Deutschland Niedersachsen Lkr. Region Hannover

Schloß Ricklingen


Abbildung bei
Kiesow (1997)

Detail des
Blyden-Geschosses
das auf dem Scheitel
des Denkmals
befestigt ist

Abbildung bei
Hoffmann (1935)

Darstellung einer
Blyde / Blide bei
Kiesow (1997)

PLZ: 30826

GPS: N 52° 25.634', O 9° 30.118'

Standort: Am südwestlichen Ortsrand, etwa 180m vor der Leinebrücke, neben der Landstraße. Auf einem Hügel, zu dem eine Treppe hinaufführt.

Größe / Material: 190:97:26 / Kalkstein

Geschichte: Kreuzstein mit dem schützenden Baldachin (1610 errichtet, 1722 renoviert, wie auf den Inschriften vermerkt ist. Auf dem Kreuzstein oben angebracht: Geschoß der Blyde. Herzog Albrecht von Sachsen belagerte 1385 Schloß Ricklingen, ein Raubritternest. Aus diesem wurde die Blyde abgefeuert. Ein Steingeschoß traf den Herzog am Bein und verletzte ihn so schwer, dass er einige Tage später an der Verletzung starb.

Der Denkstein gehört zu dem im Großraum Hannover nur noch dreimal vorhandenen medaillonartigen Typus der Scheibenkreuze, bei dem Scheibe und Fuß fast gleiche Breite aufweisen und Scheibe wie Schaft mit seitlichen Auswüchsen (Halbkreisbzw. Dreiviertelkreisbossen) versehen sind. Beide Seiten dieser Stele zeigen reliefartig ausgearbeitete Darstellungen, die ursprünglich farbig bemalt waren. Auf der NO-Seite sieht man einen barhäuptigen Ritter in Adorantenhaltung und vor ihm sein Wappenschild mit dem lüneburgischen Löwen. In halber Höhe des Schaftes sitzt seitlich je eine Bosse. Eine zeigt das sächsische Landeswappen, die andere zwei gekreuzte und mit den Spitzen nach unten gekehrte Schwerter. Die den Schaft krönende mächtige Scheibe hat als Mittelpunkt den Kruzifixus mit Maria und Johannes. Diese Szene wird von einem Schriftband umrandet, dessen Worte in gotischer Minuskelschrift lauten:
+ hertoghe albert vō sassē un luneborch unde corvorste unde arscmarescale des roemschē rikes bid voer hem.
Der Rand der Scheibe ist mit vier (je zwei sich gegenüberliegenden) Bossen besetzt, auf denen Evangelistensymbole zu sehen sind. Die SW-Seite zeigt im Schaftteil eine in faltenreichen Mantel gehüllte Figur, die als Kopfbedeckung eine Kappe trägt. Aus ihren betend erhobenen Händen windet sich ein Schriftband mit den in Kapitalen geschriebenen Worten:
MISERERE MEI DEVS
Vor der Figur ist das Wappen derer von Reden, darüber auf der (heraldisch) linken Bosse ein Wappen derer von Holle (oder von Meltzing) zu sehen. Das zwei Sparren zeigende Wappen auf der gegenüberliegenden Bosse ist eventuell das des thüringischen Geschlechts Breitenbuch. Auf dieser Scheibenseite, deren vier Bossen hier nur mit gotischen Dreipässen verziert sind, gibt die einschlagene Inschrift Kunde über den Anlaß der Denksteinsetzung. Sie lautet:
Anō 1385 iare
uerteyen nacht na Paschen
do togen de uan Luenborch
mit örem heren hertogen
albrechte to sassen vor de
borch to rickelinge vppe de
van mandelse dar so wart
hertoge albrecht geworpen
mit eyner blyen dat se afft
logen vnde hertoge
albrecht de starff
dar van.
Oben auf der Scheibe ist das "Geschoß" ein roh belassener Findlingsstein - mit einem Eisenband befestigt. Bezüglich der beiden Figuren sei gesagt, daß die auf der NO-Seite den tödlich verwundeten Herzog Albrecht (manchmal auch Albert genannt) von Sachsen und Lüneburg zeigt. Die Figur auf der SW-Seite ist dagegen nicht sicher zu deuten. Es kann sich um einen der Gefolgsmänner des Herzogs oder aber um seine Witwe (Katharina) handeln. Zum Schutze des Denksteins ist 1617, auf Anordnung des Herzogs Friedrich Ulrich von Braunschweig und Lüneburg, ein heute noch vorhandenes auf vier steinernen Quaderpfeilern gesetztes Steindach baldachinartig darüber errichtet worden. Geschichtlich fällt dieses Ereignis in die Zeit des Lüneburger Erbfolgekrieges (1371-88). Damals wurde das alte Schloß Ricklingen, eine Wasserburg, von Herzog Albrecht belagert, um seinen hier residierenden Vasallen Dietrich von Man-delsloh wegen Landfriedensbruch und anderer Vergehen zur Raison zu bringen. Der Herzog ist dann sehr wahrscheinlich auf diesem Hügel durch das steinerne Geschoß einer Wurfmaschine (Blide) so schwer verwundet worden, daß er kurz darauf in Neustadt/Rbge. starb. Er ist im Kloster St. Michael in Lüneburg begraben worden. Die Burg wurde bald danach erobert und zerstört; der Gegner entkam. (Müller / Baumann 1988)

   Die auf T.VII,53 wiedergegebene Zeichnung ist Mithoff entnommen und stellt sen sogenannten "Blidenstein" bei Schloß Ricklingen dar. Er soll an der Stelle stehen, an der dem Herzog Albrecht von Sachsen und Lüneburg 14 Nächte nach Paschen (Ostern), das war am 16. April 1385, durch einen von einer mittelalterlichen Wurfmaschine, Blyde genannt, geschleuderten Stein ein Bein zerschmettert wurde. Man gab darauf die Belagerung auf, und der Tod ereilte den Herzog am 28. Juni deselben Jahres. Die Inschriften beider Steinseiten gehen aus den Zeichnungen hervor. Zur Erklärung des Bildwerks mag folgendes dienen. Auf der Hauptseite ist in einem im Kreise umlaufenden Schriftbande zwischen Maria und Johannes Christus am Kreuze dargestellt. In den vier die große Mittelscheibe umgebenden Bogenstücken sind die Sinnbilder der vier Apostel Johannes (Adler), Matthäus (Engel), Lukas (Stier) und Markus (Löwe) dargestellt. Der vor dem unten knieenden und betenden Herzog angebrachte Schild trägt das Wappen Lüneburgs. Die aus dem Fußoberteile hinausragenden Scheiben zeigen das sächsische Wappen und im anderen Schild zwei gekreuzte Schwerter, die wohl die Kurschwerter sein solln. Im Oberteile der Rückseite wird in 12 Zeilen über das Ereignis berichtet; im unteren Stücke kniet und betet eine Gestalt im langen Mantel, ein Spruchband haltend. Neben ihr steht der v. Reden'sche Wappenschild, darüber rechts das v. Holle'sche oderv. Melzing'sche Wappen. Das links angebrachte Wappen ist nicht mit Sicherheit zu deuten. Vielleicht haben Träger der Adelsgeschlechter an dem Feldzug teilgenommen oder bei der Errichtung des Denkmals mitgewirkt. Auch die Bedeutung der Gestalt im Mantel ist nicht aufgeklärt. Ausgeschlossen ist, daß sie den Herrenmeidter des Ordens St. Johannis darstellen soll, da das Johanniterkreuz fehlt, und es ist nicht anzunehmen, daß der Herzog zweimal abgebildet ist, wie gewöhnlich angenommen wird.
   Oben auf dem Denkmale ist das Todesgeschoß mit Eisenklammern befestigt. Das künstlerisch wertvolle, leider schon ziehmlich verwitterte Denkmal ist unter einem von vier Säulen getragenen Steindache aufgestellt, in dessen Fries über Errichtung des Schutzdaches im Jahre 1617 und spätere Instantsetzung 1722 berichtet wird. - Auf eine alte Tuschzeichnung, in der das Denkmal in freier landschaft dargestellt ist, wird hier ningewiesen.
   Die Sage erzählt, daß die Wurfmaschine von Sophie v. Mandelsloh, des Burgherrn Tochter, gerichtet sei. (Hoffmann 1935)

Sage: Die Tochter des Belagerten, Sophie von Mandelsloh, soll persönlich die Wurfmaschine mit dem für den Herzog todbringenden Geschoß betätigt haben.

Quellen und Literatur:
Saal, Walter - Beischlagsteine und ihre Beziehungen zu Grabkreuzen und Sühnezeichen, in: Steinkreuzforschung, Sammelband Nr.4, 1982, S.30-35
Müller / Baumann - Kreuzsteine und Steinkreuze in Niedersachsen, Bremen und Hamburg, 1988, Nr.3523.1
Hoffmann, Adolf - Die mittelalterlichen Steinkreuze, Kreuz- und Denksteine in Niedersachsen, 1935, S.29
Görlich, Joachim-Ulrich - Kreuzsteine - Mordsteine - Galgensteine, 1976, S.23-24
Kiesow, Gottfried - Kulturgeschichte sehen lernen, Bonn 1997, S.18-20
recherchiert und bebildert von Dr. Angelika Halama, Buxtehude (Foto von 1998)


Sühnekreuze & Mordsteine