Deutschland Rheinland-Pfalz Kreisfreie Stadt Landau in der Pfalz

Landau i.d. Pfalz


Blick zum Standort

Detail Inschrift

PLZ: 76829

GPS: N 49° 11,925', O 8° 6,918'

Standort: Kruzifix im Kreuzgang Augustinerkloster.

Größe / Material: ca. 500:190:25-40 / Sandstein

Geschichte: Neben kath. Pfarrkirche zum Heiligen Kreuz, gute Arbeit um 1490, Arme und Füße leider abgebrochen. Werk wird dem Heilbronner Meister Hans Syfer zugeschrieben (der auch den Ölberg in Speyer schuf). Das Kruzifix wurde im 2.Weltkrieg zerstört und 1957 aus 26 Bruchstücken wieder zusammengesetzt.
Titulus dreisprachig - mit Fantasie-Buchstaben.

Sage:

Quellen und Literatur:
Verzeichnis des Lapidariums von 1947: B. gotisches Kruzifixus, in 26 Stücken aus weißem Sandstein.
Medding, Wolfgang - III. Der Meister des spätgotischen Kruzifixes in Landau, in: Drei Bildhauer der Spätgotik in der Pfalz, in: Pfälzer Heimat 1958, S.20f.
Meisterwerk der Spätgotik, in: Rheinpfalz, 20.8.1964, Nr.192
Dehio 1984, S.538 und KD LD 55, Fig.20
recherchiert und bebildert von Rudolf Wild, Annweiler-Queichhambach (Fotos von 2007 und Februar 2013)



III. Der Meister des spätgotischen Kruzifixes in Landau

Am östlichen Kreuzgangsflügel der Augustinerkirche in Landau stand bis zum letzten Kriege ein spätgotischer Kruzifixus von besonderer Schönheit und Ausdruckskraft. Er gehört in die Reihe der monumentalen spätgotischen Kreuzigungsdarstellungen, die in der Nachfolge des Nikolaus Gerhart Ende des 15. und zu Beginn des 16.Jahrhunderts am Ober- und Mittelrhein und in Schwaben entstanden sind. Diese auf das Vorbild des Baden-Badener Kruzifixes von Nikolaus Gerhart zurückgehenden Steinkreuze haben alle das Streben nach Naturwahrheit bei der Darstellung des Körpers Christi wie auch bei der Wiedergabe des Holzkreuzes gemeinsam. Auch der Landauer Gekreuzigte gehört in diese Reihe. Auch er zeigt einen Realismus in der Wiedergabe der Anatomie des menschlichen Körpers wie in dem leiderfüllten Ausdruck des Gesichtes, das bereits von der Majestät des Todes gezeichnet ist, wie das Gerhart'sche Vorbild und die meisten der unter dessen Einfluß entstandenen Kruzifixe am Oberrhein. Und dennoch sind sie in der individuellen Durchführung durchaus verschieden und zeigen unterschiedliche Interpretationen des gleichen Themas, welche durch die verschiedenen Meisterhände, d.h. also die individuelle Handschrift der Künstler bedingt sind.
Das Landauer Kruzifix war schon vor dem letzten Weltkrieg erheblich beschädigt. (Vgl. Kdm. d.Pf. Bd.2.) Füße und Arme Christi fehlten und kleinere Beschädigungen waren an Nase und Dornenkrone vorhanden. Im 2.Weltkrieg wurde der Kreuzigungsflügel, an dem das Kreuz stand, durch Bombentreffer zerstört. Dabei zerbrach auch das Korpus in mehrere Teile. Die einzelnen Stücke wurden von der Stadtverwaltung Landau sorgfältig aufbewahrt und in Kisten verpackt. Sie sind unter Mitwirkung der Staatlichen Denkmalpflege im Frühjahr 1957 wieder zusammengesetzt und an der gegenüberliegenden Seite des Kreuzganghofes an der Wand des ehemaligen Augustinerklosters wieder aufgestellt worden. (Abb. Pf. Heimat 1957, S.149.)
Die Ausführung dieses Kruzifixes ist von so individueller Prägung, daß es eigentlich nicht schwer fallen sollte, den Künstler zu bestimmen. Von der Kunstgeschichtsforschung sind bereits verschiedene Vorschläge gemacht worden, die jedoch keineswegs befriedigen. So wurde in dem 1951 erschienenen Bande "Rheinhessen und Pfalz" des Handbuches der deutschen Kunstdenkmäler von Dehio-Gall Hans Backoffen als Meister genannt. Nun ist das Problem "Hans Backoffen" noch keineswegs eindeutig gelöst. Vieles von dem, was unter seinem Namen läuft, hat nur sehr wenig mit ihm zu tun und außerdem verteilt sich bei seinen großen zyklischen Darstellungen die Ausführung der einzelnen Figuren auf verschiedene Werkstatt-Hände, wenn auch der Gesamtentwurf der Kompositionen auf den Hauptmeister, also Hans Backoffen selbst, zurückgeht. Andere, zweifellos von ihm geschaffene Werke werden ihm noch abgesprochen oder als "Schulwerke" bezeichnet. Nehmen wir jedoch nur die gesicherten eigenhändigen Werke, nämlich die Kruzifixe ohne die zugehörigen Nebenfiguren im Frankfurter Dom, auf dem Peterskirchhof in Frankfurt, in Hattenheim, in Wimpfen, bei St. Ignaz in Mainz und in Hessenthal, so zeigt sich in diesen in Typus und Stil sehr übereinstimmenden Christusdarstellungen eine von dem Landauer Kruzifix stark abweichende Auffassung. Die Gesichter der Christusfiguren bei Backoffen sind lang und großflächig, die Haare aufgelockert und bewegt, die Dornenkrone ist dicht geflochten und sehr schwer und ausladend. Auch die Körper sind besonders massig und fest, der Bau des Brustkorbs z.B. ist ein völlig anderer wie bei dem Gekreuzigten in Landau; in der Brusthöhle laufen die Rippen nicht im Winkel zusammen, sondern sie sind fast halbkreisförmig gerundet. Die Faltengebung des Gewandes ist bei Backoffen unruhiger, nervöser, mit den für ihn typischen kleinen Kniff-Falten durchsetzt. Demgegenüber ist das Korpus in Landau hagerer, die Körperformen sind weicher und mehr verschliffen. Die Falten des Lendentuches sind sehr viel ruhiger und fast nach einem schematischen System geordnet. Das alles sind Unterschiede, die stark ins Gewicht fallen.
Auch ein anderer Vorschlag, den großartigen Kruzifixus in der Abteikirche zu Maulbronn mit dem Landauer in Zusammenhang zu bringen und beide dem Conrad Syfer zuzuschreiben, will keineswegs überzeugen. Jener ist C.V.S. signiert und 1473 datiert, also sehr bald nach dem Baden-Badener und noch unter seinem unmittelbaren Einfluß entstanden. Auch hier sind Gesichtstypus und Körperbau von dem Landauer Christus sehr verschieden. Dieses mächtige Haupt mit der zwar locker geflochtenen, aber schweren und stark ausladenden Dornenkrone ist völlig anders wie bei dem Landauer Christus. Das gleiche gilt für die Haarbehandlung und die Faltengebung des stark bewegten Lendentuches. Auch die stärker hervorgehobene naturalistische Ausbildung der Holzmaserung des Kreuzes läßt eine andere ausführende Hand erkennen. Ganz abgesehen von dem bewußt spielerischen Motiv der Augenlider, die je nach Blickstandpunkt geöffnet oder geschlossen erscheinen. Der Maulbronner Gekreuzigte hat etwas ausgesprochen Herrisches und Majestätisches. Demgegenüber wirkt der Landauer bei aller Feinheit der Ausführung kleinbürgerlich. Es sei ganz davon abgesehen, daß auch die Zuschreibung des Maulbronner Kruzifixes an Conrad von Sinsheim = Conrad Syfer, von dem man nur weiß, daß er in Straßburg am Nordportal des Münsters die nicht mehr erhaltene Gruppe des Martyriums des hl. Laurentius geschaffen hat, recht zweifelhaft erscheint. Die ihm zugeschriebene, spätgotische Sonnenuhr von 1493 am Straßburger Münster mit dem bärtigen Alten (Vgl. Abb.57 bei L. Fischel, a.a.O.) zeigt jedenfalls wesentlich andere Stilmerkmale.
Der Christuskopf in Landau weist nun starke stilistische Übereinstimmung mit einem Christuskopf im Heilbronner Museum auf, der von einem ehemaligen Kruzifix daselbst stammt und vor einigen Jahrzehnten wieder aufgefunden wurde. Man hat diesen als ein Werk des Heilbronner Meisters Hans Syfer erkannt. Tatsächlich stimmt er mit dem Christus des Hans Syfer in der Predella des ehemaligen Altares der Heilbronner Kilianskirche auffällig überein. Auch mit den übrigen Christusdarstellungen dieses Meisters, dem der Grablegung Christi von dem großen Relief im Wormser Dom, das man mit Recht dem gleichen Bildhauer zugeschrieben hat, und schließlich dem etwas späteren Kruzifix an St. Leonhard in Stuttgart, das ebenfalls für ihn beglaubigt ist, ist dieses Heilbronner Fragment eines Gekreuzigten aufs engste verwandt. (Vergl. Abb. bei Schnellbach Nr.3, 27, 35, 38.) In diese Entwicklungsreihe paßt auch das Landauer Kruzifix. Es ist offenbar zeitlich zwischen dem Grablegungsrelief in Worms, das 1488 datiert ist, und dem Heilbronner Altar von 1498 anzusetzen. In dieser Zeit mag auch der Heilbronner Gekreuzigte, dem er stilistisch am nächsten steht, anzusetzen sein. Die weichen verschliffenen Formen in der Körperbehandlung des Landauer Christuskörpers entsprechen genau denen der Ecce-homo-Darstellung in der Predella des Heilbronner Altares, wie ebenso den Körperformen der Christusfigur aus der Grablegung in Worms. Das gleiche gilt für die Formen der gedrehten Haarlocken, die vom Kopf auf die Schulter herabhängen, wie für die wohlgeordneten und weichen Knitterfalten am Lendenschurz des Landauer Kruzifixes.. Der Vergleich mit beglaubigten Werken von Hans Syfer in Worms und Heilbronn ist überzeugend. Es dürfte daher keine Frage sein, daß auch das Landauer Kruzifix ein Werk des für die Pfalz schon durch seine Tätigkeit am Speyerer Ölberg nachgewiesenen Meisters Hans Syfer von Heilbronn dargestellt.

Wolfgang Medding

(Pfälzer Heimat 1958, S.20f.)


Sühnekreuze & Mordsteine