Im Lindenschatten träumt ein Kreuz von Stein,
Uralter Arbeit, ernst, geheimnisvoll,
Denn nicht mehr zu entziffern ist die Schrift
Der fast zerstörten, runenhaften Lettern. -
Barmherzig haben Regen, Schnee und Sturm
Die Inschrift ausgelöscht, und es vergaß
Das Dorf die schwere Tat, die hier geschah. -
Wie oft schon fand beim Lindenblütenduft
Sich junges Volk hier treu verliebt zusammen,
Und niemals ward ein liebend Paar erschreckt
Durch blutigen Gespensterspuk - es schläft
Zu tief der Herzog, den man hier erschlagen.
Wie schön der goldene Herbsttag mich umwebt
Im Lindenschatten unterm Kaiserkreuz! -
Der alte Heerweg steigt bergab zur Schwalm,
Die vor mir aus den blauen Bergen bricht.
Zur Linken breitet sich das Wiesental,
Und an der Stockelacher Mühle blinkt,
vom Silbergrün des Weidichts halb versteckt,
Das Wehr. Ein Habicht kreist im Himmelsblau,
Flußaufwärts schwebend, und quer übern Weg,
Dort, wo die Schwalm der Hundsburg Fuß umspült,
Schwingt er plötzlich seitwärts ab zum Horst.
Und dieses Tal, wo still im Herbstesglanz,
Durchspähten einst blutgier'ge Mörderaugen;
Als dort am Fuß der Hundsburg Staub sich hob
Und Waffen blitzten und die Kavalkalde
Des Herzogs raschen Hufschlags näher kam,
Da lockerte in Hohlweg und Gehölz
Am Rand des Heerwegs die verwegne Rotte
Der Mainzer in den Scheiden Schwert und Dolch.
Die Reiter reckten sich im Bügel auf,
Zum Stoß gesenkt der Lanzen starrend Gatter.
- Und dann ein Pfiff wie gellender Habichtschrei,
Und donnernd, wie ein Bergstrom brach's hervor,
Der sich vernichtend in die Täler stürzt. -
Schnell ist des Herzogs bunter Hauf zersprengt,
Und an ihm selbst, wie Rüden an dem Keiler,
Hängen schon drei - vier ! - fünf ! verbissen fest.
Er wehrt verzweifelt sich, doch zerren sie
Unritterlich vom Streithengst ihn herab.
Er fällt im schweren Sturz, und wie er ringt,
Sich wieder aufzurichten, trifft ihn jäh
Ein tück'scher Dolchstoß durch des Panzers Fugen.
- Des Reiches Diadem hatt' er erträumt,
Nun krönt ihn hier der Tod mit dunklen Rosen,
Und Braunschweigs edler, ritterlicher Herr
Liegt, feig erschlagen, in dem blut'gen Staub. -
Ein dunkler Wolkenschatten eilt durchs Tal
Und trübt sein schönes Bild; - ein kühler Hauch
Durchfröstelt mich, und wie ein Stöhnen bebt
Es durch der Linden schauerndes Geäste.
Doch sieghaft bricht die Sonne wieder durch,
Und neu belebt erblüh'n der Landschaft Farben.
- Hinweg, du wilde, schreckvolle Tat!
Hinweg ins Dunkel einer trüben Zeit,
Die längst versank! - Du schöner, blauer Fluß
Durchströmte segnend immerdar dies Tal!
Ihr Wiesen grünt, ihr Felder wogt von Korn,
Ihr Wälder rauscht ein ew'ges Friedenslied!
Und ihr zwei Linden raunt noch manchem Paar
Leis flüsternd nun noch holder Liebe Glück,
Die arglos euerm Schutz sich oft vertraut! |