Deutschland Mecklenburg-Vorpommern Lkr. Nordwestmecklenburg

Schimm


Abbildung bei
Schlie (1899)

PLZ: 23972

GPS:

Standort: Am Kirchwege von Schimm nach Jesendorf als Kopie, der Originalstein steht heute in der neuerrichteten Sakristei der Kirche von Jesendorf, dem Nachbarort von Schimm. Während des Tansportes war er wohl leider einmal zerbrochen.

Größe / Material: 230 (300):57:16 / gotländischer (schwedischer) Muschelkalk

Geschichte: Linker Hand an dem Kirchwege von Schimm nach Jesendorf steht ein sehr großer Denkstein. Auf der vorderen Fläche ist der Grund im Kopfe und die obere Hälfte des Körpers des Steines so vertieft, daß noch ein Rand stehen geblieben ist, dessen Breite der Dicke des Steines etwa gleicht. Auf der vertieften Fläche ist ein Gekreuzigter erhaben dargestellt, zu dessen Füßen ein Betender mit einem rechts gelehnten Wappenschilde vor und einem Spruchbande über sich knieet. Auf dem Spruchbande erkennt man das Wort dei (= dei). Die Inschrift beginnt etwas unterhalb der Vertiefung und läuft rings um dieselbe herum. Sie lautet:
Anno domini mccccix in die trini-
tatis obiit dominus Nicolaus Vinke pro-
consul ciuitatis Wismaryensis, Orate pro eo.

Im Jahre des Herrn 1409 am Dreifaltigteits-
tage (2. Juni) starb Herr Nicolaus Vinke, Bürger-
meister der Stadt Wismar. Betet für ihn.
Die hintere Fläche des Steines anlangend, so ist der Kopf gleichfalls hier vertieft, aber es erweitert sich die Vertiefung abwärts vom Halse parallel dem Rande, wie es auf der Vorderseite der Fall ist, nicht, sondern sie behält die Breite, welche sie an der engsten Stelle des Halses hat, und geht das oberste Drittel abwärts. Ungefähr das zweite Drittel nimmt eine mit einem Stichbogen geschlossene, sonst rechteckige Vertiefung ein. In der oberen ist wieder ein Crucifix ausgespart, in der unteren ein Betender mit seinem Wappen vor sich. Dasselbe besteht (wie vorne) aus einem rechts gelehnten, unten abgerundeten, quer getheilten Schilde, während der Helm ein etwas ausgeschweiftes vierseitiges, mit Federbüscheln auf den drei freien Ecken verziertes und die Schildtheilung wiederholendes Schirmbrett zeigt.
Es ist also hier der Sterbeplatz des wismarschen Bürgermeisters Nicolaus Vinke, mithin der Stein von den bis jetzt bekannten nächst dem wittenburger und dem für den Domprobst Thomas Rode der historisch merkwürdigste. Dazu kommt, daß sich auch die Art seines Todes angeben läßt, nämlich Mord, und die Namen der Thäter aufbewahrt sind, denn es findet sich in dem wismarschen Liber proscriptorum S. 65 unter dem Jahre 1409 folgende Eintragung:

Clawes Surowe heft vorvested her Otte Vereggen, her Hinrik Reuentlowen, ryddere, her Hinrik Witten, borgermestere to Rostke, Henneke Moltken to deme Strytuelde, Henneke Moltken to Zuwan, Woldemer Moltken, Otte Vereggen, Euerd Moltken, Jurges Moltken, Hartich Reschynkel, Henneke Reuentlowe, knapen, vnde alle ere medehulpere, de se bevragen konen vmme den mord vnde vmme den rof, den se hebben daen in her Vynke vnde in synen vrunden; de he myt sic hadde vp deme velde, dar se vmme synt vorwunnen myt alme Lubeschen rechte.

Nicolaus Vinke wurde (Schröders K. B. S.37) im Jahre 1399 in den Rath erwählt und wurde 1407 Bürgermeister, als welcher er sich 1408 auf einer Tagefahrt zu Lübeck als Vertreter der Stadt befand. Da der Name in älterer Zeit in Wismar nicht vorkommt, so wird die Familie erst im 14. Jahrhundert eingewandert sein, vielleicht von Poel, wo es Bauern dieses Namens gab und von wo mehrere bedeutende wismarsche Geschlechter stammen. 1361 wird ein Nicolaus Vinke genannt, der möglicher Weise der Vater des Bürgermeisters war. Daß dieser kein unbedeutender Mann gewesen, darf man wohl daraus schließen, daß er, nachdem er erst acht Jahre im Rathsstuhle gesessen, zum Bürgermeister erwählt wurde, und selbst die Umstände seines Todes dürften diese Vermuthung unterstützen. Denn daß hier kein gemeiner Raubmord durch Stegreifritter stattgefunden, scheint auf der Hand zu liegen, da die Motivirung der Verfestung durch Raub offenbar nur zur Verstärkung derselben dient, während der Mord das Hauptmoment abgegeben haben wird; sicherlich ist der Raub auch nur von denen geübt, die man noch erst "erfragen" wollte, von den Knechten der Edelleute. Es spricht ferner gegen einen gemeinen Raubmord der Umstand, daß zwei Ritter sich unter den Verfesteten befinden, die, so weit meine [Friedrich Crull] Erfahrung reicht, sich mit Wegelagern in der Regel nicht abgaben und dies den Knappen überließen. Der Hauptgrund für die Annahme besonderer Motive zu dieser That liegt aber darin, daß ein Bürgermeister der befreundeten Stadt Rostock, Hinrik Witte, mit unter den verfesteten Tätern aufgeführt wird. Mag hier nun ein Act persönlicher Rache geübt sein, oder mag der Ueberfall dem Bürgermeister gegolten haben, das wismarsche Archiv bietet nichts mehr, was diese Angelegenheit aufklären könnte, und mag hier schließlich noch bemerkt sein, daß dieselbe später beigelegt worden ist, da die Inscription im Liber proscriptorum getilgt ist. Die Errichtung des Denksteines ist ohne Zweifel ein Theil der Sühne gewesen. (Jahrbücher des Vereins f. meckl. Geschichte 1858)

Dieser Sühnestein wurde zu DDR-Zeiten abgebaut – die Oberfläche des Steines war durch sauren Regen und aggressive Umwelteinflüsse stark angegriffen, so dass Schrift und Bilddruck nur noch schwer zu erkennen sind - und gelangte in das Kreisagrarmuseum von Dorf Mecklenburg. Danach, im Dezember 1997, wurde der Stein in das Museum von Wismar gebracht und dort in der Diele des Schabbelhauses aufgestellt.
Am ursprünglichen Standort bei Schimm war die Aufstellung einer Kopie geplant.

Sage:

Quellen und Literatur:
Schlie, Friedrich - Die Kunst- und Geschichts-Denkmäler d. Grossherzogthums Mecklenburg-Schwerin", III. Band, Schwerin 1899
Jahrbücher des Vereins f. meckl. Geschichte u. Altertumskunde, Bd. 23, 1858, S.352-354
aktuelles s/w-Foto aus: Gloede, Günter - Kirchen im Küstenwind, Bd.2, Berlin 1986, S.78
Karge, Wolf / Stutz, Reno / Gressmann, Dietmar - Vom Knüppeldamm zur Autobahn. Wege von Schwerin nach Wismar, Schwerin 2009, S.21 (ISBN 978-3-941689-07-7)
recherchiert von: Forschungsgruppe Preußische, Mecklenburgische und Anhaltische Meilensteine e.V.
Ostsee-Anzeiger, Ausgabe Wismar, vom 17.12.1997, Seite 4



Sühnestein jetzt im Schabbellhaus
Dank an Firma Richter in Steffin

Wismar. Am vergangenen Donnerstag wurde in den frühen Morgenstunden ein Sühnestein von Schimm nach Wismar transportiert und in der Diele des "Schabbellhauses" aufgestellt An dieser Stelle vom Team der Museumsarbeiter ein großes Dankeschön an die Firma Richter Baustoffe in Steffin für den sachkundigen Transport und die Unterstützung.
"Im Jahre des Herrn 1409 am Dreifaltigkeitstag starb Herr Nicolaus Vinke, Bürgermeister der Stadt Wismar. Betet für ihn."
Diese Worte befinden sich auf den Sühnestein, der lange an der Straße zwischen Schimm und Jesendorf gestanden hat. Die Stele ist aus gotländischem Muschelkalk gearbeitet, ca. 3 Meter hoch und 12 Zentner schwer. Derartige Steine mußten von dem Täter auf gerichtliche Anordnung für eine gemeine Mordtat aufgestellt werden und sollten dem Seelenheil des Getöteten dienen und zur Aussöhnung mit der geschädigten Familie führen.
Die Oberfläche des Steines ist durch sauren Regen und aggressive Umwelteinflüsse leider bereits stark angegriffen, so daß Schrift und Bilddruck heute nur noch schwer zu erkennen sind.
Eine weitere große Gefahr lag in der mutwilligen Zerstörung des Stein. Heute steht der steinerne Zeitzeuge sicher überdacht und geschützt in der Diele des Wismarer Museums, nachdem er einige Zeit im Kreisagrarmuseum in Dorf Mecklenburg verbracht hatte.
Sofern die Finanzierung gesichert ist, wird am Straßenrand zwischen Schimm und Jesendorf zukünftig eine Nachbildung dieses Rechtsaltertums an die Erschlagung des Wismarer Bürgermeisters Vinke erinnern. I.S.
(Ostsee-Anzeiger, Ausgabe Wismar, vom 17.12.1997, Seite 4)


Sühnekreuze & Mordsteine