Beiträge zur Geschichte der Steinkreuze |
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DAS KREUZ EINES MAURERS
von Jerzy Majdan und Daniel Wojtucki
"An Wege durch die Wälder, ehemals Herzynische Wälder genannt, überall stieß ich auf niedrige steinerne Kreuze
mit darin eingemeißelten Schwertern, Beilen, Dolchen...". Die Worte des Usmarus Grissonius, notiert bei einer Reise von Wien nach Prag in einem Bericht an
Ignatius von Loyola und datiert unter dem 21. Mai 1556, könnte man auch auf dem Wald bei Złotoryja / Goldberg übertragen. In seinem Bereich haben sich bis
heute einige steinerne Kreuze an Waldwegen erhalten, die im Hinblick auf ihre Standorte zu den am schwersten zu findenden in Niederschlesien zu zählen sind. Das
Waldgebiet selbst mit der Bezeichnung Goldberger Heide erstreckt sich zwischen den Ortschaften Skorzynice / Hartliebsdorf im Norden und Rochów/Armenruh
im Süden zwischen den Städten Złotoryja / Goldberg und Lwówek Śląski / Löwenberg. Diese Objekte wurden ganz sicher zur Erinnerung an
jemandem mit einem plötzlichen, tragischen Tod aufgestellt. Beispielsweise erinnert das Kreuz von Rochów / Armenruh an ein Ereignis vom 24. Dezember 1775
als Gottlieb von Ottendorf das Leben verlor, als er von einem Wagen überfahren wurde. Aus der Zahl der Kreuze bezeugt eines aus Choiniec / Hainwald "den gottlosen
Raub des Lebens durch einen Schuß" auf den achtzehnjährigen Abraham Britzler aus Twardocice/Harpersdorf im Jahre 1760. Ein Steinkreuz, das am Waldrand bei dem
Dorfe Czaple / Hockenau steht, hat eine eingemeißelte Lanze / Partizane, die mit der Spitze schräg nach
unten zeigt.
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Rochów / Armenruh |
Choiniec / Hainwald |
Am häufigsten werden die Einzeichnungen an Kreuzen als die Werkzeuge interpretiert, mit denen das Verbrechen verübt wurde. Seltener
erblicken Forscher in ihnen die Berufkennzeichen des Opfers, zu dessen Gedächtnis das Objekt errichtet worden ist. Das Kreuz wurde von Jerzy Majdan aus
Lwówek Śląski / Löwenberg Ende Mai 2004 in der Goldberger Heide bei der Ortschaft Nowe Łąki / Neuwiese zufällig entdeckt. Es knüpft durch seine
Zeichnungen an die zweitgenannte Erklärung an. Unbekannt, sowohl in der polnischen wie auch in der deutschen Literatur, hat es gut sichtbare einzigartige
Einzeichnungen, die eine früher verwendete Setzwaage und eine Maurerkelle darstellen. Beide Darstellungen bestechen durch ihre Genauigkeit. Zu sehen sind ein
Dreieck und ein Pedel, die eine frühere Setzwaage zum Anlegen an ein zu messendes Objekt bilden; dabei zeigte jede Neigung einen Fehler in der Maurerkunst an.
Die Zeichnung ist von großen Ausmaßen im Verhältnis zum Steinkreuz selbst (68x73x27cm). Die Schenkel des Dreiecks sind 28cm lang, die Basis hat 40cm. Das
Pendel hat eine Länge von etwa 19cm, und den Abschluß bildet eine Kugel. Die Zeichnung der Kelle mit den Maßen 34x16cm ist genauso präzise. Leider erlitt der
Kreuzschaft einmal einen Durchbruch in Höhe des Anfangs des Kellengriffs.
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Nowe Łąki / Neuwiese |
Nowe Łąki / Neuwiese |
Zum Zwecke der Sicherung dieses einzigartigen Denkmals wurde am 24. Juli 2004 eine Aktion durchgeführt mit dem Ziel, das Kreuz wieder
zusammenzufügen und aufzustellen. Die Autoren dieses Artikels nahmen daran teil. An das Kreuz wurde ein bearbeiteter Stein (48x33x31cm) angesetzt zum Aufrichten
des abgebrochenen Schaftes. Das ermöglichte die Zurschaustellung beider Einzeichnungen oberhalb der Bodenfläche. Das Kreuz und der Schaft wurden mit einem
frostsicheren Mörtel verbunden. Nach der Aufstellung hat sich die Höhe des Denkmals auf 76cm vergrößert.
Das Kreuz ist im dichten Wald zu finden, etwa 130m von der Straße Złotoryja-Lwówek Śląski entfernt. Wir haben die
Hoffnung, daß diese Wiederaufstellung einen nützlichen Einfluß auf das weitere Schicksal des Denkmals hat, indem es Aktionen von Vandalismus und Diebstahl
erschwert. Heute ist es schwer, wenigstens seine vermutliche Geschichte darzustellen. Wahrscheinlich erinnert es an den tragischen Tod eines Maurers, wofür die
Werkzeuge sprechen, die darin eingemeißelt sind. Erst archivalische Forschungen an den Quellen, die die Geschichte der Ortschaften in der Nachbarschaft berührt,
kann zu näheren Erkenntnissen führen. Das Kreuz stellt eine Einmaligkeit im europäischen Maßstab dar. Sogar auf dem Gebiet Deutschland, wo einige tausend
Steinkreuze inventarisiert sind, kann sich keines mit einer Einzeichnung rühmen, die eine Setzwaage darstellt. Deshalb finden wir es der Mühe wert, daß dieses
Denkmal Schutz und pflege durch die Allgemeinheit erfährt.
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Skorzynice / Hartliebsdorf |
Czaple / Hockenau |
Choiniec / Hainwald |
Fotos: Jerzy Majdan und Daniel Wojtucki
Übersetzung: Gernot Werner
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