Geschichte & Forschung Ikonographie Kriegswaffen, Jagdwaffen und Richtwerkzeuge

Lanzen, Speere, Piken und Spieße


 Einzeichnungen auf Steinkreuzen und Kreuzsteinen 

Buch (I)
Bayern / Lkr. Miltenberg

Jagdspieß für die mittelalterliche Bärenjagd.
Foto: Azzola (1976)


Ensttal
Baden-Württemberg / Neckar-Odenwald-Kreis

Der Längsbalken trägt einen tief eingerillten Spieß mit überlanger Schneide, so dass man an eine Saufeder denken kann.
Foto: Azzola (1976)


Unterjesingen
Baden-Württemberg / Lkr. Tübingen

Die Vorderseite mit einem Jagdspieß als Attribut und der verschlagenen Jahreszahl 1482.
Foto: Azzola (1989)



Hengelbach
Thüringen / Lkr. Saalfeld-Rudolstadt

Jagdspieß für die mittelalterliche Jagd.
Foto: Störzner (1988)


Fischersdorf
Thüringen / Lkr. Saalfeld-Rudolstadt

Jagdspieß oder Saufeder im Umriß eingeritzt. Restlänge: 60cm.
Foto: Störzner (1988)


Conradsdorf
Sachsen | Lkr. Freiberg

Man erkennt einen tief eingeritzten Spieß auf der Vorderseite.
Foto: Ache (2005)



Milkel (II)
Sachsen / Lkr. Bautzen

Beginnend auf dem Kopf und weit auf den Schaft reichend, eingeritzt im Umriß: Saufeder.
Foto: Ache (2003)


Herwigsdorf (II)
Sachsen / Lkr. Löbau-Zittau

Im Kopf beginnend und auf den Schaft reichend, eingeritzt im Umriß: Lanze bzw. Spieß. Durch Anhebung des Straßenniveaus ist nur noch eine Hälfte des waagerecht vermauerten Steinkreuzes sichtbar. Einritzung größtenteils von Erdreich bedeckt.
Foto: Müller / Quietzsch (1977)



 Die Lanze als Zeichen weltlicher und geistlicher Macht 

König Heinrich II. empfängt von Gottes Gnaden die Krone, die heilige Lanze und das Reichsschwert. Nach einem Miniaturbild in Heinrichs Gebetbuch in der Bibliothek zu München.
Quelle: Darwin (1929)

Teil eines von Papst Leo III. in Lateran gestifteten Mosaikbildes zur Erinnerung an die durch ihn vollzogene Krönung Karls des Großen. In der linken Hand die heilige Lanze haltend.
Quelle: Darwin (1929)



 Darstellungen in anderer Verwendung 

Hans Hetzer, 1522. Handwerkerwappen auf einer Nürnberger Grabplatte. Dieser mann muß ein Jäger gewesen sein. Das Kleinod des Wappens ist ein Jäger mit Spieß wachsend; die Wappen sind ein Hund über einen Gitter-Zaun (Wildzaun, Wildnetz bei Treibjagden), auf der anderen Seite eine Hausmarke. Sonst haben Jäger auch im Siegel: Hirschkopf mit Kreuz (Hubertus).
Quelle: Deutsche Gaue (1904/05)

Bauern erstürmen eine Burg. Abbildung aus dem Sachsenspiegel (1225-1235). Die bewaffneten Bauern tragen Lanzen und Speere in verschiedenen Ausführungen.
Quelle: sachsenspiegel-online.de



 Die Lanzen und Speere als Jagd-, Kriegs- und Richtwaffe 

[...] Den stärksten Anlaß zu thätlichen Ausschreitungen boten die Kirchweihen, wo es, trotz obrigkeitlichen Friedgebotes und Kirchweihschutzes, immer toll und voll herging; gewöhnlich entwickelten sich in oder vor dem Wirtshause blutige Scenen - z.B. 1498, 1533 und 1546; seltener beim Nachhausegehen. Letzteres begegnete einem "jungen Gesellen" aus Langenpreising, der 1567 nach der Tauberfelder Kirchweihe in Buxheim von dem dortigen Bader mit einem Schweinßspieß gestochen und am folgenden Morgen im Dorfe tot aufgefunden ward. Der Schweinsspieß, auch Schweinsfeder oder Saufänger genannt, war eine gerne geführte Waffe, die viel Unglück anrichtete. 1518 hatte ein Spalter, "so ettween (ehedem) der von Nurenberg einrüsser (soviel wie Einspänner, Soldknecht mit einem Roß) gewest", vor dem Wirtshaus zu Meilenhofen einen damit erstochen. Aus dem Jahre 1534 wird berichtet, "hat des Graulens son zu Egweil ein jung gesellen von Joßhofen mit einem spieß zu tod geschlagen vnd entlossen, ist der entleibt zu Nassenfels begraben worden." 1544 fand man einen Bürger und Bäcker aus Eichstätt in der Altmühl zwischen Obereichstätt und Breitenfurt, durch einen Schweinsspieß getötet, und Ende Dezember 1559 gebrauchte ein Müller zu Breitenfurt gegen seinen nachts von der Rockenstube ("vom Rockenliecht") heimkehrenden Mühlknecht dieselbe Waffe mit gleich schlimmen Ausgang.
(Rieder, Otto - Totschlagssühnen im Hochstift Eichstätt. Nach Beispielen aus dem 15. und 15.Jahrhundert, in: Sammelblatt des Historischen Vereins Eichstätt, VI.Jahrgang 1891, S.22-23)

Unter den Stoßwaffen behauptet die Lanze (Reisspiess) ihren Rang bis Ende 16.Jh.; im gewöhnlichen Gebrauch äußerst primitiv, denn sie wurde massenhaft "verstochen", für Prunkzwecke und den Ernstfall sehr sorgfältig bearbeitet, der Schaft in Öl gesotten, bemalt und vergoldet, oft auch kanneliert, gegen den Handgriff hin anschwellend, hier mit Brechscheibe versehen, am Fuß mit Gegengewicht. Die Länge geht bis zu 4m. Der Spieß als Infanteriewaffe kam durch die Schweizer zu Ehren und in den Schlachten gegen die burgundische Ritterschaft zu Weltruhm, zuerst bis 4,5m, bei den Landsknechten bis zu 6m lang, ein dünner, zäher Schaft und eine kleine Spitze mit Dille oder Schaftfedern. Im Fußturnier brauchte man einen kurzen leichten Ahlspieß, Kanoniere trugen den "Lundenspieß", Jäger den "Schweinspieß" mit breiterer, blattförmiger Klinge. Auch der Wurfspieß (Atiger, Atzger), das pfeilförmige, gefiederte "Schäfflin", wurde mehr als Jagdwaffe gebraucht.
(Bergner, Heinrich (Hrg.) - Handbuch der Bürgerlichen Kunstaltertümer in Deutschland, 2.Band, Leipzig 1906, S.556)

Ein Jäger mit zwei Spießen und einem Horn aus dem Jagdbuch des Gaston Phoebus, Comte de Foix, 15. Jahrhundert.
Quelle: Azzola (1989)

Bärenjagd im Spätmittelalter. Die zu Beginn des 14. Jahrhunderts entstandene Darstellung aus der Manesseschen Liederhandschrift zeigt den Minnesänger "Herr Hawart" und ist die bisher älteste, bekannt gewordene Darstellung einer Bärenjagd mit einer langen Stangenwaffe.
Quelle: Uni Heidelberg

Krieger aus dem 11. Jahrhundert. Nach dem Evangelienbuch der Bamberger Bibliothek.
Quelle: Gleichen-Russwurm (o.J.)

Hundeführender Jäger mit Schweinspieß und Jagdhorn. Blatt aus einem höfischen Kartenspiel des 15. Jahrhunderts. (Wien)
Quelle: Henne am Rhyn (1886)

   Das Spießrecht, sagt Hoyer (Geschichte der Kriegskunst I.194), unterschied sich vom Kriegsrecht dadurch, daß der Verbrecher auf der Stelle von den Gemeinen gerichtet und bestraft ward; und beschreibt hierauf die, vom 15 bis zu Anfang des 17. Jahrhunderts unter den Lanzknechten aller nationen übliche Strafe: des Jagens durch die Spieße, die auch im Bauernkrieg, vor Weinsperg, 1525 die Bauern an verschiedenen gefangenen Rittern vollzogen.
   Hoyer schöpfte aus Leonh. Fronspergers Kriegsbuch Fol. Erfurth 1596. I. S.12f. mit Uebergehung verschiedener Partikularitäten, weshalb wir hier Fronsperger selbst reden und erzählen lassen wollen, wie es eigentlich dabey zugegangen.
   [...] "Hierauf läßt man wiederumb umbschlagen, daß keiner alten Neyd oder Schaden rächen soll, damit lassen sie die Spieß nieder und die Fänderich sehen, daß sie den ruken gegen der Sonnen kehren und mit der Spieß des Fendlings gegen den Armen Menschen stehen. Also schleuset ihn der Profoß aus den Eysen, und nimpt Urlaub von ihm, daß er ihm verzeihen soll, und was er than hat, das hat er müssen thun, von wegen des Regiments, eben so des Profoßen Fürsprecher. Darnach stellt der Profoß den Armen Mann für sich und gibt ihm drey Streich auf die rechte Achsel, im Namen des Vaters, Sohns, und des heiligen Geistes, und stellt ihn gegen den Spießen und laßt ihn laufen.
   Wenn der arm Mensch verschieden ist, so kniet man nieder und thut ein Gebet, dennoch macht man ein Ordnung, und ziehen dreymal umb den todten Körper, und die Schützen schießen Dreymal ab, im Namen der Heiligen Dreyfaltigkeit, und ziehen darnach wiederumb und machen einen Beschuß-Ring.
   Da bedanket sich der Profoß fast gegen den Hellen Hauffen, daß sie so ehrlich Regiment helfen führen und halten, und bittet den ganzen Hellen Hauffen, daß einer von dem andern Straff wolt annehmen, und nit einer den andern so Liderlich übergeben und ein Exempel sollen nehmen bey diesem abgestorbenen Menschen, denn was er thun, das müsse er thun von wegen des Regiments." [...]
   Auf dem, dieser Darstellung Fronspergers vom Spießrecht, wie es gehalten werden soll, beygefügten Holzschnitt, stehen am obersten Ende der Langen Gasse, in der Mitte, zwey Fähndriche, mit aufgerichteten fliegenden Fahnen; zu beyden Seiten, neben ihnen, ein Haufen Hellebartierer mit aufgerichteten Hellebarten, und von ihnen an, bis gegen den Vorgrund, zu jeder Seite eine vierfache Reihe Lanzknechte mit gefällten Spießen, so, daß zwischen den Spießen derselben ein Raum von etlichen Schritten bleibt. Am untern Ende der Gasse, neben den ersten lanzknechten, erblickt man auf jeder Seite einen, mit aufgehobenen Schlachtschwert. Zwischen diesen in der Mitte aber, steht der Deliquent in seiner gewöhnlichen Kleidung, doch ohne Hut oder Mütze und ohne eigene Waffe, neben ihm der Profoß, seine linke Hand auf dessen Schulter und, etwas zurück, zwey Offiziers. Quer über, ganz im Vordergrund, eine doppelte Reihe Schützen, ihre Büchsen auf der Schulter oder bey Fuß haltend.
   Hoyer beschließt seine Nachricht mit den Worten, daß der Verurtheilte bald zu Anfang der Gasse niedergestochen worden seye. Diese Strafe, fährt er fort, war jedoch nicht allgemein, sondern wurde nur in einzelnen Fällen angewendet, wenn die Insubordination oder die Ausschweifungen gegen die Landleute zu sehr überhand nahmen, um alsdann einen lebhafteren Eindruck auf die gemeinen Soldaten zu machen. Sie verschwand endlich ganz durch Abschaffung der Piquen, und das Arkebusiren oder Erschießen trat an ihre Stelle.
   Gonsalvo von Cordova ließ 1504 in Italien mehrere Soldaten wegen verübter Räubereyen und Erpressungen so hinrichten. Wahrscheinlich entstand hieraus, in der Folge, das Spießruthen laufen. Dieses soll Gustav Adolph v. Schweden zuerst eingeführt haben. [...]
(Das Spieß-Recht wie es die Landsknecht führen mit den langen Spießen, in: Die gute alte Zeit geschildert in historischen Beiträgen zur näheren Kenntniß der Sitten, Gebräuche und Denkart, vornehmlich des Mittelstandes, in den letzten fünf Jahrhunderten; nach großentheils alten und seltenen Druckschriften, Manuscripten, Flugblättern ec., hrg. von J. Scheible, Stuttgart 1847, S.25-38)

Die Saufeder
   Bei Eberjagden (daher der name) im Spätmittelalter verwendete Waffe mit glatter, messerförmiger Klinge. a mit, b ohne Knebel; Schaftlänge 0,80m. Gewöhnlich werden solche Spieße als Kriegs waffen angesehen; in der Schlacht bei Hastings 1066 zwischen den Normannen u. Angelsachsen waren zwar von letzteren viele mit Knebelspießen bewaffnet; jedoch später wurde der Knebelspieß nur mehr als Jagdwaffe benützt.
(Deutsche Gaue, 30.Band, 1929, 2. Lief., Nr.573-576, S.38)



 Weitere Deutungsversuche 

Der Speer als Rechtssymbol
Speer bedeutet in der älteren und gesetzlichen Sprache Mann und Mannesstamm, im Gegensatz zu Spindel oder Kunkel; daher die Ausdrücke spermăge, gĕrmăge, swertmăge = Verwandtschaft von Seiten des Mannes, und spindelmăge, spillmăge, kunkelmăge = Verwandtschaft von seiten des Weibes. Gleich Stab und Fahne war der Speer für Könige ein Symbol der Übergabe von Reich und Land. Er diente aber auch wie Hut und Pfeil zur Ansage des Krieges. In Skandinavien wurde neben dem Heerpfeil in vielen Gegenden auch ein angebrannter Stock herumgesandt, der Kriegsgefahr wegen das Volk zusammenzuberufen.
(Götzinger, Dr. E. - Reallexikon der Deutschen Altertümer. Ein Hand- und Nachschlagebuch der Kulturgeschichte des deutschen Volkes, Leipzig 1885, S.821)



 Weiterführende Quellen und Literatur (speziell) 
Azzola, Friedrich, Karl - Das Steinkreuz am alten Kirchweg von Buch nach Kirchzell aus dem Jahr 1535. Das Denkmal eines bei der Bärenjagd umgekommenen? in: Der Odenwald - Zeitschrift des Breuberg-Bundes. Heft 4 / Dezember 2006 Azzola, Friedrich, Karl - Gedenkmal eines Jägers von 1482? Das Steinkreuz bei Tübingen-Unterjesingen, in: Schwäbische Heimat, 41.Jg., Jan.-März 1990, Heft 1, S.54-56
Bergner, Heinrich (Hrg.) - Handbuch der Bürgerlichen Kunstaltertümer in Deutschland, 2.Band, Leipzig 1906
Darwin, Randolph, Charles - Die Entwicklung des Priestertums und der Priesterreiche oder Schamanen, Wundertäter und Gottmenschen als Beherrscher der Welt, Leipzig 1929
Deutsche Gaue, 30.Band, 1929, 2. Lief., Nr.573-576, S.38
Götzinger, Dr. E. - Reallexikon der Deutschen Altertümer. Ein Hand- und Nachschlagebuch der Kulturgeschichte des deutschen Volkes, Leipzig 1885
Grabplatten und Handwerkerplatten, in: Deutsche Gaue, Jahrgang 6, 1904/05, S.53-65
Henne am Rhyn, Dr. Otto - Kulturgeschichte des deutschen Volkes, Erster Teil, 1886
Mittler, Elmar / Werner, Wilfried - Codex Manesse, die Große Heidelberger Liederhandschrift. Katalog zur Ausstellung, Universitätsbibliothek Heidelberg 1988
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Scheible, J. (Hrg.) - Das Spieß-Recht wie es die Landsknecht führen mit den langen Spießen, in: Die gute alte Zeit geschildert in historischen Beiträgen zur näheren Kenntniß der Sitten, Gebräuche und Denkart, vornehmlich des Mittelstandes, in den letzten fünf Jahrhunderten; nach großentheils alten und seltenen Druckschriften, Manuscripten, Flugblättern ec., Stuttgart 1847, S.25-38


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