von 1928 |
von 1936 |
PLZ:
02633GPS:
N 51° 13.251', O 14° 18.896'Standort:
Im östlichen Ortsteil, 3m westlich der Straße Loga / Löschau gegenüber der Einmündung der Straße nach Storcha.Größe / Material:
148-152:65:18 / GranitGeschichte:
Das Steinkreuz wurde zwischen 1928 und 1936 versetzt. Der Standort wurde 1928 mit "Brücke über das Hoyerswerdaer Schwarzwasser" angegeben, 1936 mit "Am Mühlgraben" (vgl. Topographischer Katalog Prischwitz). Es diente auch zeitweise als Pfeiler für das Brückengeländer. 1930 umgestürzt und zerbrochen, dann neu aufgestellt. Ein Teil des Kopfes anzementiert, der Schaft nach Bruch an beiden Schmalseiten durch Eisenklammern geklammert. Offenbar in jüngerer Zeit erneut versetzt. Gesamtlänge 215cm. Auf dem Kopfscheitel neun Näpfchen etwa in der Größe kleiner Eierbecher. Das Loch im südlichen Arm entstand durch die frühere Befestigung im Brückengeländer.Sage:
Ein französicher Offizier soll hier gefallen und begraben sein.Quellen und Literatur:
Im lieben Bautzener Lande, in seinem reich fruchtenden Gefilde um das Kloster St. Marienstern stehen viele Bildstöcke, die der fromme Sinn unserer Landsleute an Weg und Rain stellte, sie sind Zeugen des Dankes für Leben und Wohltat, die ihnen ward. Dunkle Taten aber überliefern andere Steine dem Nachgedenken, Steine in Kreuzesform, die an alten Straßen, im Talgrund, in einsamer Heide sich erheben, ungepflegt, nicht farbenfroh übermalt, meist ohne Jahreszahl oder Inschrift, düster halten sie die Straßenwacht und gemahnen an einen Frevel, der einst hier geschah und dem ein Menschenleben zum Opfer fiel.
So Stand auch bisher ein solches Kreuz an der Brücke über das Schwarzwasser in Dreikretscham. Hinter zwei Prellsteinen halb verborgen, diente es dem schmucklos-nüchternen Eisengeländer als Stütze: In seinen Scheitel hatte man ein Eisen eingezapft, in seine Seiten das Zwischengestänge des Geländers eingedübelt. Bei der Flurumlegung 1925 in seine Schauseite mitten in die Schwertzeichnung ein Grenzkreuz eingemeißelt, das später noch mit schreiend roter Farbe besonders deutlich gekennzeichnet wurde. Vergessen und verschandelt stand das alte Kreuz bis in dieses Jahr.
Da kam am Schießbleichsonnabend jener gewaltige Sturmwind, der tobend vor dem Gewitter einherflog. Er wurde des Kreuzes Helfer, wenn auch ein sehr gewalttätiger: Ein Lastkraftwagen mit Anhänger konnte im wilden Sturmgebraus die scharfe Biegung auf die Brücke nicht einhalten. Der mit Straßenschotter beladene Anhänger fuhr in das Brückengeländer, verbog und zerriss das Gestänge und – brach das Steinkreuz mitten durch.
Mit den Ausbesserungsarbeiten wurde Herr Baumeister Teich-Rattwitz betraut. Auf Wunsch der Gemeinde suchte er das alte Kreuz wieder zu Ehren zu bringen, hat mich um ein Gutachten über den historischen wert des Steines und ließ, um den angerichteten Schaden gut zu machen, das Kreuz heben und seitlich der Brücke aufstellen. Die Bruchstelle musste leider mit Eisenklammern eingehalten und mit getönten Zement ausgefugt werden. Die Gemeindemitglieder und besonders der Gemeindeälteste Herr Gutsbesitzer Rebisch legten hilfreich Hand an und wollten zur Ausschmückung des Platzes am Kreuze noch zwei Trauerweiden pflanzen. So ist aus Unglück und langem leiden für das Sühnekreuz ein Auferstehungstag geworden. Es steht heute würdig und eindrucksvoll am Ufer des Baches und bildet einen schönen Schmuck des Dorfes.
Was aber bedeutet das Kreuz? Im Dorfe geht die Rede, dass hier ein französischer Offizier begraben liege. Der „Säbel“ erinnere noch daran. Fast bei allen Steinkreuzen erzählt man sich diese oder andere Geschichte, sie ist aber zur Erklärung erst verhältnismäßig junger Zeit erfunden worden.
Durch unser Dorf führt ein Zweig der Hohen Straße, die sog. Niedere Straße, die von Crostwitz her kommend hier das Schwarzwasser in einer Furt kreuzte. An die Zeiten alten Handelsverkehrs erinnert auch der Name des Dorfes: An Flussübergängen siedelten sich gern Gasthöfe an, denn bei Hochwasser mußten die Fuhrleute oft tagelang auf die Durchfahrt warten. „Tschackental“ in der verschiedensten Schreibweise werden solche Warte-Gasthöfe genannt: Das Wort stammt aus dem Wendischen: Auf den Straßen aber war es in früherer Zeit oft recht gefährlich, Raub und Mord, Zank und Streit waren an der Tagesordnung, Messer und Schwert saßen locker in der Scheide, und das Leben der Menschen galt wenig.
War aber eine solche Untat wieder geschehen, dann ward der Mörder vor das Gericht „geheischen“. So streng auch das Mittelalter mit Dieben und kleinen Schelmen verfuhr, sie wegen heute kaum strafwürdiger Vergehen an den Galgen knüpfte, ein Totschläger konnte sich freikaufen! Er wurde verurteilt, eine Rom- oder Aachenfahrt zu tun, Seelenmessen für das Heil des Toten zu erkaufen, denen ihn vor das Gericht forderten, Zehr- und Trankgeld zu reichen, bei der Leichenfeier die Totenbahre schmücken zu lassen, das sog. Leichzeichen, und meist am Ort der Untat „eyn steynyn creucze“, „eyne hulczynne marter in eyn eichen houlcz loszin setczen“. Auf dieses Sühnekreuz wurde oft auch die tödliche Waffe abgebildet. Es sollte die Vorübergehenden um ein stilles Vaterunser für das Seelenheil, des plötzlich vom Leben zum Tode gekommenen Mitmenschenbitten, der ja auch meist ohne Tröstung der Kirche verschieden war. Eine solche Untat ist ehedem an der Schwarzwasserfurt in Dreikretscham geschehen, dessen ist das Kreuz Zeuge.
Größe und Ausstattung der Sühnekreuze schwanken. Das von Dreikretscham ist 2,15 Meter hoch und ragt heute wieder wie ehedem 1,50 Meter aus dem Erdboden. Die linke Hälfte der Schauseite ist leicht abgeschrägt, was vielleicht absichtlich geschah in Anlehnung an die Schneide des Schwertes. In dem unteren Drittel der Schauseite findet sich eine kommaähnliche Vertiefung die von der „Zange“ stammen kann, jenem mittelalterlichen Hebewerkzeug, dessen Spuren die Werk- und Mauersteine alter Kirchen, wie des Domes zu Bautzen gleichfalls zeigen. Ein Steinmetzzeichen habe ich vergeblich gesucht. Lediglich die vertiefte Zeichnung eines 85 Zentimeter langen Schwertes mit 20 Zentimeter langer Parierstange und 7,5 Zentimeter breitem Knauf ist noch zu erkennen. Das Blatt ist 6 bis 5,5 Zentimeter breit. Es ist am Ende abgestumpft und ähnelt den mittelalterlichen Richtschwertern.
Auf seinem Scheitel aber sind 10 Näpfchen von 6 bis 4 Zentimetern im Durchmesser angebracht. Sie sind ungleich tief. Ihre Anordnung könnte als grobe Darstellung eines nach rechts schreitenden Pferdes gedeutet werden. Herr Rebisch erzählte, dass er sich mit seinen Freunden als Junge oft auf den Kreuzarmen rittlings gegenüber gesessen und mit kleinen Steinen die Näpfchen weiter ausgedreht habe. Was hier als ein Kinderspiel im vergangenen Jahrhundert lebt, ist altes Volkgut, das unverstanden und seiner Bedeutung entkleidet im Spiele der Jugend noch nachgeahmt wurde. Die Sitte, auf ein Kreuz Steine zu legen und wieder fortzunehmen, gehört zum Brauchtumskreise des „Toten Mannes“. F. Sieber beschreibt in den Bautzener Geschichtsheften 1930 S. 39f. einen solchen Fall: „Bei Platz (Böhmisches Erzgebirge) findet sich ein Denkstein. Dort sollen sich der sage nach vor mehr als 150 Jahren zwei Handwerksburschen gegenseitig erstochen haben. Wenn nun Leute aus dem Gebirge an diesem Steine vorübergehen, so legen sie ein Steinchen, das sie vom Wege aufgehoben, auf den Denkstein, nehmen es auf dem Rückwege wieder weg und werfen es auf den weg. Durch das Hineinlegen und das Wegnehmen der Steinchen ist schon eine ziemliche Aushöhlung entstanden.“
Solchem Totembrauche aber verdanken die Näpfchen der Sühnekreuze zu Dreikretscham, Crostwitz und Zieschütz ihre Entstehung, gleichfalls wohl auch die Schalensteine auf den Oberlausitzer Gräberfeldern des Hussitenberges bei Bloaschütz und des Schafberges von Niederkaina.
Wir haben allerorts den Gefallenen des Weltkrieges Denksteine errichtet, in den europäischen Hauptstädten stehen die Grabmale des Unbekannten Soldaten. Auch das Sühnekreuz zu Dreikretscham erinnert an den „Toten Mann“ und mahnt uns an die Vergänglichkeit des menschlichen Lebens. Heute ist es nun dank der Heimatliebe der Gemeinde Dreikretscham aber auch noch zu einem Zeugen tätigen Heimatschutzes geworden. Möge es nun auch anderen Gemeinden zu einem Vorbilde werden, wie sie die Heimataltertümer ihrer Flur schützen und hüten können aus eigener Kraft und aus eigenem Willen.
(Sonderdruck aus dem "Bautzener Tageblatt", Nr. 197, 1930)