Deutschland Rheinland-Pfalz Lkr. Mayen-Koblenz

Mendig


Detail Ädikula
Foto: Pung (2009)

Inschrift zur
Neusetzung der
Kopie von 1984
Foto: Pung (2009)

Zustand 2006
Foto: Blaszczyk

Feierl. Einsegnung
des neuen
Golokreuzes
Abbildung bei
Lehmann-Brauns
(1986)

Originalkreuz
Abbildung bei
Müller-Veltin (1980)

Inschrift nach
F. Hörter jr.
veröffentlicht bei
Müller-Veltin (1980)

PLZ: 56743

GPS: N 50° 21,669', O 7° 17,448'

Standort: An der B 256 gegenüber Abzweig L 120, unter Baumgruppe.

Größe / Material: (Kopie)

Geschichte: Die Originaleile wurden mit neuen Kopf in der Fraukirch aufgestellt. Proportionen, Form, Dekor und Funktion vereinen sich an diesem Schöpflöffel zu Harmonie und verhaltener Schönheit. Auf einem sechsseitigen Sockel steht der Schaft als Säule, die am Rücken abgeflacht und an ihren Rundungen mit einer in elf Zeilen gefaßten Buchstabenkette bedeckt ist. Hier an dieser Stelle wurde der Ritter Golo hingerichtet, indem er von 4 Ochsen in Stücke gerissen wurde. Er hatte die Pfalzgräfin Genovefa von Brabant zu Unrecht des Ehebruchs bezichtigt. Sie ertrug in großer Demut ihr Leid bis zu dem Tag, an dem ihre Unschuld und Ritter Golos Verleumdung entdeckt wurden, sie wünschte sich zu Dank ihrer Rettung eine Kirche auf ihrem Grab, die Fraukirch. Die Inschrift des Golokreuz lautet auf Hochdeutsch: "Gegrüßet seist Du, Maria, Königin der Barmherzigkeit, Leben und Süßigkeit und unser Hoffen, gegrüßet seist Du; zu Dir rufen wir elendiglichen kinder Evas. Zu Dir seufzen wir, schrein und weinen in diesem Tal der Tränen. Und darum, Du unsere Führsprecherin, kehre Deine barmherzigeen Augen zu uns, und zeige nach diesem elenden Beweis uns Jesum Christum, die gebenedeite Frucht Deines Leibes, o barmherzige Maria." (Blaszczyk 06/2009)

Benennungen: "Golokreuz", "Höhtges-Kreuz", "Hütgeskreuz", "Höttcheskreuz". Der Nischenkopf wurde am 29.04.1977 gestohlen, heute steht eine komplette Kopie am Standort. Den Rest (Schaft mit Sockel) des Originalbildstocks findet man in der Kirche in Fraukirch. 1984 wurde die Kopie am alten Standort aufgestellt. Auf der Rückseite des Sockels erinnert eine Inschrift daran:
GOLOKREUZ
VON
1472
ZERSTÖRT
1977
ERSTELLT
AD 1984
STEFAN KEUSER
UND SEINE
STEINMETZE
Darunter ein Steinmetzzeichen. Der Standort gehört zur Gemarkung Mendig. In der älteren Literatur wurde das Golokreuz auch unter Thür geführt. (Pung 02/2009)

[...] Diese hier genannte Familie Bieigen oder Byelgen oder Beigen, später Bellen, wahrscheinlich die Ahnen der bis jetzt hier existierenden Familie Bell (sie lebt bis heute, 1984), hat das Verdienst, das ein Glied derselben, Clais Beigen, der Verfertiger des sogenannten Höhtges Kreuz an der Thürer Grenze neben der von Andernach nach Mayen führenden Straße, unseres ältesten kunstreichen Denkmals vom Jahre 1472 ist. Die Inschrift desselben wird später in diesem Lagerbuch mitgetheilt werden.
Das Lagerbuch mit Abschriften alter Urkünden wurde 1847 vom damaligen Pfarrer angelegt. Mit der Erwähnung in diesem Mendiger handgeschriebenen Folianten tritt das Höhtges-Kreuz, das inzwischen Golokreuz heißt und von Clais Beligen nicht "verfertigt", sondern gestiftet wurde, seine späte Wirkungsgeschichte an. Denn derselbe Pfarrer, der im Lagerbuch das Höhtges-Kreuz nannte und schon seine Inschrift ankündigte, fand dann heraus, daß sie mit geringen Veränderungen die Übersetzung des lateinischen Gebetes "Salve Regina" ist, die mit den Worten beginnt: "GEGROCET SISTU MARIA". Das veröffentlichte er 1876 im Mayener Sonntagsblatt und regte damit die Forschung an. Bereits zwei Jahre später erschien ein Artikel im "Jahrbuch des Vereins von Altertumsfreunden im Rheinlande" mit genauer Beschreibung des Höhtges-Kreuzes und einer ersten Analyse des in Mundart, mit vielen Abkürzungen geschrieben, schwer zu identifizierenden Textes. Derselbe Artikel befaßte sich noch kurz mit dem Genovefa-Kreuz. Die übrigen, weniger spektakulären Schöpflöffel und Basaltlavakreuze in der Eifel "entdeckten" die Wissenschaftler erst in den zwanziger Jahren unseres Jahrhunderts. Beispielhafte Exemplare wurden dann in das Inventar der Kunstdenkmäler der Rheinprovinz aufgenommen.
Woher der Name Höhtges-Kreuz und die Varianten Höttcheskreuz, Hütgeskreuz kommen, ist ungeklärt. 1878 schrieb ein Heimatforscher, der Name leite sich aus der Verkleinerungsform von Hut, also Hütchen, mundartlich "Höhtchen", ab. Mit Hütchen war der Nischenkopf gemeint, und tatsächlich ist von Einheimischen auch heute gelegentlich die Bezeichnung Hut dafür zu hören. Der neue, volkstümliche Name Golokreuz tauchte schriftlich zum erstenmal 1864 auf, müßte aber noch eine Schöpfung der Romantik sein. Denn in dieser Epoche erlebte die Genovefa-Legende, die ihren Ursprung im Maifeld hat und in der Golo als Übeltäter eine Hauptrolle spielt, weiteste Verbreitung, mehr noch, man versuchte, die Sage als wirkliches Geschehen zu beweisen. Und so meinte man, am Errichtungsort des Beligenmals von 1472 die Hinrichtungsstelle des Golo gefunden zu haben. Aus dem Höhtgeskreuz wurde nun das Golokreuz. Vor demselben Hintergrund fand die Umbenennung des Mayener Schlosses zur Genovefaburg mit dem Bergfried Goloturm statt.
Bis 1977 stand das Golokreuz an seinem angestammten Platz, etwas hochgelegen neben der Landstraße (B 256) und umgeben von Akazien. Von dort aus sieht man den alten Prozessionsweg sich durch die Felder schlängeln und hinter einem sanften Hügel noch eben Dach und Turm der Fraukirch aufragen, Ziel der Pilger damals wie heute. Am 29.April 1977 bemerkte ein Mann aus Thür, daß am Golokreuz der Nischenkopf fehlte, fünf Tage später lagen Schaft und Sockel hinter einer Akazie. Wahrscheinlich war der heimliche Abtransport gestört worden. Noch am selben Tag wurden die ihres Hauptes beraubten Teile in Sicherheit gebracht. Diebe, von denen bis heute jede Spur fehlt, hatten sich an dem wertvollsten Stück der volkstümlichen Eifeler Steinmetzkunst vergriffen, an einem der bedeutendsten deutschen religiösen Wegemale des späten Mittelalters. Die folgende Beschreibung stützt sich auf historisch gewordene Fotos im Orginalzustand und auf die existierenden Restteile.
Proportionen, Form, Dekor und Funktion vereinen sich an diesem Schöpflöffel zu Harmonie und verhaltener Schönheit, die nur ein Künstler erreichen konnte. Auf einem sechsseitigen pyramidenförmigen Sockel steht der Schaft als Säule, die am Rücken abgeflacht und an ihrer Rundung mit einer in elf Zeilen gefaßten Buchstabenkette bedeckt ist. Der strenge, in Relief herausgehobene Rhythmus der gotischen Minuskeln, von der Senkrechten getragen, und die Klarheit der Buchstaben in dem rauhen Material lassen den Text auch zum Ornament werden. In zwei senkrechte Spalten gegliedert, die ein schmales Band trennt, setzt er sich noch auf drei Sockelseiten fort. Wie ein Kopf auf dem Hals, so steckt der giebelför-mige Nischenkopf auf der kräftigen Säule, die er rechts und links nur wenig überragt. Die gestreckte Linie des Schöpflöffels bleibt gewahrt. Das Textband um den Nischenrand ist auch Zierde: "DATUM ANNO DOMINI MCCCCLXXII (1472) IM AUSTMANOT (August)." Stifter "CLAIS BELIEN" ließ sich auf der Säulenrückseite stattlich verewigen.
Als Flankenschutz waren die großen Rautenkreuze am Nischenkopf gedacht. Auch das imposante Stabkreuz auf der Rückseite sollte, nach damaliger Vorstellung, böse Mächte fernhalten. Der Mühlstein, auf dem das insgesamt über zwei Meter hohe Golokreuz steht, verschwand früher unter der Erde. Grob zugeschlagen, "gespitzt", aber noch nicht "geflächt", geglättet, sollte er nur dem Halt dienen und war in die Gesamtkomposition nicht einberechnet. Nach einer Straßenverbreiterung und damit verbundenen kleineren Versetzung vor mehreren Jahrzehnten grub man den Mühlstein nicht wieder unter. Alle vier Teile, Mühlstein, Sockel, Säule und Nischenkopf sind übrigens miteinander verzapft und ausnahmsweise nicht aus einem Block. Das zeigte sich nach dem Diebstahl des Kopfstücks und anschließenden Untersuchungen.
Die Bedeutung des Golokreuzes gründet sich vor allem auf den ausführlichen deutschen Gebetstext in einer Zeit, als Latein noch vorherrschend die Sprache in der Kirche war. Deutsche Kirchenlieder wurden zum Beispiel nur bei Wallfahrten und Prozessionen gesungen, nicht aber während des Gottesdienstes. Die Pioniertat fand überregionale Beachtung. In die deutsche Übersetzung des "Salve Regina", die nicht identisch mit dem "Gegrüßt seist Du, Maria" ist, floß auch Mundart ein.
Mit der Anrufung der "Königin der Barmherzigkeit" und "unserer Fürsprecherin" ist das Golokreuz am Weg zur Marienwallfahrtskirche Fraukirch Ausdruck für den Kult um Maria, die als Schutzheilige tief verehrt wurde. Nur wenige Basaltlavakreuze und -mäler sind außer diesem "IN die EHR DER MUTTER GOTTES" errichtet, und dann nicht in solcher grandiosen Form. Manchmal wurde ihr Name wie zur Anrufung um Schutz eingeschrieben. Im allgemeinen erscheint Maria aber als Schmerzensmutter. So ist sie auch auf den späteren bildlichen Darstellungen nicht die strahlende Himmelskönigin. Die Flur- und Wegemale beherrschende Passionsfrömmigkeit zeigt sie als Mutter des Gekreuzigten.
Die Inschrift des Golokreuzes lautet auf Hochdeutsch: "Gegrüßest seist Du, Maria, Königin der Barmherzigkeit, Leben und Süßigkeit und unser Hoffen, gegrüßet seist Du; zu Dir rufen wir elendiglichen Kinder Evas. Zu Dir seufzen wir, schrein und weinen in diesem Tal der Tränen. Und darum, Du unsere Fürsprecherin, kehre Deine barmherzigen Augen zu uns, und (ergänzt: zeige) nach diesem elenden Beweis uns Jesum Christum, die gebenedeite Frucht Deines Leibes, o barmherzige Maria."
Der Orginaltext mit ausgeschriebenen Abkürzungen, die als Querbalken den Buchstaben aufliegen, heißt:
"GEGROCET SISTU MARIA, KOENIGINE DER BARMHERCZCIET; LEUEN IND SOSSICHET IND UNS HOFFEN, GEGROCZT SISTU. ZO DIR ROFFEN MIR, ELLENDICH EVEN KINTDER, ZO DIR SVFCZCEN MIR, SCHRIEN VND WEINEN IN DISME DAL DER TRENEN. OCH DAR VMB, DU VNS VURSPRECHERINEN, KERE DIN BARM-HERCZCIE AUGEN ZO VNS, VND NACH DIES-ME ELLEND BEWIS UNS IHESUM CHRISTUM, DIE GEBENEDIDE FRVCHT DYNS LICHAMS, O BARMHERCZCIE MARIA."
Hier der lateinische Urtext dazu:
"Salve Regina, mater misericordiae, vita, dulcedo et spes nostra, salve. Ad te clamamus exules filii Evae. Ad te suspiramus gementes et flentes in hac lacrimarum valle. Eia ergo, advocata nostra, illos tuos misericordes oculos ad nos converte et Jesum, benedictum fructum ventris tui, nobis post hoc exilium ostende. O Clemens, o pia, o dulcis virgo Maria!"
Im Vergleich ergeben sich kleine Abweichungen der Übersetzung. So ist zum Beispiel am Anfang "Maria" hinzugefügt worden. Ursprünglich waren die Buchstaben bemalt, wie Spuren von Farbe bewiesen. Sieben Jahre nach dem Verschwinden des Hauptes des Golokreuzes wurde am Schmerzensfreitag (dem Freitag vor Karfreitag) 1984 eine orginalgetreue Kopie am selben Standort vom Thürer Pfarrer feierlich eingesegnet, und drei Prozessionen aus Niedermendig und Thür machten an diesem jahrhundertelang aufgesuchten Schöpflöffel ausnahmsweise wieder einmal Halt, ehe sie weiter zur Fraukirch zogen. Schon lange verloren sich Kreuze und Nischenmäler aus dem Zusammenhang mit Prozessionen.
Für die Stiftung der Kopie zeichnete der Diplomingenieur und Chef einer Basaltlavafirma, "STEFAN KEUSER UND SEINE STEINMETZE", wie es auf der Rückseite des Schaftes gleich unter "CLAIS BELIEN" zu lesen steht, verantwortlich. Keuser kam finanziell allein für Her- und Aufstellung auf, wie er nicht ohne Stolz erklärte. Denn er habe sich irgendwie verpflichtet gefühlt, auch habe es ihm Spaß gemacht, dieses berühmte spätmittelalterliche Kreuz wiederzuerrichten. Er sei irritiert gewesen über die Veränderung des von Kindheit an vertrauten Anblicks und die Störung einer Tradition. Unumwunden gab er zu: "Da steckt auch ein Stück Reklame darin für unser Material, das seit der Steinzeit hier abgebaut wird." Sein Steinmetz, Meister Grün, hatte bei seiner Kopie auf eine orginalgetreue Nachbildung zurückgreifen können, die ein Kottenheimer Bildhauer vor dem Zweiten Weltkrieg auf Bestellung für einen Mainzer Privatpark angefertigt hatte. "Beim Meißeln der engen Buchstaben muß man aufpassen, daß kein Schriftbalken abbricht," erklärte Grün, "aber, wenn man weiß, wie mans anpackt, ist es nicht schwer." Er ist einer der erfahrensten Steinmetzmeister von Mendig, seine Lehrlinge lernen früh, auch ein einfaches Kreuz zu schlagen. Nach der Kopie des Golokreuzes an der Landstraße vervollständigte Grün auch noch das von den Dieben auseinandergerissene Orginal. Am 9.September 1985 wurde es dann mit dem Ersatzkopf in der Fraukirch aufgestellt, im Boden verankert, um vor erneutem Zugriff sicher zu sein. An den Kosten beteiligte sich das Landesamt für Denkmalpflege in Mainz. (Lehmann-Brauns 1986)

[...] Der volkstümliche Marienkult muß weithin im Sinne der Zuflucht zu der Fürsprecherin gesehen werden. Dies kommt auch bei dem dritten dieser Denkmäler, 1472, zum Ausdruck, das bei Thür auf dem Wege von Obermendig zum Marienkultort der Fraukirch gestanden hat. Das aus dem Stein gehauene Gebet des Salve Regina in der Volkssprache, der flehende Ruf zur "Königin der Barmherzigkeit", ist ein ergreifendes Zeugnis für das Schutzbedürfnis des "im Tal der Tränen" den irdischen Nöten unentrinnbar preisgegebenen Menschen.
Dieses bekannteste und im Blick auf die Inschrift in der Tat auch einmalige und eindrucksvollste der Beligen-Mäler, zugleich "das wichtigste Denkmal volkstümlicher Steinmetzkunst" im hiesigen Gebiet, darf aber auch in einem größeren räumlichen Zusammenhang als eines der bedeutendsten religiösen Wegmäler des Spätmittelalters bezeichnet werden.
Das Kulturdenkmal ist vor kurzem, noch während der letzten Arbeiten an diesem Buch, von Antiquitätendieben heimgesucht worden. Der Kopf mit der Sakramentsnische ist nunmehr verloren. Schaft und Sockel, von den Tätern bereits umgelegt, konnten aber gerettet werden.
Nach der Zerstörung zeigte sich die Konstruktion des Mals, die bisher nicht bekannt war. Die vier Einzelteile - Nischenkopf, Säulenschaft, Sockel und Mühlsteinfuß - waren exakt miteinander verzapft. Auf diese Weise ergab sich ohne Bindemittel oder Eisenklammerung eine optimale und dauerhafte Standfestigkeit. Der Mühlsteinrohling als Fuß war ursprünglich vorgesehen, sollte aber - ebenso wie der unterste, abgewinkelte und nur grob bearbeitete Teil des konischen Sockels - ohne Zweifel in der Erde sitzen; dementsprechend muß man sich auch die ursprüngliche Aufstellung denken. Der letztbekannte Befund muß auf eine Versetzung des Denkmals zurückgehen, bei der es nicht mehr mit dem Fuß in die Erde eingelassen wurde.
Die erhabenen Lettern der Inschrift waren auf dem dreiviertelrunden Schaft einmal farbig gefaßt; Spuren einer Grundierung und Fassung zeigten sich aber auch in der Sakramentsnische. Der Befund einer Polychromie an alten steinernen Weg- und Grabmälern, häufig auch nur an den plastischen Bildteilen, ist indessen nicht ungewöhnlich.
Das Mal wurde im 19.Jahrhundert - ältere Erwähnungen sind bisher nicht bekannt - "Höhtges-Kreuz" und "Hütgeskreuz" genannt; bei der heimischen Bevölkerung war selbst noch in den ersten Jahrzehnten dieses Jahrhunderts die Bezeichnung "Höttcheskreuz" allgemein gebräuchlich. Inzwischen hat sich der Name "Golokreuz" durchgesetzt - in Verbindung mit der Erzählung, an dieser Stelle sei das Urteil der Vierteilung an dem bösen Golo aus der Genovefasage vollstreckt worden. Die neue Benennung, die erstmals im 19.Jahrhundert auftaucht, ist offensichtlich "gelehrten" Ursprungs und im Zusammenhang mit den romantischen und historistischen Tendenzen der Zeit zu sehen; auch die Burg in Mayen und deren Bergfried erhielten damals ihre Namen im Bezug auf die Genovefasage. Die hier wichtigere alte Bezeichnung des Mals ist nicht eindeutig erklärbar.
Auf eine Kreuzbekrönung wurde bei diesem - im Volksmund dennoch als "Kreuz" bezeichneten - Nischenmal wieder verzichtet; in gleicher Sinnbedeutung sind aber die drei erhabenen Schutzkreuze seitlich und rückwärts auf dem Nischenkopf zu verstehen. Das Fehlen der sonst üblichen Namen Jesu oder bestimmter Heiliger auf dem Rand um die Nische mag mit dem Vorkommen der Namen Ihesus und Maria in dem Gebetstext zu erklären sein. Wie auch bei den anderen Beligen-Mälern, zeigen sich Spuren von der Verankerung eines ehemaligen Gitters. In der Datierungsinschrift findet sich zum ersten Mal ein Monatsname. [...]
Die ältesten inschriftlichen Zeugnisse auf Basaltlava-Kreuzen oder Nischensteinen christlicher Zeit finden sich 1461 bis 1473 auf den vier Malern des Stifters Clais Beligen (u.ä.), denen ein besonderes Kapitel gewidmet ist. Zur Wiedergabe der Inschriften in gotischer Minuskel ist anzumerken, daß auch hier - und zwar zugunsten eines besseren Lesebildes - ausgelassene Buchstaben, für deren Auslassung ein betreffendes Zeichen steht, ohne Kennzeichnung eingesetzt werden; einen Vergleich mit der Originalinschrift erlauben ja weitgehend die Abbildungen. Es sei aber betont, daß an manchen Stellen, besonders bei den Inschriften 3 und 5, die wiedergegebene Lesung noch Versuch ist. Eine philologische Untersuchung dieser Inschriften liegt noch nicht vor, möchte allerdings durch diese Publikation angeregt werden. Beachtenswert wäre dabei auch die Frage nach den Texttraditionen und dem Einfluß der landschaftlichen Sprache auf die Schreibung. [...]
Ein Jahrzehnt später finden wir eine der bemerkenswertesten Kreuz- oder Bildstockinschriften überhaupt. Sie enthält das deutsche SALVE REGINA. Der Gebetstext steht auf dem etwa dreiviertelrunden Schaft angeordnet in zwei Spalten, getrennt mit durchlaufendem Strich, und ist weitergeführt auf den drei vorderen, trapezförmigen, Flächen des Sockels, wo die Zeilen über die Kanten hinweg durchlaufen. Die Schrift war einmal farbig gefaßt. Der Name des Stifters steht auf der abgeflachten Rückseite des Säulenschaftes.
DATUM ANNO DOMINI MCCCCLXXII (1472) IM
14 AUSTMANOT
(August). - GEGROCET SISTU MA-
RIA, KOENIGINE DER BARMHERCZCIET; LEU-
EN IND SOSSICHET
(Süßigkeit) IND VNS HOF-
FEN, GEGROCZT SISTU. ZO DIR ROFFEN MIR,
ELLENDICH EVEN KINTDER, ZO DIR SVFCZ-
CEN MIR, SCHRIEN VND WEINEN IN DISME
DAL DER TRENEN. OCH DAR VMB, DU VNS
VURSPRECHERINEN, KERE DIN BARMHERCZ-
CIE AUGEN ZO VNS, VND NACH DIESME EL-
LEND BEWIS
(weise) VNS IHESUM CHRISTUM,
DIE GEBENEDIDE FRVCHT DYNS LICHAMS, O
BARMHERCZCIE MARIA.

Auf der Rückseite
CLAIS BELIEN.
Das lateinische SALVE REGINA erfuhr seit dem 15.Jahrhundert zahlreiche Übertragungen ins Deutsche, aber vorwiegend in Form eines Kirchenliedes. Gegenüber diesen oft sehr freien Fassungen beziehungsweise Nachdichtungen hält sich unsere Inschrift an den lateinischen Originaltext, außer der Einfügung des Namens maria am Anfang und einer Kürzung am Ende. Beachtenswert ist an einigen Stellen der offensichtlich mundartliche Einfluß. [...]
1977 wurde das unter allen hervorragende Denkmal, das spätmittelalterliche "Golokreuz", ein Opfer von Dieben. Der Nischenkopf, mit der Jahreszahl 1472 und dem Relief eines Stabkreuzes auf der Rückseite, wurde entwendet; der geplante Abtransport der übrigen Teile ist nur durch Zufall mißlungen. [...] Die Rettung von Schaft und Sockel, mit der Inschrift des mittelhochdeutschen Salve Regina, ist vor allem der Wachsamkeit von Herrn Leo Waldorf, Thür, zu verdanken. Er hat am 29.April 1977 zunächst das Fehlen des Nischenkopfes bemerkt und gemeldet; es wurde Anzeige bei der Kriminalpolizei erstattet. Der Kopf war mittels Steinzapfen im Schaft verankert gewesen, Meißelspuren zeigten die "fachmännische" Arbeit der Diebe beim Herauslösen (zu erwähnen ist das zeitliche Zusammentreffen mit einem "Internationalen Trödelmarkt", der an den beiden folgenden Tagen in Mayen stattfand, doch ist ein Zusammenhang nicht sicher). Wenige Tage später, am 5.Mai, wurde plötzlich festgestellt, daß Schaft und Sockel behutsam aus dem Mühlstein gehoben und so hinter den Stamm des nahen Baumes gelegt worden waren, daß sie von der Straße aus nicht gesehen werden konnten. Jetzt stand fest, daß auch deren Abtransport geplant war - nur irgendeiner Panne ist wahrscheinlich zu verdanken, daß die Teile noch hier lagen. Die Situation bot die Chance, die Kreuzdiebe zu stellen; allerdings war dann der Platz ununterbrochen zu beobachten, denn das Risiko des Verlustes durfte keinesfalls eingegangen werden. Die Polizei, mit der ich verhandelte, konnte aber den Schutz nicht voll garantieren (Personalmangel). So wurden Schaft, Sockel und Mühlstein noch am gleichen Tag in Sicherheit gebracht. (Müller-Veltin 1980)

Sage: An dieser Stelle sei das Urteil der Vierteilung an dem bösen Golo aus der Genovefasage vollstreckt worden.

Quellen und Literatur:
Lehfeldt, Paul - Die Bau- und Kunstdenkmäler des Regierungsbezirkes Koblenz, Düsseldorf 1896, S.432
Hörter, Fridolin - Die vier ältesten datierten Bildstöcke des Kreises Mayen, in: Rhein-Zeitung, Beilage Heimat zwischen Hunsrück und Eifel, Nr.5, Koblenz 1961
Müller-Veltin, Kurt - Mittelrheinische Steinkreuze aus Basaltlava, 1980, S.55-56, 146-147, 200, 209 Anm.3 und Abb.149-152, 266 unter Thür
Lehmann-Brauns, Elke - Himmel, Hölle, Pest und Wölfe: Basaltlava-Kreuze der Eifel, 1986, S.72-76, S.139-142
recherchiert und bebildert von Olaf Pung, Thür (Fotos von Februar 2009)
Ergänzungen von Hartmut Blaszczyk, Einbeck (Foto vom 21.09.2006)


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