PLZ:
74594GPS:
N 49° 9,060', O 10° 10,180'Standort:
Von Kreßberg-Mariäkappel aus kommend am Ortseingang, links in einer Grünflache an der Ortsdurchfahrt, Trutenbachstraße.Größe / Material:
Geschichte:
Das Steinkreuz ist als Ersatz für ein verlorengeganges / zerstörtes (bei Restaurierungsversuch) 2004 neu gesetzt worden.Sage:
Ein Hirte soll erschlagen worden sein.Quellen und Literatur:
Manche Geschichten sind ganz einfach lange Geschichten. Die folgende ist so eine. Pünktlich zum 925. Ortsjubiläum von Wüstenau ist
ein Sühnekreuz in seine alte Heimat zurückgekehrt. Ein Glück, dass sich überhaupt noch jemand an die Vorgänge erinnert hat...
Wüstenau Begonnen hat die Geschichte vor 35 Jahren mit dem Interesse des Brettenfelder Historikers Georg Lederer an Sühnekreuzen, jenen
mittelalterlichen Symbolen für eine heute archaisch anmutende Justiz, die in ihrer damaligen Zeit weit verbreitet war und meist für ungewollte Tötungen Zeugnis
ablegte. 53 Sühnekreuze listete Lederer um 1970 in einer Serie des Hohenloher Tagblatts im "Frankenspiegel’’ für den Altkreis Crailsheim auf. 25 weitere, so Lederer
damals, seien bekannt, aber nicht mehr auffindbar.
So weit, so gut. Bis der Lehrer Joachim Schülke auf den Plan trat. Der kannte ein weiteres, bei Lederer nicht erwähntes Sühnekreuz - am Ortseingang von
Wüstenau, wo Schülke damals wohnte. Es stand versteckt im Krautgarten auf Bauer Ehrmanns Hof. Schülke nahm Kontakt zum Autoren auf, beide besichtigten
das Kreuz und stellten fest, dass es schwer beschädigt war. Davon erfuhr über Lederer der junge Steinmetzmeister Horst Herzig aus Rot am See. Er versprach sich
Folgeaufträge aus der Region und erklärte sich spontan bereit, das Wüstenauer Sühnekreuz zu reparieren sowie fehlende Teile aus grobkörnigem, gelbem Sandstein
zu ersetzen.
Das allerdings sollte sich als unmöglich erweisen. "Dann fertige ich eben ein neues Kreuz und stifte es der Gemeinde", beschloss Herzig kurzerhand. Es sollte
in Größe und Aussehen dem Original gleichen. Warum das wenige Wochen später fertig gestellte Kreuz nie gebracht oder abgeholt wurde, ist bis heute Fakt und
Geheimnis zugleich.
Als sich jetzt im Frühjahr die Wüstenauer anschickten, ihr Dorfjubiläum vorzubereiten, kam ein Zufall zum anderen. Zur Einladung an den früheren Mitbürger
Joachim Schülke und Frau gesellte sich parallel die Anfrage einer früheren Schülke-Schülerin, ob er nicht beim "Frauenfrühstück" einen Vortrag über Sühnekreuze
halten könnte.
Plötzlich war Schülkes Jagdfieber erwacht. Er erinnerte sich beim Blättern im Privatarchiv an die Geschichte des Wüstenauer Sühnekreuzes, entdeckte zufällig in
einem Buch sogar den Original-HT-Artikel von 1970, in dem von der Herzigschen Stiftung die Rede war, und nahm Kontakt zum Steinmetz in Rot am See auf. Siehe
da: Nach eifrigem Forschen bestätigte der mittlerweile zum Landesinnungsmeister aufgestiegene Herzig, dass es das Sühnekreuz eigentlich noch auf dem
Betriebsgelände geben müsste - so es nicht der Sohn weggegeben habe. Doch auch von dieser Seite kam bald Entwarnung und die Herzigsche Ankündigung: "Das
habe ich damals schon gestiftet - wenn es also nicht mehr existieren sollte, mache ich nochmal ein neues Kreuz."
Was aber gar nicht nötig war, weil der stumme Zeitzeuge tatsächlich gefunden wurde. Leicht ramponiert zwar, aber sonst in voller, schlichter Schönheit. In Wüstenau
erhält das neue-alte Sühnekreuz nun einen Ehrenplatz. Am Ortseingang von Mariäkappel her ist es auf einem Betonsockel auf Gemeindegrund aufgerichtet - in Sichtweite
zum früheren Standort. Und das ist auch gut so, denn die historische Verbindung sollte genauso gewahrt bleiben wie der öffentliche Zugang. Schon zu ihrer Zeit wurden
Sühnekreuze stets an stark frequentierten Wegen errichtet, um möglichst vielen Passanten ein stilles Gebet für Sünder wie Opfer abzuringen.
Der geschichtliche Hintergrund des Wüstenauer Steinkreuzes ist ungewiss. Keiner weiß, welch grausliche Bluttat mit dem Errichten gesühnt werden sollte. Denn
das war der Sinn solcher Kreuze: Private Sühne in einem quasi rechtsfreien Raum für Rechtsbrüche wie Totschlag oder fahrlässige Tötung - bis weit ins 16. Jahrhundert
hinein zumeist beurteilt von Vertretern der Kirche. Die Alternative wäre Blutrache gewesen. Nur für Mord, da war die "Herrschaft" zuständig.
Am kommenden Wochenende wird in Wüstenau zünftig gefeiert.
(Hohenloher Tagblatt, Regional-Ausgabe Crailsheim, 25.08.2004, S.19)