Deutschland Hessen Schwalm-Eder-Kreis

Gudensberg (I)


Abbildung bei
Riebeling (1977)

PLZ: 34281

GPS: N 51° 10,970', O 9° 23,433'

Standort: Am Abzweig der alten Straße nach Kassel mit der Straße nach Dissen.

Größe / Material: 90:66:26 / Sandstein

Geschichte: Das eindrucksvolle, angewitterte Steinkreuz steht auf einem aus Basaltsteinen aufgerichteten Hügel unter einer weit sichtbaren Baumgruppe. Es wird das "Kasseler Kreuz" genannt.

Sage: Die Stadt Gudensberg wurde 1387 hart belagert. Die Bürger waren wachsam, der Feind konnte die Stadt nicht gewinnen. Ein Bürger von Gudensberg aber übte bösen Verrat: er ging zum Feind und versprach, gegen eine hohe Geldsumme die Stadt in Brand zu stecken. Nach einigen Tagen brach während der Nacht in der Hintergasse Feuer aus. Die Bürger eilten zum Löschen, die Mauern waren nur schwach besetzt, die Feinde erstiegen die Mauer und eroberten die Stadt. Der Verrat wurde aber bekannt. Der Verbrecher floh, wurde aber auf der Kasseler Strecke eingeholt und sofort hingerichtet. Es wurde ihm die Zunge aus dem Hals gerissen und dann wurde er lebendig begraben. Das Kreuz bezeichnet die Stätte, wo er gerichtet und begraben wurde. Die Feldlage "am Kreuz" wird 1542 genannt. (Riebeling 1977)

   An der Strasse, die von hier nach Cassel führt, da wo die Wege nach Deute und nach Dissen abgehen, steht ein uraltes steinernes Kreuz auf einem grabähnlichen Erdhügel, das sog. Casseler Kreuz. Die Sage erzählt, dass einmal der Feind vor unserer Stadt lag und konnte sie nicht gewinnen. Da schlich sich ein Bürger hinaus in das Lager der Feinde und erbot sich, die Stadt in Brand zu stecken, wenn ihm ein reicher Lohn dafür werde, und der Pakt wurde geschlossen. Als es Nacht war, loderte plötzlich in der Hintergasse die Flamme auf; der Feind benutzte die Verwirrung, erstieg die Mauern und Gudensberg fiel in seine Gewalt.
   Aber der Verrat kam später an den Tag, und der Verräter, der entfliehen wollte, wurde am Scheidepunkte der drei Wege auf der Casseler Strasse eingeholt, die Bürger rissen ihm die Zunge aus dem Hals und begruben ihn lebendig an der Stelle, wo jetzt das Kreuz steht.
   So habe ich im wesentlichen in meiner Jugend die Sage gehört92). Grab und Kreuz, die noch vorhanden, lassen eine wirkliche Begebenheit nicht wegleugnen. So könnte die verräterische That nur in jener verhängnisvollen Nacht des 2. zum 3.September 1387 begangen sein93). Denn es unterliegt keinem Zweifel, dass Landgraf Hermann, wie in Cassel, so auch in Gudensberg eine Partei in der Bürgerschaft gegen sich hatte. Da wir wissen, dass unsere Stadt sich neun Jahre zuvor an der Einung der niederhessischen Städte gegen die willkürliche Besteuerung Landgraf Hermanns ebensowohl wie an der nachfolgenden Erstürmung des Casseler Schlosses beteiligt hat, so wird uns der Verrat eines unzufriedenen Bürgers allhier nicht mehr befremden als die im Jahre 1391 erfolgte Hinrichtung jener Casseler Bürger, die Landgraf Hermann auf die Denunciation eben des Eckebrecht von Grifte, der hier Amtmann war, vornehmen liess. (Brunner 1897)
92) Lyncker, der sie in seinen hessischen Sagen S.185f. auch mitteilt, meint ein anderes steinernes Kreuz, dessen ich mich wohl erinnere; doch war es auf einem grösseren Steine erhöht ausgehauen. Ich habe in meiner Jugend nur von dem sog. "Casseler Kreuz" gehört, dass darunter ein Verräter mit ausgerissener Zunge (nicht, wie Lyncker sagt, mit abgeschnittenen Ohren und ausgestochenen Augen) begraben liege. Lyncker, der überhaupt mehr als gut ist seine Sagen durch allerlei unnützes Beiwerk glaubte aufputzen zu müssen, redet vom dreissigjährigen Kriege. Davon weiss die Sage selbst, soviel mir bekannt, nichts; möglicherweise hat sein Gewährsmann die Begebenheit in den letzten grossen Krieg verlegt.
93) Das Kreuz ist viel älter als der 30jährige Krieg. Wenn aber die Sage gleichzeitig berichtet, die Stadt Gudensberg sei ehedem viel grösser gewesen u.s.w., so kann hierin sehr wohl eine Erinnerung an die i.J. 1387 untergegangene Neustadt, die sog. Freiheit, erhalten sein.

Quellen und Literatur:
Brunner, Dr. Hugo - II. Die Geschichte der Stadt Gudensberg und des Landgerichtes Maden, in: Mittheilungen an die Mitglieder des Vereins für hessische Geschichte und Landeskunde, Kassel 1897, S.109
Riebeling, Heinrich - Steinkreuze und Kreuzsteine in Hessen, 1977, Nr.4822.1
recherchiert und bebildert von Thorsten Pirkl, Petersberg



Gudensberg (II)


Blick zum Standort

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Foto: Preuß (2011)

Foto: Preuß (2011)

GPS: N 51° 11.090', O 9° 22.207'

Standort: Direkt am westlichen Ausgang der Autobahnunterführung an der Böschung.

Größe / Material: 68:43:11 / Sandstein

Geschichte: Kleiner, recht unscheinbarer Kreuzstein mit beidseits erhaben ausgearbeitetem lateinischem Kreuz. Die Rückseite ist aufgrund des starken Bewuchses nicht einsehbar. Der Stein ist recht stark verwittert.

An der Straße nach Besse neben einer Feldscheune unweit der Autobahn-Überführung. Der Kreuzstein ist beschädigt und trägt beidseitig ein erhabenes Kreuz von 5cm Balkenbreite. Beim Ausbau der B3 zur Autobahn wurde der Stein gesichert; er steht heute wieder am alten Ort. Überlieferungen sind keine bekannt. (Riebeling 1977)

Sage: An dem Wege, welcher von Gudensberg nach Besse führt, zwischen der Stadt und dem Odenberge, steht ein altes, kaum noch erkennbares steinernes Kreuz, auf dem vor nicht gar langer Zeit noch eine unleserliche Inschrift zu sehen gewesen sein soll. Davon geht folgende Sage:
   Im dreißigjährigen Kriege lag einmal der Feind vor der Stadt - die ehemals viel größer war als jetzt und bis zum Odenberge sich ausdehnte - und konnte sie lange nicht gewinnen. Da schlich sich eines Tages ein Bürger zum feindlichen Heerführer und erbot sich, die Stadt in Brand zu stecken, wenn ihm ein reicher Lohn dafür werde; und Beide schlossen darauf einen Pakt miteinander. Als es dunkel wurde, stiegen plötzlich in verschiedenen Straßen zugleich blutrote Flammen auf; der Feind benutzte die Verwirrung, die alsbald unter den bestürzten Bürgen entstand, erstürmte die Maueren und Gudensberg fiel ohne Widerstand in seine Gewalt.
   Aber den schändlichen Verräther erreichte nachmals das verdiente Loos, denn ein Zufall brachte es an den Tag, daß die Stadt durch ihn in dieses Unglück gekommen. Sein böses Gewissen trieb ihn zur Flucht; allein schon am Odenberge wurde er eingeholt; seine ergrimmten Mitbürger fielen über ihn her, stachen ihm Augen und Ohren aus und begruben ihn dann lebendig an der Stelle, wo das alte Kreuz steht. Mündlich. (Lynker 1860)

Zu dieser Sage hat Hugo Brunner (1897) in einem Vortrag seine abweichende Meinung, die Sage gehöre zum Kasseler Kreuz (Gudensberg I) vertreten. In der Anmerkung 92) wird Lynker sogar unwissenschaftlich herablassend, polemisch kritisiert:
92) Lyncker, der sie in seinen hessischen Sagen S.185f. auch mitteilt, meint ein anderes steinernes Kreuz, dessen ich mich wohl erinnere; doch war es auf einem grösseren Steine erhöht ausgehauen. Ich habe in meiner Jugend nur von dem sog. "Casseler Kreuz" gehört, dass darunter ein Verräter mit ausgerissener Zunge (nicht, wie Lyncker sagt, mit abgeschnittenen Ohren und ausgestochenen Augen) begraben liege. Lyncker, der überhaupt mehr als gut ist seine Sagen durch allerlei unnützes Beiwerk glaubte aufputzen zu müssen, redet vom dreissigjährigen Kriege. Davon weiss die Sage selbst, soviel mir bekannt, nichts; möglicherweise hat sein Gewährsmann die Begebenheit in den letzten grossen Krieg verlegt.

Quellen und Literatur:
Lynker, Karl - 259. Gudensberg wird verrathen., in: Deutsche Sagen und Sitten in hessischen Gauen, 2.Ausgabe, Cassel 1860, S.185-186
Brunner, Dr. Hugo - II. Die Geschichte der Stadt Gudensberg und des Landgerichtes Maden, in: Mittheilungen an die Mitglieder des Vereins für hessische Geschichte und Landeskunde, Kassel 1897, S.109, Anm.92
Riebeling, Heinrich - Steinkreuze und Kreuzsteine in Hessen, 1977, Nr.4822.2
recherchiert und bebildert von Martin Wittwar, Hermannrode (Fotos von April 2009)
Ergänzungen von Jürgen Preuß, Gudensberg (Fotos vom 21.02.2011)


Sühnekreuze & Mordsteine