Gerichtssäule, die das Gerichtswahrzeichen trug, allmählich, wenn gleich nur in roher Form, menschliche Züge gab, entwickelten sich nach einer allerdings nicht unbestrittenen Meinung die als Zeichen der hohen Gerichtsbarkeit anzusehenden und in dieser Eigenschaft durch das Schwert, vielfach auch durch den Königsschild, gekennzeichneten Rolande, die zugleich eine Verbindung mit der seit dem 11. Jahrhundert Westeuropa ergreifenden Gottesfriedensbewegung zeigen. Der Ausdruck Roland habe dabei ursprünglich nichts mit dem Paladin und Schwertführer Karls des Großen zu tun, der in Deutschland erst später durch das Rolandslied des Pfaffen Konrad in weiteren Kreisen bekanntgeworden sei. Roland bedeute zunächst nichts anderes als dat rode oder - nach Ausstoßung des "d" - das roe Land, d.h. die Stätte der Ausübung der Blutgerichtsbarkeit. Für die Herkunft der Rolande aus der alten Gerichtssäule spreche, daß noch eine Anzahl hölzerner, in ihrer Form an den ehemaligen Gerichtspfahl erinnernde Rolande erhalten sei, daß auch die Rolande aus Stein sich in ihrer typischen, die Holzbearbeitung nachahmenden Aufmachung vielfach als Nachbildungen ehemaliger Holzfiguren darstellten, daß ferner die Riesenhaftigkeit der Rolandsbilder noch an die alte Kultsäule gemahne, und daß endlich die Rolande nicht, wie man etwa im Hinblick auf die Kenntnis der Karlssage annehmen könnte, eine städtische Eigentümlichkeit seien - sie seien ebenso in ländlichen Ortschaften vertreten. Und wenn die Rolande weiter zuweilen als Freistätten gelten, so klinge auch darin der Gedanke an den Asylschutz der alten Gerichtsstätte nach, der mit dem Frieden des Ahnengrabs und dem dadurch vermittelten Tabu des Richtplatzes zusammenhänge.
Das alte Gerichtswahrzeichen, das wir uns nach dem Gesagten ursprünglich in der Gestalt eines hölzernen Pfahles, einer einfachen Säule oder des Kreuzpfahls auf einer Stufenpyramide von Stein vorzustellen haben, wirkt weiter nach in den Kreuzen, die, zunächst aus Holz und später aus Stein gefertigt, auf einem Stufensockel stehend als Sühnemale an Wegen und auf alten Deichen errichtet werden.
(Frölich, Karl - Stätten mittelalterlicher Rechtspflege auf südwestdeutschem Boden, besonders in Hessen und den Nachbargebieten, in: Arbeiten zur rechtlichen Volkskunde, Heft 1, Tübingen 1938)
(auch: Riebeling, Heinrich - Historische Rechtsmale in Hessen, 1988, S.14)

Der Roland zu Halle

   [...] Der Roland ist eine spezifisch deutsche und zwar norddeutsche Erscheinung, eine meist jugendliche, vollgepanzerte Rittergestalt von riesiger Größe, barhaupt, das entblößte Schwert senkrecht nach oben in der Rechten, einen Schild mit dem Reichsadler an der linken Schulter, in Haltung und Form von gesuchter Altertümlichkeit. So der berühmteste seiner Gattung, "Roland der Ries am Rathaus zu Bremen steht er als Standbild standhaft und wacht".
   Die Frage nach der Herkunft und Bedeutung der Bilder und des Namens ist etwa so heiß umstritten wie die der Steinmetzzeichen, Rillen oder Stimmtöpfe. Auf den älteren Anschauungen von Grimm und Zöpfl fußend hat Platen mit großer Lebhaftigkeit die mythologische Deutung erneuert. Viele Rolandsstätten seien Kultstätten Donars gewesen, ausgezeichnet durch eine "Irmensäule" mit dem Riesenbild des Gottes, welches als glückbringendes Verkehrssymbol auf den Markt der anwachsenden Stadt verpflanzt und zunächst mit den alten Attributen, Keule und Hammer, von der Kirche geduldet, seit der Bekanntschaft mit der französischen Rolanddichtung aber auf den berühmten Paladin Karls d. Gr. umgedeutet und ritterlich ausgestattet worden sei. So wenig wie diese befriedigt die Meinung Sellos: In den neuen sächsischen Städtegründungen des 10.Jh. wie Magdeburg, Halberstadt, Quedlinburg habe man aus "Freude an monumentaler Bildnerei" Königsbilder aufgestellt, die zunächst ohne Rechtsbedeutung vom Volke doch als Sinnbilder städtischen Lebens aufgefaßt und bei späteren Stadtgründungen wie in Halle, Berlin, Hamburg als Merkmale der Stadtfreiheit nachgeahmt wurden. Man habe später, als alles Große und Herrliche mit dem Namen Karls d. Gr. verknüpft wurde, die Bilder mit der Karlssage und mit Roland verbunden und sie im Kampf mit den Stadtherren als Symbole der "Kaiserfreiheit" proklamiert, zuerst 1366 in Bremen, und ihnen mit der riesenhaften Größe die staatsrechtliche Bedeutung der Reichsunmittelbarkeit und den Gattungsnamen "Roland" gegeben. Rietschel sieht sie umgekehrt als Zeichen der dauernden Gerichtshoheit des fürstlichen Stadtherrn an. Diese Meinung ist von Heldmann erweitert und geklärt. Er findet zwei Stammväter der Rolandfiguren, zu Halle und Bremen; von jenem stammt wesentlich die Form und Bedeutung, von diesem der Name und die höhere Prätension. Der Hallesche Roland ist das Bild des Richters und zwar des obersten Stadtrichters, des Burggrafen von Magdeburg, wie er mit aufgerichtetem Schwert Frieden gebietet. Den Namen Roland hat er erst 200 Jahre nach seiner Errichtung erhalten und zwar von Bremen her. Der Bremer Roland ist ursprünglich wie die anderen alle eine Spielfigur. Das Rolandsspiel war eine Übung der ritterlichen Stadtjugend. In Münster wurde z.B. nach einer drehbaren Holzfigur gestochen, die mitten auf dem Markt auf einer eisernen Säule stand; sie trug im rechten Arm eine Scheibe, im linken einen Narrenkolben, und der Witz des Spiels bestand darin, mit einem Speer die Scheibe zu treffen und so rasch um die Figur zu laufen, daß man dem Streich des Kolbens im linken Arm entwischte. Eine solche Spielfigur wurde 1366 in Bremen vom Stadtherrn verbrannt 1404 aber in Stein erneuert und mit Schwert und Reichsadler versehen. Durch den Bürgermeister Johann Hemeling empfing sie unter mancherlei Urkundenfälschung die Deutung auf "die vryheit, de Karl und mennich vorst vorwar derer stede ghegeven hat". Beide Beispiele wirkten nun zusammen, überall die Holzfiguren durch Steinstatuen zu ersetzen und die Rolandstädte als Sitze selbständiger Stadt- oder höherer Landgerichte zu prätendieren, vereinzelt auch wie in Magdeburg den Roland als Urkunde städtischer Freiheit, der Reichsunmittelbarkeit zu benutzen.
   Die ältesten Rolande, so auch der hallische, scheinen Holzfiguren gewesen zu sein (Bremen 1366, Hamburg 1375, Greifswald 1398), wie es auch Reste oder sichere Überlieferungen für Nordhausen, Potzlow in der Uckermark, Plötzky bei Magdeburg, Zehden in der Neumark belegen. Sie waren transportabel (der der Lübecker Zirkelgesellschaft Anf. 17.Jh. auf Kufen), demnach auch nicht irgendwie an den Markt gebunden (in Elbing auf der Brücke, in Jeßnitz auf einer Wiese), vielfach gewiß nur kunstlose Zimmermannsarbeit, das Ziel ein Brett oder eine Scheibe (Meldorf, Lübeck, Münster) oder wie beim ältesten Magdeburger ein Schwert in der vorgestreckten Rechten. Das Maß überschritt jedenfalls nicht wesentlich die Höhe eines Reiters (2,60-3m). Diese Merkmale finden sich noch an bäuerlichen Spielrolanden bis Mitte 19.Jh.
(Götzinger, Dr. E. - Reallexikon der Deutschen Altertümer. Ein Hand- und Nachschlagebuch der Kulturgeschichte des deutschen Volkes, Leipzig 1885, 2.Bd., S.354-355)



 weiterführende Literatur und Quellen 
Zoepfl, Dr. Heinrich - Die Rulands-Säule. Eine rechtsgeschichtliche Untersuchung, Leipzig und Heidelberg 1861
Beringuir, R. / Schröder, R. - Die Rolande Deutschlands, Berlin 1890
Platen, P. - Der Ursprung der Rolandsbilder, Dresden 1899
Sello, G. - Der Roland zu Bremen, Bremen 1901
Heldmann, K. - Die Rolandsbilder Deutschlands, Halle 1904
Heldmann, K. - Rolandsspielfiguren, Richterbilder und Königsbilder, Halle 1905
Hoede, Dr. Karl - Deutsche Rolande Neue Fragen Neue Wege, Magdeburg 1934
Frölich, Karl - Stätten mittelalterlicher Rechtspflege auf südwestdeutschem Boden, besonders in Hessen und den Nachbargebieten, in: Arbeiten zur rechtlichen Volkskunde, Heft 1, Tübingen 1938
Jung, Erich - Germanische Götter und Helden in christlicher Zeit, München und Berlin 1939
Riebeling, Heinrich - Historische Rechtsmale in Hessen, 1988
Munzel-Everling, Dietlinde - Rolande. Die europäischen Rolanddarstellungen und Rolandfiguren, 2005
Munzel-Everling, Dr. Dietlinde - Rolande der Welt, Ergänzungen und Bestellmöglichkeit der interaktiven CD-ROM


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