[...] In Erlenbach am Main und in Neustadt im Odenwald finden wir noch heute
solche Marktkreuze. Da mit der Zeit der Handschuh zerfiel, schnitt man aus Blech eine Hand oder einen
Handschuh aus und befestigte diese am Kreuz, auch so, daß
die Hand nicht nach abwärts hing, sondern gewissermaßen aus dem einen Kreuzarm herauswuchs. Diese Art der Darstellung zeigt das Wappen von Stadtlauingen bei
Kissingen. Dieser Ort war 1484 von Rudolf von Scherenberg, dem Bischof von Würzburg, mit dem Stadtrecht begabt worden. Vordem hieß er Niederlauringen. Von
dieser Form der Darstellung des Marktkreuzes ist es nur ein kleiner Schritt zu einem figürlichen Denkmal: Anstelle des oberen Kreuzkopfes denken wir uns ein Bild
des menschlichen Kopfes und auch an dem andern Kreuzbalken noch eine Hand, die das Schwert hält, und fertig ist - der Roland. Die Rolandsfiguren in den
norddeutschen Städten sind also im Grunde nichts anderes wie vermenschlichte Marktkreuze. [...]
(Funk, Wilhelm - Von Flurdenkmälern im allgemeinen und den Flurdenkmälern um Neustadt a.d. Aisch im besonderen, 1940, S.12)
[...] Heute noch wird in westfälischen Städten, wie in Münster, zum Zeichen des Marktfriedens der Schwertarm am
Rathause ausgestreckt; die Rolande der niedersächsischen Städte, die Kennzeichen der Gerichtsstätte, halten das Schwert vor sich, nicht im Kampfe geschwungen,
sondern als das alte Sinnbild des Schwertgottes, der zugleich der Gott des Gerichts war. [...]
(Jung, Erich - Germanische Götter und Helden in christlicher Zeit, München und Berlin 1939, S.497)
[...] Die Erklärung des Runland als rothes
Land wird auch durch die letztere Annahme in keiner Weise erschüttert.
Ruland, als rothes Land aufgefasst, ist genau dasselbe
wie "rothe Erde", wodurch, wie allgemein bekannt, nach der westphälischen Vehmgerichts-Sprache der Platz bezeichnet
wurde, auf welchem die Hegung des Blutgerichtes Statt fand. Ein Rulandsbild, eine Rulands-Säule, columna Rulandi, ist daher eine Rothlands-Säule,
und dafür auch von dem Verfasser des Aufsatzes über den Ruland zu Halle in der Leipziger Illustrirten Zeitung, Jahrgang 1858 Nr.761, sehr richtig erkannt worden.
Eine Rothlands - Säule ist demnach eine auf dem rothen Land, der rothen Erde, d.h. auf der
Blutgerichtsstätte errichtete Säule, also eine Gerichtssäule, eine als
Wahrzeichen des Gerichtes errichtete Bild-Säule, also grammatisch genau dasselbe, als was wir den Ruland aus
rechtsgeschichtlichen Gründen bereits erkennen mussten. Es musste daher ursprünglich nothwendig "Rulands-Säule,
columna Rulandi" gesagt und muss diese Ausdrucksweise als die streng genommen allein
sprachrichtige und der Sache angemessene anerkannt werden; auch hat sich dieselbe notorisch bis zur Stunde
erhalten.
Da nun aber die auf dem rothen Land, der Blutgerichtsstätte aufgestellte Bildsäule, wie wir gesehen haben, regelmässig nicht nur den
Charakter einer Gerichtssäule, sondern auch einer Markt- and Mundats-Säule, überhaupt eines Wahrzeichens der gesammten städtischen Berechtigungen an sich
trug, so war sie, dies mit einem Worte zusammengefasst, auch Wahrzeichen des Weichbildrechts, wie schon Gryphiander
richtig erkannt hat; denn Weichbild ist, wie die Glosse zum sächsischen Weichbild (Ausg. v. Zobel, art.9.) sehr schön
bemerkt, "nichts anderes, denn des riches hofrecht", d.h. das einem Orte, Hofe, curia,
Dorfschaft, villa, von dem König oder Kaiser verliehene, ursprünglich nur von ihm zu erlangende Privilegium, als städtische
Gemeinde die städtischen Freiheiten zu geniessen. Die Rulands-Säule war sonach sogar im buchstäblichen Sinne selbst ein Weichbild,
d.h. im Weich oder Wich, dem Bannbezirke der Stadt, als Symbol des
städtischen Zwing- und Bannes oder der städtisches Gerichtsbarkeit und der übrigen städtischen Freiheiten errichtetes Bild,
wie dies auch schon Dreyer bemerkt hat und daher "Wykbild" erklärt als
"in vico civitatis posita imago".
Es konnte daher allerdings wohl die Rulands-Säule auch selbst "Weichbild" genannt werden, wie
Gryphiander berichtet, dass es seiner Zeit noch an manchen Orten geschehen sei. Somit rechtfertiget es sich allerdings, in der angegebenen Beschränkung, wenn er in
den Versen, welche er unter seine Abbildung der Rulands-Säule gesetzt hat, sagt: der Ruland sei "ex re" d.h. seiner
Bedeutung nach "Weichbildus" genannt worden, wobei freilich die abgeschmackte lateinische Endung besser
hinweggeblieben wäre! Schon vor ihm hatte Goldast diesen an sich ganz richtigen Gedanken ausgesprochen und den
Ruland als ein Weichbild in dem angegebenen Sinne erklärt, d.h. als eine "statua, per quam notatur, ibi esse forum publicum
causarum, jurisdictionem, locum iustitiae, districtum territorium, oder wie es die alten Teutschen eigentlich genennet haben, mallum publicum, ein Malstatt, da man
freikaiserlich Gericht hält". Auf diese Bedeutung der Rulands-Säule als Weichbild werden wir noch einmal bei der
Darstellung ihrer Beziehungen zu dem alten heidnischen Göttercultus der Germanen zurückkommen. [...]
[...] Die ächte Irmensäule war, wie wir auf das bestimmteste
wissen, ein "truncus ligni in altum erectus", wie der Schildpfahl, den die
deutschen Kaiser auf den roncalischen Feldern errichteten, wenn sie dort selbst ihren grossen Lehen - Gerichtstag hielten, und wie der Schwertpfahl,
der bei anderen deutschen Gerichten erwähnt wird: sollte man hiernach bezweifeln dürfen, dass die ächte hölzerne Innensäule auch ein solches Symbol trug, und zwar
jenes, welches dem Charakter des Gottes oder vergötterten Heroën, dessen Namen sie trug, d.h. des Er, Ers, des deutschen Mars, oder des mit ihm häufig
vermengten Heroën Irmin, entspricht, nämlich das Schwert, oder dass dieses zu gewissen Zeiten an ihr aufgehängt
wurde, da die bestimmtesten Zeugnisse darthun, dass das Schwert das Symbolum des deutschen Kriegsgottes war, der uns bald unter dem Kamen Er, Ers, Tyr,
Zio, Mors oder Mort, und Wich, Wig, sowohl im Süden wie im Norden von
Deutschland entgegentritt, und der gerade unter der Gestalt des Schwertes verehrt wurde? Insbesondere ist der Götzen-Name Wich
für den Ruland [Roland] und somit für die Rechtsgeschichte von Bedeutung, indem sich hiermit für die Erklärung des Wortes Wichbelde
oder Weichbild eine neue Bahn eröffnet, und dies sonach auch buchstäblich als Bild
des Kriegsgottes Wich, des deutschen Mars, aufgefasst werden kann. Das Wichbeiderecht
(Weichbildrecht) ist dann zunächst das Recht eines Ortes, ein Bild, d.h. überhaupt eine Säule des Wich, einen ihm
geweihten "truncus ligni in altum erectus", somit das Recht eine heidnische Opferstätte, Blut- und Kampfgerichtsstätte zu haben. Hiernach wäre die Bezeichnung
des Ruland [Roland] als Wichbelde sogar nur als eine Uebertragung des Namens der
alten heidnischen Opfer- und Gerichts-Säulen auf das neu in den Städten aufgestellte Bild des rothen Königs Otto II.
aufzufassen, und da Wich (wig, wic) von jeher nicht nur Weihe, sanctitas,
sondern (schon im Heliand) auch soviel wie pugna, bellum bezeichnete, so
würde in dem Wichbelde zugleich der Begriff einer Kampf-Säule liegen, und zwar in doppeltem Sinne, erstlich als Säule
zur Bezeichnung des Ortes, wo der Heerbann sich versammelt, wie dies auch bei dem lignum in altum erectum auf den roncalischen Feldern der Fall war, und zweitens
als Bezeichnung des Ortes, wo die gerichtlichen Kämpfe auszufechten sind, und gerade letzterer Begriff liegt, wie wir schon oben gesehen haben, in der Rulands - Säule. [...]
(Zoepfl, Dr. Heinrich - Die Rulands-Säule. Eine rechtsgeschichtliche Untersuchung, Leipzig und Heidelberg 1861, S.119-120, 151-152)
[...] Indem man ferner dem Pfahl, der Gerichtssäule, die das Gerichtswahrzeichen trug, allmählich, wenn gleich nur in
roher Form, menschliche Züge gab, entwickelten sich nach einer allerdings nicht unbestrittenen Meinung die als Zeichen der hohen Gerichtsbarkeit anzusehenden und in
dieser Eigenschaft durch das Schwert, vielfach auch durch den Königsschild, gekennzeichneten Rolande, die zugleich eine Verbindung mit der seit dem 11. Jahrhundert
Westeuropa ergreifenden Gottesfriedensbewegung zeigen. Der Ausdruck Roland habe dabei ursprünglich nichts mit dem
Paladin und Schwertführer Karls des Großen zu tun, der in Deutschland erst später durch das Rolandslied des Pfaffen Konrad in weiteren Kreisen bekanntgeworden sei.
Roland bedeute zunächst nichts anderes als dat rode oder - nach Ausstoßung des "d" - das roe Land, d.h. die Stätte der Ausübung der Blutgerichtsbarkeit. Für die
Herkunft der Rolande aus der alten Gerichtssäule spreche, daß noch eine Anzahl hölzerner, in ihrer Form an den ehemaligen Gerichtspfahl erinnernde Rolande erhalten
sei, daß auch die Rolande aus Stein sich in ihrer typischen, die Holzbearbeitung nachahmenden Aufmachung vielfach als Nachbildungen ehemaliger Holzfiguren
darstellten, daß ferner die Riesenhaftigkeit der Rolandsbilder noch an die alte Kultsäule gemahne, und daß endlich die Rolande nicht, wie man etwa im Hinblick auf die
Kenntnis der Karlssage annehmen könnte, eine städtische Eigentümlichkeit seien - sie seien ebenso in ländlichen Ortschaften vertreten. Und wenn die Rolande weiter
zuweilen als Freistätten gelten, so klinge auch darin der Gedanke an den Asylschutz der alten Gerichtsstätte nach, der mit dem Frieden des Ahnengrabs und dem
dadurch vermittelten Tabu des Richtplatzes zusammenhänge.
Das alte Gerichtswahrzeichen, das wir uns nach dem Gesagten ursprünglich in der Gestalt eines hölzernen Pfahles, einer einfachen Säule oder des Kreuzpfahls
auf einer Stufenpyramide von Stein vorzustellen haben, wirkt weiter nach in den Kreuzen, die, zunächst aus Holz und später aus Stein gefertigt, auf einem Stufensockel
stehend als Sühnemale an Wegen und auf alten Deichen errichtet werden.
(Frölich, Karl - Stätten mittelalterlicher Rechtspflege auf südwestdeutschem Boden, besonders in Hessen und den Nachbargebieten, in: Arbeiten zur rechtlichen Volkskunde, Heft 1, Tübingen 1938)
(auch: Riebeling, Heinrich - Historische Rechtsmale in Hessen, 1988, S.14)
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Der Roland zu Halle |
[...] Der Roland ist eine spezifisch deutsche und zwar
norddeutsche Erscheinung, eine meist jugendliche, vollgepanzerte Rittergestalt von riesiger Größe, barhaupt, das entblößte Schwert senkrecht nach oben in der Rechten,
einen Schild mit dem Reichsadler an der linken Schulter, in Haltung und Form von gesuchter Altertümlichkeit. So der berühmteste seiner Gattung, "Roland der Ries am
Rathaus zu Bremen steht er als Standbild standhaft und wacht".
Die Frage nach der Herkunft und Bedeutung der Bilder und des Namens ist etwa so heiß umstritten
wie die der Steinmetzzeichen, Rillen oder Stimmtöpfe. Auf den älteren Anschauungen von Grimm und Zöpfl fußend hat Platen mit großer Lebhaftigkeit die mythologische
Deutung erneuert. Viele Rolandsstätten seien Kultstätten Donars gewesen, ausgezeichnet durch eine "Irmensäule" mit dem Riesenbild des Gottes, welches als
glückbringendes Verkehrssymbol auf den Markt der anwachsenden Stadt verpflanzt und zunächst mit den alten Attributen, Keule und Hammer, von der Kirche geduldet,
seit der Bekanntschaft mit der französischen Rolanddichtung aber auf den berühmten Paladin Karls d. Gr. umgedeutet und ritterlich ausgestattet worden sei. So wenig
wie diese befriedigt die Meinung Sellos: In den neuen sächsischen Städtegründungen des 10.Jh. wie Magdeburg, Halberstadt, Quedlinburg habe man aus "Freude an
monumentaler Bildnerei" Königsbilder aufgestellt, die zunächst ohne Rechtsbedeutung vom Volke doch als Sinnbilder
städtischen Lebens aufgefaßt und bei späteren Stadtgründungen wie in Halle, Berlin, Hamburg als Merkmale der Stadtfreiheit nachgeahmt wurden. Man habe später, als
alles Große und Herrliche mit dem Namen Karls d. Gr. verknüpft wurde, die Bilder mit der Karlssage und mit Roland verbunden und sie im Kampf mit den Stadtherren als
Symbole der "Kaiserfreiheit" proklamiert, zuerst 1366 in Bremen, und ihnen mit der riesenhaften Größe die staatsrechtliche Bedeutung der Reichsunmittelbarkeit und den
Gattungsnamen "Roland" gegeben. Rietschel sieht sie umgekehrt als Zeichen der dauernden Gerichtshoheit des fürstlichen Stadtherrn an. Diese Meinung ist von
Heldmann erweitert und geklärt. Er findet zwei Stammväter der Rolandfiguren, zu Halle und
Bremen; von jenem stammt wesentlich die Form und Bedeutung, von diesem der Name und die höhere Prätension. Der Hallesche Roland ist das Bild des
Richters und zwar des obersten Stadtrichters, des Burggrafen von Magdeburg, wie er mit aufgerichtetem Schwert Frieden gebietet. Den Namen Roland hat er erst 200
Jahre nach seiner Errichtung erhalten und zwar von Bremen her. Der Bremer Roland ist ursprünglich wie die anderen alle eine Spielfigur. Das Rolandsspiel war eine
Übung der ritterlichen Stadtjugend. In Münster wurde z.B. nach einer drehbaren Holzfigur gestochen, die mitten auf dem Markt auf einer eisernen Säule stand; sie trug im
rechten Arm eine Scheibe, im linken einen Narrenkolben, und der Witz des Spiels bestand darin, mit einem Speer die Scheibe zu treffen und so rasch um die Figur zu
laufen, daß man dem Streich des Kolbens im linken Arm entwischte. Eine solche Spielfigur wurde 1366 in Bremen vom Stadtherrn verbrannt 1404 aber in Stein erneuert
und mit Schwert und Reichsadler versehen. Durch den Bürgermeister Johann Hemeling empfing sie unter mancherlei Urkundenfälschung die Deutung auf "die vryheit, de
Karl und mennich vorst vorwar derer stede ghegeven hat". Beide Beispiele wirkten nun zusammen, überall die Holzfiguren durch Steinstatuen zu ersetzen und die
Rolandstädte als Sitze selbständiger Stadt- oder höherer Landgerichte zu prätendieren, vereinzelt auch wie in Magdeburg den Roland als Urkunde städtischer Freiheit,
der Reichsunmittelbarkeit zu benutzen.
Die ältesten Rolande, so auch der hallische, scheinen Holzfiguren gewesen zu sein (Bremen 1366,
Hamburg 1375, Greifswald 1398), wie es auch Reste oder sichere Überlieferungen für Nordhausen, Potzlow in der Uckermark, Plötzky bei Magdeburg, Zehden in der
Neumark belegen. Sie waren transportabel (der der Lübecker Zirkelgesellschaft Anf. 17.Jh. auf Kufen), demnach auch nicht irgendwie an den Markt gebunden (in Elbing
auf der Brücke, in Jeßnitz auf einer Wiese), vielfach gewiß nur kunstlose Zimmermannsarbeit, das Ziel ein Brett oder eine Scheibe (Meldorf, Lübeck, Münster) oder wie
beim ältesten Magdeburger ein Schwert in der vorgestreckten Rechten. Das Maß überschritt jedenfalls nicht wesentlich die Höhe eines Reiters (2,60-3m). Diese
Merkmale finden sich noch an bäuerlichen Spielrolanden bis Mitte 19.Jh.
(Götzinger, Dr. E. - Reallexikon der Deutschen Altertümer. Ein Hand- und Nachschlagebuch der Kulturgeschichte des deutschen Volkes, Leipzig 1885, 2.Bd., S.354-355)