Deutschland Baden-Württemberg Kreisfreie Stadt Karlsruhe

Stupferich

PLZ: 76227

GPS: N 48° 57.750', O 8° 30.997'

Standort: An einem Feldweg, der von der Straße nach Kleinsteinbach nach Norden abzweigt.

Größe / Material: 90:97:22 / Buntsandstein

Geschichte: Langer, schmal wirkender Querbalken. Kopf- und besonders Schaftansicht sind betont. Zeichen: Große Pflugschar mit hohem Schaft, nach unten gerichtet. Inschrift: 1733 im oberen Kopfteil. Im Querbalken, rechts und links der Pflugschar, in gotisch geschriebenen römischen Zifferngruppen 14 / 74. Die Form des Kreuzes paßt eher zur Jahreszahl 1733. Auf dem linken Arm kleine rundliche Vertiefung. (Losch 1981)

Feldkreuz bzw. Sühnekreuz (Kopie?), an einem Feldweg, der von der Straße nach Kleinsteinbach nach N abbiegt. Kreuz aus rotem Sandstein; auf dem Querbalken Jahreszahl, geteilt durch Pflugschar in der Mitte; oben auf dem Kopfbalken Renovierungsdatum. H. 110, B. 98, T. 20, Bu. 8,7cm. Gotische Minuskel.
m • cccc          Ixxiiii
Angesichts des guten Erhaltungszustandes und der für spätgotische Zeit etwas ungewöhnlichen Bildung der Buchstaben, deren "Füße" nach der Brechung aufwärts gebogen sind, wäre zu erwägen, ob es sich nicht um eine Kopie aus dem oben eingehauenen Jahr 1733 handelt. (Kdm Baden 1937)

Sage: Ein Mann sei unter den Pflug gekommen, als die Pferde scheuten.

Quellen und Literatur:
Losch, Bernhard - Sühne und Gedenken. Steinkreuze in Baden-Württemberg, Stuttgart 1981
Hentschel, Karl-Heinz - Die Problematik alter Steinkreuze
Kunstdenkmäler von Baden, 1937, IX 5, 205
Seeliger-Zeiss, Anneliese: Die Inschriften des Großkreises Karlsruhe, 1981, S.39, Ziff.70



Die Problematik alter Steinkreuze
von Karl-Heinz Hentschel, Karlsruhe

In der im Mai 1986 erschienenen „Ortsgeschichte Stupferich" werden auf den Seiten 226-230 die Kreuze und Bildstöcke der Gemarkung beschrieben. Die Ausführungen zu dem alten Steinkreuz im Gewann "Holderäcker" stützen sich dabei vorwiegend auf ältere Veröffentlichungen, die mittlerweile einiger Ergänzungen und Korrekturen bedürfen. So nennt die Chronik für die Zeichen der Kreuzarme unzutreffende Jahreszahlen. Ohne Zweifel sind diese Daten auf eine Arbeit von O.A. Müller in „Mein Heimatland", 17. Jahrgang 1930, S. 217, zurückzuführen. Müller wertete ein nur schwach sichtbares Zeichen nicht und war sich bei einem weiteren unsicher. Die in gotischen Minuskeln wieder gegebenen Ziffern stehen weder für 1324 noch 1424, sondern für das Jahr 1474. Bei der erstgenannten Jahreszahl blieb das letzte kleine "c" im linken Balken unberücksichtigt. In die Datierung 1424 ging es dann ein. Das für die Zahl 50 eingerillte "L" im rechten Balken wurde jedoch auch hier nicht beachtet. Selbst der Steinmetz, der vor Jahren das Kreuz und alle Zeichen überarbeitete, ließ es aus. Offenbar hielt er den nur schwach ausgeprägten "L-Strich" für eine Beschädigung der Steinoberfläche. Übrigens berichtigte Müller in "Bestandsaufnahme der Steinkreuze in Mittelbaden" seine früheren Angaben. Es überrascht kaum, daß die ganze Zahlenreihe durch die enge Verbindung gleicher Minuskeln oft als eine unleserliche Inschrift angesehen wird. Für das Foto unten wurden die Zeichen dunkel nachgezogen und damit hervorgehoben. Die gotischen Kleinbuchstaben sind wie auf Abbildung 1 lesen:

Die im Kopfteil des Kreuzes in arabischen Zahlen eingeschlagene Jahreszahl 1733 ist vermutlich ein Renovationsdatum. Der sehr gute Zustand des Kreuzes spricht für eine Neufertigung im 18. Jahrhundert. Dafür fanden sich aber bislang keine Unterlagen. Nach der mündlichen Überlieferung soll am Standort des Kreuzes ein Bauer tödlich verunglückt sein. Demzufolge wäre es kein Sühnekreuz, was schon behauptet wurde, sondern ein Gedenkkreuz.
Das im Mittelteil des Kreuzes ausgearbeitete Zeichen stellt zweifellos eine Pflugschar dar. In der "Ortsgeschichte" finden sich für dieses Symbol gleich mehrere Deutungen. So erfahren wir auf Seite 227, es sei ein kräftiges Pflugeisen oder das Sech. Dem Pflugeisen wird nicht widersprochen, aber ein Sech ist das lange, etwas gebogene, am Pflugbaum eingepflockte Messer. Es schneidet vor der Pflugschar die Erde und hat mit unserem Zeichen keine Ähnlichkeit. Die Darstellung ist die auf den Hakenpflug zurückgehende Schar, wie wir sie aus den Miniaturen des 15. Jahrhunderts kennen. Selbst auf den Durlacher Fayencekrügen (Bild) des 18. und 19. Jahrhunderts ist die Pflugschar der badischen Kehrpflüge noch in dieser Weise wiedergegeben.
In der Chronik wird das Kreuz zunächst als das Symbol einer Friedgrenze gedeutet. Diese Aussage stützt sich auf die Arbeit von Fr. Messmer im "Durlacher Tagblatt" vom 20.8.1938. In dem Aufsatz beschreibt der Autor die Pflugschar als ein Wappen mit Krone und sieht darin das Zeichen des Landesherrn, Markgraf Bernhard I. Dieser Markgraf starb aber schon im Jahre 1431, also vor der Erstellung des Kreuzes. Messmer folgert auf Grund des von ihm angenommenen Wappens, daß der Ort die Marktrechte besaß und daß das Kreuz deshalb ein Friedkreuz sei. Was er aber als Krone über einem Wappen ansah, ist die Tülle am hinteren Ende der Pflugschar. In sie wurde der Schaft der hölzernen Pflugsohle eingeführt und so die Schar mit dem Pflugbaum verbunden. Die mit den Marktrechten genannten Friedkreuze bedürfen einer Erklärung. Das Wahrzeichen der Märkte, vermutlich eines der ältesten öffentlichen Hinweiszeichen, war das Friedkreuz. In den Bilderhandschriften des Sachsenspiegels sind sie als Holzkreuze dargestellt, die auf dem Marktplatz den "St. Peter- oder Gottesfrieden" verkünden. Der an dem Kreuz aufgehängte Königshandschuh galt als das sichtbare Zeichen der Marktfreiheit und des Marktfriedens. Der Marktfriede erlaubte den Marktbesuchern freien Zutritt und gewährte verstärkten Schutz. An Marktgängern innerhalb des Friedbezirkes verübte Straftaten wurden hart bestraft. Ungefähr seit dem 11. Jahrhundert galt das Marktrecht für alle Bewohner des Marktortes und reichte in der Regel bis zum ersten Meilenstein. Von diesem wiederum dehnte sich der Friedkreis aus. Der Radius von einer Meile um den Ortsmittelpunkt beschrieb die Bannmeile. An den Grenzen der Städte und Marktorte zeigten im Mittelalter die Friedkreuze das sogenannte Weichbild an, das Gebiet, in dem Friedbruch und Gewalttätigkeiten verschärften Strafen unterlagen. In einer Dissertation des Jahres 1710 schreibt H. Hildebrand: "Weichbild, quasi ein Bild, dem man weichen soll."
Die gleiche Auffassung vertritt Beck 1738 im Recht der Grenzen.
Aus alten Urkunden der Stadt Freiburg i.Br. ist zu entnehmen, daß im Jahre 1368 an der Stadtgrenze 19 Friedkreuze standen. Eine Bestimmung aus dieser Zeit lautet: "Wem ouch die stat zu Friburg verboten... der soll ouch für alle krütze us, und uswendig belieben, als lange das gebot ist." Eines dieser Freiburger Friedkreuze blieb uns erhalten. Es ist ein 126cm hoher und 70cm breiter Sandsteinblock, der beiderseits ein erhabenes Kreuz zeigt. Die gleichlangen Kreuzbalken erweitern sich an den Enden und ähneln den Balken eines Tatzenkreuzes. Die Entstehung dieses Friedkreuzes, das heute im Technischen Rathaus der Stadt Freiburg steht, wird um 1300 angesetzt. Derart reliefartig ausgeführte Kreuze werden zur Unterscheidung von anderen Kreuzen als "Kreuzsteine" beschrieben. Das Stupfericher Kreuz entspricht nicht den uns bekannten Friedkreuzen des süddeutschen Raumes und der Schweiz. Überdies zeigen sich weder an dem Freiburger Friedkreuz, noch an einem solchen aus Basel, weltliche Symbole oder Jahreszahlen. Auch spricht die frühere herrschaftliche Teilung des Orts nicht für ein verliehenes Marktrecht.
Die Chronik berichtet weiter, daß Scharfrichterwerkzeuge, wie Hammer, Rad und Richtschwert die Zeichen der Friedkreuze gewesen seien. Hierzu ist eine Stellungnahme schwierig. Oft standen an den Stadtgrenzen gleichfalls "Obrigkeits- und Gerichtssteine", wie auch "Freihungssteine". Letztere markierten die Asylgrenzen. In einer Tübinger Abhandlung des Jahres 1782 heißt es hierzu: "Freihungssteine werden gewöhnlich mit einem Beil und abgehauener Hand oder kaiserlichem Wappen, oder einem Handschuh nebst der Jahreszahl, und dem Wort ,Freiheit' bezeichnet." Das Schwert an den „Obrigkeitssteinen" zeigte an, daß sich an ihnen zwei Blutgerichtsbezirke berührten. Beim Volk waren dies die „Malefizsteine", da an solchen die Gefangenen übergeben wurden. In Oetingers "Tractatur de jure..." von 1670 findet sich der Hinweis, daß an Weichbildgrenzen der Städte in alter Zeit hölzerne Kreuze standen, an denen eine Faust und ein Schwert die Grenzen der Gerichtsbarkeit über Hals und Hand anzeigten. Es scheint sich aber dabei nur um die hohen Holzkreuze zu handeln, die vielfach in alten Städteansichten vorkommen.

Geradezu absurd ist der Gedanke, das alte Stupfericher Kreuz als heidnisches Symbol zu interpretieren und in ihm den Hammer des Donnergottes Thor zu sehen. Solche Behauptungen fanden um 1900 Eingang in das Schrifttum und sind anscheinend nicht auszuräumen. Wie schon bemerkt, wurde das Zeichen im Mittelfeld des Kreuzes in der "Ortsgeschichte" noch als Sech gedeutet. Ein Sech ist an Steinkreuzen recht häufig. Es wird wegen seiner schlanken Form nicht selten als Messer angesehen und als die Mordwaffe erklärt. Kleine Kreuze (Steinkreuze) gelten heute, unabhängig von den daran vorgefundenen Zeichen, meist als Mord- oder Sühnekreuze. Zweifel an dieser Verallgemeinerung sind artgebracht. Sühnekreuze lassen sich bis in das 13. Jahrhundert nachweisen. Als Mahnmale für einen Mord oder einen Totschlag waren sie, neben manchen anderen Auflagen, Teil einer Kirchenbuße. Außer den "Mordwerkzeugen" finden sich gelegentlich Berufszeichen an diesen Kreuzen, die Auskunft über den Beruf eines Erschlagenen geben können. So ist an einem Steinkreuz im Landkreis Pforzheim, zwischen Tiefenbronn und Mühlhausen, ein Weberschiffchen angebracht. Seine Inschrift lautet: "1596 Den 8 Tag Februario An dise Ort wart erschlagen JERG PFEFFELIN von Mercklingen Das thur ich klagen."
Kaum bekannt ist die Tatsache, daß an den Landes­ und Gemarkungsgrenzen bis in das 17. Jahrhundert Kreuze vorkamen. Wie wir wissen, gehörte der Ort Stupferich von 1296-1526 zur Hälfte dem Kloster Herrenalb. Es ist denkbar, daß die Besitzgrenzen des Klosters an manchen Stellen mit Grenzkreuzen angezeigt wurden. Die Pflugschar, das Berufszeichen des Bauern, ohnehin auch ein Symbol der Grenzen, ist gut mit diesem Gedanken zu verbinden. Vielleicht läßt sich eines Tages mit Unterlagen des ehemaligen Klosters Herrenalb, oder aus Gemeindeakten des Jahres 1733 die Geschichte des Kreuzes erhellen.


Sühnekreuze & Mordsteine