Deutschland Niedersachsen Lkr. Hameln-Pyrmont

Hameln (I)


Erläuterungstafel

Abbildung bei
Müller / Baumann
(1988)

Zeichnung bei
Hoffmann (1935)

Zeichnung bei
Viebrock (1908)

PLZ: 31785

GPS: N 52° 6.275', O 9° 21.502'

Standort: Im Heimatmuseum von Hameln, "Osterstraße 9".

Größe / Material: 134:98:12 / Sandstein

Geschichte: Einst nach Fr. Sprenger am Brücker- oder Wesertor "unter dem Hauptthore an der capella Mariae ante pontem" stehend, später am alten Waisen- oder Armenhaus, am Langen Wall, eingemauert gewesen. Beschädigter angewitterter Kreuzstein. Infolge starker Abblätterung in jüngster Zeit einige Teile der Inschrift und Symbole zerstört. Auf der Vorderseite eingerillt, längsorientiertes nasenbesetztes Kreuz (Balkenbreite: 8), auf Kreisbogen stehend. Das Kreuzungsfeld ist ringförmig von einer eingehauenen gotischen Minuskelinschrift umgeben. Davon lesbar:
anno dni cccc idc xx.l.m.heneke kellerman +
In den oberen Ecken der Steinplatte ist je eine Lilie vorhanden. In der Verlängerung der Querarme befand sich ursprünglich je eine ausgestreckte Hand, von denen nur noch die links erhalten ist. Unterhalb der Querarme ist links ein Pflugsech zu erkennen und war rechts früher eine inzwischen zerstörte Darstellung eines beilartigen Gerätes vorhanden. Die Rückseite ist nicht bearbeitet. (Müller / Baumann 1988)

   Der am Waisenhause der Stadt Hameln aufgestellte Kreuzstein soll vom Haupttore der ehemaligen Marienkapelle stammen. Schrift und Zeichnungen sind in Linien in die Rotsandsteinplatte eingehauen, nur das Kreuz ist durch geringe Vertiefung der Kreisteilflächen hervorgehoben. Von der gotischen Minuskelschrift ist mit Ergänzungen zu lesen: anno • d[o]m[ini] • mcccc • i[n] • d[i]e • XX iun[ii] • henke • kellermann †. Sie sagt uns, daß im Jahre des Herrn 1400, am Tage des 20. Juni, Heneke Kellermann gestorben ist; die bei der Schriftverteilung wohl vergessenen Buchstaben k und e in den Worten Heneke und Kellermann hat der Bildhauer nachträglich eingefügt.
   Die Sage aber versteht die Bilderschrift zu lesen. Der Stein soll zum Andenken an einen wegen Abpflügens Erschlagenen oder wegen Verrückens von Grenzsteinen durch Abschlagen einer Hand Gestraften errichtet sein. Später soll die Unschuld des Verurteilten sich ergeben haben. Hierauf werden die Bilder, hand am Kreuzbalken, Richtschwert (?), Pflugschar und, als Zeichen der Unschuld, die Lilien gedeutet. (Hoffmann 1935)

   Ein interessanter Kreuzstein steht am Waisenhause zu Hameln. Er ist 90cm hoch und 85cm breit und aus rotem Sandstein hergestellt. IN der Mitte ist ein ausgegründetes verziertes Kreuz von einer Inschrift umgeben, die leider an einer Stelle beschädigt ist; indessen lässt sich aus der Raumverteilung die Jahreszahl mit ziemlicher Sicherheit feststellen. Daneben sind zwei Pflugeisen und eine menschliche Hand abgebildet. Ein eingehauenes kleines Kreuz über dem großen Kreuzesbalken weist darauf hin, dass der Stein von Priesterhand durch Weihwasser geweiht worden ist. Die Ausführung des Steines zeugt von einer gewissen Ungeschicklichkeit des „Künstlers“; denn die Verteilung der Figuren und der Schrift ist etwas unglücklich, und in der Inschrift hat er zunächst an zwei Stellen etwas ausgelassen und später berichtigt.
   Sprengler, Geschichte der Stadt Hameln, berichtet über den Stein (bei der Beschreibung des Brückentores):
   "Unter dem Haupttore an der capella Mariae ante pontem; stand ein Stein, halb in die Erde gegraben, mit einem Kreuze bezeichnet, unter welchem ein paar Pflugeisen abgebildet waren, und hatte die Inschrift, wie ich nach der Anleitung (Verfasser einer Chronik der Stadt Hameln, der sog. "Kollektaneen") des M. Herr vermute: Anno Domini MCCCC idibus ipsis Junii (oder in die primi Junii) Irenaeus Veckermann. Wahrscheinlich bezog sich dies Denkmal auf die Strafe des Kopfabpflügens, welche denjenigen traf, der die Grenzsteine und Grenzen verrückte oder schmälerte. Cf. Jacobi Doepleri theatri poenarum, suppliciorum et executionum criminalium pars II c. 13. Lipsiae 1697."
   Der Stein ist demnach von seinem ursprünglichen Standorte weg an das Waisenhaus gesetzt und dort durch eine Eisenklammer an der Wand befestigt worden. Außer der Jahreszahl stimmt die Lesart des M. Herr freilich wohl nicht; denn ohne sonderliche Schwierigkeit liest man folgendes:
   Anno Domini MCCCC in die XX Junii. Heneke Kettermann. (Im Jahre 1400 am 20.JUni. Heneke Kettermann.) Die abgebildete Hand deutet wahrscheinlich darauf hin, dass, wie es gebräuchlich war, die Strafe des Kopfabpflügens an der Hand des Übeltäters gebüst wurde. (Viebrock 1908)

Sage: Der Scheibenkreuzstein soll für einen wegen Versetzung eines Grenzsteines Gestraften errichtet worden sein.

Quellen und Literatur:
Viehbrock, Hans - Kreuzsteine in Niedersachsen I, in: Niedersachsen, 13.Jg., 1907/1908, Nr.13, 1908, S.236-237
Hoffmann, Adolf - Die mittelalterlichen Steinkreuze, Kreuz- und Denksteine in Niedersachsen, 1935, S.13
Müller / Baumann - Kreuzsteine und Steinkreuze in Niedersachsen, Bremen und Hamburg, 1988, Nr.3822.1
Gerth, Sven - Rechtsdenkmal und Weistum - nur ein sagenhafter Bezug? in: Signa Juris, Band 2, 2008, S.145-163
recherchiert und bebildert von Gunter Marx, Löhne



Hameln (II)


Blick in die
Ausstellung

Abbildung bei
Müller / Baumann
(1988)

Standort: bei vorigem

Größe / Material: 69:83:16 / Sandstein

Geschichte: Das Scheibenkreuz steht auf dem rechten Seitenarm.

Primärer Standort unbekannt. Laut Kreisheimatpfleger E. Spanuth einst aus der Weser geborgen worden und lange Jahre an der Außenseite des als Museum dienenden "Haspelmath-Turms" der alten Stadtbefestigung aufgestellt gewesen.
Das gut gearbeitete Flurdenkmal ist stark beschädigt und angewittert und zeigt mehrere glattgewetzte Stellen. Die Armenden sind noch vorhanden, dagegen fehlt der Schaft völlig. Im Kreuzungsfeld befindet sich, gleichsam vorgesetzt, eine kreisrunde Scheibe, die auf vertieftem Grund erhaben ein gleicharmiges, nasenbesetztes ankerendiges Kreuz besitzt. Scheiben-ø: 53, Ringbreite: 7cm. Der erhöhte Scheibenrand trägt eine nicht mehr lesbare Inschrift. Zur Zeit der Drucklegung dieser Arbeit befand sich das Scheibenkreuz in falsch georteter Aufstellung, nämlich auf dem rechten Seitenarm stehend. (Müller / Baumann 1988)

Sage:

Quellen und Literatur:
Müller / Baumann - Kreuzsteine und Steinkreuze in Niedersachsen, Bremen und Hamburg, 1988, Nr.3822.2
recherchiert und bebildert von Gunter Marx, Löhne



Hameln (III)


Detail der oberen
Inschrift und
Läuferstein mit Haue

Detail der Inschrift
im Sockelstein

Skizze bei
Hoffmann (1935)

Standort: ebenfalls im Heimatmuseum

Größe / Material: 117:59:24

Geschichte: Bevor die beiden Steine ins Hamelner Heimatmuseum kamen, standen sie in der Krypta des Münsters Hameln. Sie stammen aus dem seit 1532 bezeugten Neuen Tor in Hameln. Die Inschrift des oberen (älteren) Steines:
A[n]no d[omi]ni
m.ecccc.
vn
[de]xxxi
Das ist die Jahreszahl 1531. Darunter das Mühlenwappen der Stadt mit einem Läuferstein und einer Haue im Wappenschild.
Der untere (jüngerer) Stein trägt folgende Inschrift:
ANNO 1556
centu
[m] ter denos c[um] mag[us] ab urbe puellos
duxerat a
[n]te a[n]nos 272 [con]dita porta fuit
Das bedeutet: 1556, nachdem vor 272 Jahren der Magier 130 Kinder aus der Stadt geführt hat. ist das Tor gegründet worden.

   Wegen der Verbreitung der Rattenfängersage wird hier ein in der Krypta des Münsters in Hameln aufbewahrter Denkstein erwähnt, der als steinerne Urkunde darüber berichtet. Er ist von dem im Jahre 1556 erbauten, später abgetragenen "Neuen Tore" an den gegenwärtigen Standort gebracht und besteht aus zwei Teilen verschiedenen Alters. Der obere enthält in gotischen Buchstaben die Jahreszahl: Ano • dm • mccccc un[d] XXXI, d.h. "Im Jahre des Herrn 1531", und darunter das Hamelnsche Wappen, ein Mühleisen. Dieses Stück ist durch ein unteres Querstück ergänzt, auf dem Anno 1556 • centu[m] ter denos cum magus ab urbe puellas (ob nicht puellos konnte bei der nangelhaften Beleuchtung am Orte nicht festgestellt werden) duxerat ante annos 272 condita fui, d.h. "Im Jahre 1556, als der Zauberer 130 Kinder vor 272 Jahren aus der Stadt entführt hat, wurde dieses Tor gebaut", zu lesen ist. Hiernach wurde das Jahr 1284 zum Gedenken an den Verlust der Kinder gefeiert.
   Die Richtigkeit einer anderen Ansicht, daß der Sage vielleicht die Schlacht bei Sedemünder zu Grunde liegen soll, wird in einer alten Druckschrift (Fein, Chr. Fr. von 1749) zu beweisen versucht. Hierin wird von der Jahreszahl 1531 im oberen Teile ausgegangen und daraus das Jahr 1259 als Zeit der Schlacht festgestellt, in annähernder Übereinstimmung mit anderen Angaben.
   Einer dritten Ansicht nach soll der Verlust der Kinder in dem merkwürdigen Auftreten einer nicht zu hemmenden Tanzwut der Jugend in jener Zeit zu suchen sein (Meinhardus, O., Z.H.V. Nds. 1882, S.256 und 1884, S.267).
   Im Volke wird allgemein die Sage erzählt, daß Hameln durch einen buntbekleideten Pfeifer von einer Rattenplage befreit sein soll, dessen Weise die aus ihren Verstecken hervorkommenden Ratten gefolgt und vom Pfeifer in die Weser geführt sein sollen, wo sie ertranken. (Hoffmann 1935)

Sage:

Quellen und Literatur:
Hoffmann, Adolf - Die mittelalterlichen Steinkreuze, Kreuz- und Denksteine in Niedersachsen, 1935, S.13-14
recherchiert und bebildert von Gunter Marx, Löhne



Hameln (IV)


Detail Relief
(Nachbildung)

Detail Inschrift
(Nachbildung)

Abbildung bei
Spanuth (1955)

Abbildung bei
Schmidt (um 1940)

GPS:

Standort: Originalstein im Heimatmuseum ("Osterstraße 9"), die Nachbildung befindet sich an der Ostwand der Marktkirche in der "Emmernstraße".

Größe / Material: ca.120:80:?

Geschichte: Der Stein erinnert an die Geburt von Siebenlingen, zwei Jungen und fünf Mädchen, am 9.01.1600. Leider überlebten die Kinder nur 11 Tage, sie verstarben am 20.03.1600 gegen Mittag. Das Denkmal setzt sich aus zwei Teilen zusammen, einer rechteckigen oberen Platte mit Kruzifix und Wappen, darunter kniende Adoranten mit den sieben Kleinkindern. Die untere Platte zeigt folgende Inschrift:
ALLHIER EIN BÜRGER THIELE RÖMER GENANNT
SEINE HAUSFRAU ANNA BREYERS WOHLBEKANNT
ALS MANN ZÄHLTE 1600 JAHR
DEN 9.JANUARIUS DES MORGENS 3 UHR WAR
VON IHR ZWEY KNÄBLEIN U. FÜNF MÄDLEIN
AUF EINE ZEIT GEBOREN SEYN
HABEN AUCH DIE HEILIGEN TAUF ERWORBEN
FOLGENDES DEN 20. 12 UHR SEELIG GESTORBEN
GOTT WOLLE IHN GEBEN DIE SÄLLIGKEIT
DIE ALLEN GLÄUBIGEN IST BEREIT
OBIGES ORIGINAL-DENKMAL HAT DURCH DIE GÜTE
DES HERREN BÜRGERMEISTER DOMEIER, DER JETZIGE
BESITZER DIESES DAMAHLS RÖMERSCHEN HAUSES
GERICHTS SCHREIBER HOPPE, WIEDER ERHALTEN
UND AUFGESTELLT IM JAHRE 1818
Der Originalstein befindet sich im Heimatmuseum in der "Osterstrasse".

Das "Haus der Siebenlinge", wo heute das Modegeschäft "Warnecke am Markt" zu finden ist, wurde im Jahr 1599 erbaut. Es handelt sich um ein giebelständiges, dreigeschossiges Fachwerkhaus. [...]
Bauherr Thiele Römer war 1590 Vorsteher des Krameramtes. "Das Geschlecht der Römer selbst wird bereits seit 1454 in Hameln bezeugt. Thiele Römer war seit etwa 1590 verheiratet mit Anna Breyer. Beide waren die Eltern der Siebenlinge", so Laparose. Kurz nach dem Bau des Hauses Osterstraße 3 kamen am 9.Januar 1600 morgens um 3 Uhr die sieben Kinder zur Welt, fünf Mädchen und zwei Jungen, auch heutzutage noch eine sehr seltene Mehrfachgeburt. Die Kinder überlebten aber nur wenige Tage; sie verstarben am 20.Januar gegen Mittag. Nachzulesen ist all dies auf dem Gedenkstein der Siebenlinge. Das Original ist im Museum zu finden. Eine Nachbildung des Siebenlinge-Steins befindet sich an der Ostseite der Marktkirche in der Emmernstraße und ist Teil einer jeden Stadtführung. "Dieser Gedenk- oder besser Grabstein hat bereits eine längere Geschichte hinter sich", verrät Laparose. Bis 1818 befand er sich auf dem Münsterkirchhof. Nach dessen Auflösung wurde der Stein verkauft. Durch Vermittlung des Bürgermeisters Domeier wurde er dann mit Genehmigung des Rates am Haus Osterstraße 3 angebracht, und zwar an der seitlichen Fassade zur Emmernstraße. Zu der Zeit war der Besitzer des Hauses der Gerichtsschreiber Hoppe. Die stark verwitterte Inschrift wurde ebenfalls 1818 erneuert. [...]
Im 2.Weltkrieg wurde das Original aus Sicherheitsgründen und zur besseren Erhaltung ins Museum verlagert. Am Haus wurde eine Nachbildung angebracht. Wegen des damals sehr engen Bürgersteigs, schließlich rollte bis zur Umgestaltung in eine Fußgängerzone auch durch die Emmerstraße noch der Autoverkehr, wurde der Grabstein der Siebenlinge aus Anlass einer Haussanierung im Jahr 1957 an der Ostseite der Marktkirche befestigt, wo er noch heute zu finden ist. [...] (Pymonter Nachrichten 2000)

   Dem Zeitalter, in dem die Rattenfängersage zuerst in die große Öffentlichkeit tritt, gehört noch eine zweite Überlieferung an, die dazu beigetragen hat, Hameln berümt zu machen. Obwohl sie öfter als Sage bezeichnet ist, handelt es sich bei ihr, wie sich historisch nachweisen läßt, um ein wirkliches Geschehnis von freilich außergewöhnlicher Art. Am 9.Januar des Jahres 1600 wurde dem Bürger der Stadt, Tile Römer, und seiner Ehefrau, Anna, geb. Breyer, an einem Tage sieben Kinder geboren, die indes nicht lebensfähig waren und bald darauf starben. Dieses Faktum ist in Wort und Bild auf einem echten Epitaph festgehalten, das im Jahre 1818 mit Erlaubnis des Stadtrats der damalige Besitzer des an der Ecke der Oster- und Emmernstraße gelegenen Geburtshauses der Siebenlinge von seinem Standort am Münsterkirchhof an die Westwand dieses hauses verpflanzte. Das auf dem Grabstein befindliche Bildrelief wie die darunter stehende Inschrift lassen keinen Zweifel darüber bestehen, daß es sich um eine echte historische Überlieferung und nicht um eine Denkmalsage handelt. Der fast einmalige Fall einer solchen Vielgeburt hat die naturwissenschaftlich-medizinische Forschung in neuerer Zeit wiederholt beschäftigt und sogar zur Aufstellung einer mathematischen Form für die Häufigkeit des Vorkommens von Siebenlingen geführt ... Hameln, die Stadt des Rattenfängers und - der Siebenlinge! (Spanuth 1955)

Der Stein der Siebenlinge. An einem Haus der Rattenfängerstadt Hameln ist dieser Denkstein angebracht zur Erinnerung an ein einzigartiges Ereignis: Am 9.Januar 1600 hat eine Bürgerin Anna Breyers "zwey Knäblein und fünf Mädlein auf eine Zeit geboren". (Schmidt um 1940)

Sage:

Quellen und Literatur:
Schmidt, Dr. C.W. - Verborgene Schätze, Wunder und Kuriosa, Berlin um 1940, S.121
Spanuth, Dr. Heinrich - Die Hamelner Siebenlinge - eine Denkmalsage, in: Der Klüt, 1951
Spanuth, Dr. Heinrich - Geschichte der Stadt Hameln von der Renaissance bis zur Neuzeit, 1.Lieferung, Hameln 1955, S.20-21
Hamelns Siebenlinge lebten nur elf Tage lang, in: Pymonter Nachrichten vom 1.02.2000
recherchiert und bebildert von Hartmut Blaszczyk, Einbeck (Fotos vom 16.03.2013)


Sühnekreuze & Mordsteine