Deutschland Sachsen Lkr. Delitzsch

Oberglaucha / OT von Zschepplin

PLZ: 04849

GPS: N 51° 32.889', O 12° 34.761'

Standort: Südwestlich vom Ort, an der Kreuzung der Straße Wellaune - Hohenprießnitz mit dem Weg Oberglaucha - Noitzscher Heide.

Größe / Material: 83:51:26 / Porphyrtuff

Geschichte: Benennung: "Tetzelkreuz".

Südwestlich vom Ort, im Südostwinkel der Kreuzung der Straße Wellaune-Hohenprießnitz mit dem Weg Oberglaucha-Noitzscher Heide, 1m südöstlich am Weg nach Oberglaucha, 22m von der Kreuzung, 10m nördlich der südwestlichen Giebelseite der ehemaligen Schäferei.
Manchmal als Terzelkreuz bezeichnet (Fritzsche 1934).
Kopf und Arme gerade, Schaft zur Kreuzung zu verjüngend. Porphyrtuff.
Ausrichtung: NW-SO.
SW-Seite, nur noch auf dem Schaft erkennbar, eingeritzt im Umriß: Klinge von Hieb- oder Stichwaffe (Pernutz 1937: säbelartiges Messer; Obst 1921: eingeritztes langes Messer). NO-Seite, eingemeißelt über die Armbreite: jüngere dreizeilige Wegebezeichnungen, kaum noch kenntlich; ebensolche Einmeißclung auf der Stirnfläche des NW-Armes. Durch fortgeschrittene Verwitterung sind die Einzeichnungen nur noch schwach sichtbar.
Höhe: SW-Seite 83cm, NO-Seite 86cm, Breite: 51cm, Stärke: 26cm.
Lag längere Zeit umgeworfen (Steinkreuze 1925). Geschützt seit 12.9.1974. (Quietzsch 1980)

   42.Das steinerne Mordkreuz bei Oberglaucha
steht bei der ehemaligen Schäferei, im Winkel der vom südwestlichen Dorfende ausgehende Wege nach Hohenprießnitz und nach Badrina-Reibitz, ist etwa 5/4m hoch und zeigt auf der Rückseite ein eingetieftes langes Messer.
   In Schönermarks Bau- und Kunstdenkmäler des Kreises Delitzsch (1892) ist das Kreuz unter Oberglaucha S.165 als "ein Steinkreuz rohester Art" inventarisiert, welches "mit der Anwesenheit Tetzels, der hier Ablaß feil geboten haben soll, in Verbindung gebracht wird", "mag indessen wohl nur ein Mordkreuz sein". (Obst 1921)

Sage: 1. Tetzel soll hier Ablaß feilgeboten haben.
2. Schafknecht erstach den Schafmeister, als sie wegen eines weißen Schafes in Streit gerieten (Horn 1937).

Seit Menschengedenken steht an der Weggabelung bei der (inzwischen abgerissenen) alten Schäferei, wo sich die Wege nach Badrina und Reibitz trennen, ein altes Kreuz; es wird das "Mordkreuz" genannt. Tief hat es sich durch die eigene Schwere in den sandigen Boden eingedrückt, Strauchwerk umgibt es, und wo der Wanderer noch die Blutstropfen des Ermordeten vermeint, blühen ein paar verstaubte Blumen im dürren Grase. Weder Jahreszahl noch Inschrift sind am Stein zu finden, nur ein langes Messer ist in seine harte Wand eingemeißelt.
Es soll hier vor langer, langer Zeit zwischen dem Schafmeister der alten Schäferei und dem Schafknecht ein Streit gewesen sein um eines schwarzen Schafes willen, das abhanden gekommen war beim Weidegang.
"So du mir das Schaf nicht zurückbringst, so nehme ich Dir den Weidelohn so lange, bis mir der Schaden wieder gut ist", sagte der Schafmeister. Heftig antwortete der Knecht: "Was kann ich schon dafür, wenn ein Schaf fehlt. Vielleicht ist eines gerissen worden vom Raubzeug oder es ist beim Weiden in die Mulde gefallen und der Strom hat es mit weggerissen, vielleicht ist es auch geraubt worden von fremden Gesellen und diente ihnen als gute "Mahlzeit". "Wozu hast Du dann die Hunde?" sagt spitzig der Schafmeister. "Wenn mirs die Hunde angezeigt hätten, so hätte ich schon das tier holen wollen und wenn es im Strudel des Stromes geschwommen oder die Bären am Elsteich es im Rachen hätten!" antwortete der Knecht, und die Zornesader schwoll ihm auf der Stirn.
"Nun dann kann es ja sein, dass Du es selber geschlachtet oder verkauft hast!" Da packte dem Schafknecht ob solcher schweren Beleidigung eine unbändige Wut, er sprang den Meister an und wollte ihn niederschlagen. Es kam zum kurzen, harten Kampfe, schwer wälzten sich die beiden Männer am begrasten Wegrand, ihr Atem keuchte. Schon hatte der stärkere Schafmeister die Oberhand und der Angreifer war zu Boden gerungen, da bekam der Knecht den Arm frei, zückte das Messer und stach blindlings auf den Meister ein.
Mitten durch die Brust des über ihm Ringenden ging der Stahl, dass ein roter Blutstrom den Sand und das zertretene Gras färbte. Als der Schafknecht sah, dass der Meister röcheln verschied, floh der in den Wald, selbst erschrocken über seine schlimme Tat.
Am nächsten Tage aber packte ihn die Reue. Wenn er auch durch die Worte des Schafmeisters auf das Schwerste in seiner persönlichen und Standesehre gekränkt worden ist, so waren es doch nur Worte, für die eine Bluttat eine zu schwere Sühne ist. So stellte er sich dem Gericht, welches nach Wochen also entschied: der Mörder solle nicht den gleichen Tod erleiden, wie er selber getötet hat, da der Schaden um eines Schafes willen schon so groß ist und so nur noch größer werden müsste; denn zwei Menschenleben sei ein schwarzes Schaf nicht wert. Aber der Schafknecht solle auch nicht ungestraft sein ob seiner frevelen Tat, er solle einen Stein setzen auf seine Kosten dem Gemordeten zum ewigen Gedenken, seiner Tat zur Sühne und der Nachwelt zur ewigen Mahnung.
Also geschah es. Manche Leute aber sagen, dass dies gar kein Mordkreuz sei, sondern ein "Tetzelstein". Hier vor dem Dorfe Oberglaucha habe der vom Papst gesandte Dominikaner-Mönch Johannes Tetzel aus Leipzig den weitberühmten Kasten aufgeschlagen, aus dem die ewige Sündenvergebung allen wurde, die reuig ihrer Tat den irdischen Lohn in klingender Münze dorthin ablegten.
In jenem Jahr 1517 haben die Glocken der umliegenden Dörfer weihin ins Land gerufen, und da seien die Menschen aus allen Dörfern hinzu geeilt, die aus Hohenprießnitz und aus den beiden Dörfern Glaucha, aus Reibitz und Badrina, aus Wellaune und selbst auch aus Düben. Mit kluger Rede habe der Mönch den Bauern gepredigt, wie Not es sein, Buße zu tun, um Gott zu gefallen, damit ihnen nach ihrem sündigen Dasein ein herrliches Jenseits werde. Hätten die Bauern auch alle Tage nur Not gekannt und wohne auch das Jammern in ihren Hütten, himmlische Glückseligkeit und ewige Freude wird ihnen für ein Geldstück gewährt. Und den Bauern rief das Gewissen, und sie dachten daran, dass sie letzten Herbst einen Korb Rüben vom fremden Felde genommen, dass sie ein Huhn gestohlen oder dass sie den Zins schuldeten, und sie holten ihr letztes Geld aus sicherem Versteck. Dieweilen predigte der Mönch noch immer fort, und immer mehr sanken in die Knie und ließen sich überzeugen, dass ihre Silberlinge doch weniger Wert seien, als die ewige himmlische Seligkeit. Da hatten die Schreiber des Mönches gar viele Ablasszettel zu schreiben, und das Geld klirrte in dem schweren Kasten. Als der Mönch nach reicher Ernte weiterzog, gaben ihm betende und singende Menschen noch lange das Geleit, war doch ihren Seelen Vergebung der Sünden und ewiges Heil geworden.
Zum Andenken an diesen Tag sei das Kreuz an der Stelle errichtet, wo Tetzel gepredigt. Mag sein, dass der sündenvergebende Tetzel einstmals hier war - wer will das bestreiten?
Aber das Kreuz ist doch vielleicht älter und stand schon lange vordem am staubigen Wege.
Was solle denn das Schwert am Stein besagen, wenn es ein Tetzel- und nicht ein Mordkreuz sei? Vielleicht ist aber der Mönch vorübergezogen am Dorfe Oberglaucha und hat in kluger Voraussicht die schaurige Stätte der Sühne, vom Mordkreuz gekennzeichnet, für seine Bußpredigt gewählt, um seinen Worten besonderen Nachdruck zu verleihen.
Dann aber ist der Stein ein "Mordkreuz" und auch ein "Tetzelstein".

Quellen und Literatur:
Fritzsche, E. - Die Steinkreuze und ihre Verwendung in der mittelalterlichen Rechtspflege, in: Der deutsche Erzieher, Beilage Lahrerbund im Gau, 2.Jg., Halle-Merseburg 1934, Nr.12, S.310
Pernutz, H.-G. - Stumme Zeugen stehen am Wegesrand, in: Mitteldeutsche Nationalzeitung, 8.jg., Halle 1937, Nr.139 vom 23.Mai 1937
Obst, Emil sen. - Mord- und Sühnekreuze, "Tote Männer", auch Unfallmale in den Muldekreisen Bitterfeld und Delitzsch und in der Dübener Heide, 1921, S.34, Nr.42
Kuhfahl, Dr. G.A. - Die alten Steinkreuze in Sachsen, Nachtrag, 1936, Nr.19
Quietzsch, Harald - Steinkreuze und Kreuzsteine in Sachsen, Inventar Bezirk Leipzig, 1980, S.48-49


Sühnekreuze & Mordsteine