Deutschland Sachsen Mittlerer Erzgebirgskreis

Reifland (I) / OT von Lengefeld

PLZ: 09514

GPS: N 50° 44,622', O 13° 13,377'

Standort: Direkt an der Verbindungsstraße zwischen Reifland und Lippersdorf, ca 1km von Reifland entfernt

Größe / Material: 36:80:80 / unregelmäßiger Granitfindling

Geschichte: Der Stein mit der Inschrift (auf dem Bild mit Kreide nachgezogen):
I H
M
1680
C R
Dieser Stein und die dahinter errichtete Säule erinnern an ein Ereignis, das sich 1680 ereignete. In diesem Jahr grassierte die Pest wieder einmal recht heftig - und wohl letztmalig - im Erzgebirge und der Pfarrer von Reifland, Johann Major empfing hier aus den Händen seines Lippersdorfer Amtsbruders Pfarrer Christoph Rümmler das heilige Abendmahl.
Magister Major glaubte, auch bald Opfer der verheerenden Krankheit zu werden und hatte im Angesicht des nahen Todes nach dieser geistlichen Stärkung verlangt. Rümmler traute sich wegen der Ansteckungsgefahr jedoch nicht - oder durfte nicht - bis nach Reifland hinein, so trafen sich die zwei auf freiem Felde auf halber Strecke zwischen den Ortschaften und vollzogen die Sakramentshandlung. Der Stein bezeichnet jedoch nicht exakt die richtige Stelle, denn er ist im Jahre 1880 "[...] ein wenig vom ursprünglichen, durch eine Eiche bezeichneten, Platze entfernt [...]"
Johann Major überstand übrigens die Seuche und war bis 1888 als Pfarrer im Ort tätig.
Von Rümmler ist überliefert: 'hat wenig Bücher’ und 'Er soll kürzer predigen, nicht eine Stunde lang, namentlich in der Woche’ [Visitation 1673] ferner: 'von seinen Söhnen, die nichts rechtes lernten, ausgenutzt, starb er 73 Jahre alt in großer Armut’
Sachsens Kirchen-Galerie (o.J.) schrieb Pastor Ossian Woldemar Bach am 16. December 1844:

[...] so wüthete in den Jahren 1582, 1585, 1598 und besonders 1599 die Pest; in letzterem Jahre waren unter 207 Sterbefällen 196 in Folge der Pest. Sie grassirte wieder in den Jahren 1637-1643. Viele Opfer fielen besonders im J. 1680. Ganze Häuser starben aus; viele wurden durch Hungersnot verödet, weil niemand der Gesunden es wagte, den Kranken Nahrungsmittel zuzuführen. Ein Theil der Einwohner flüchtete sich auf die Felder und in den Wald, erbaute sich Hütten und hoffte so der Wuth der Seuche zu entgehen. Aber die zärtliche Besorgniß für krank zurückgebliebene Angehöhrige trieb einzelne an, von Zeit zu Zeit die Zurückgelassenen zu besuchen und die Verstorbenen zu begraben. Da zog denn selbst in diese Hütten die Pest ein. (An anderer Stelle heißt es, daß diese Hütten extra für die Pestkranken erbaut worden seien) Der damalige Pfarrer Major verlor sein Weib und die einzige Tochter, und als auch Knecht und Magd ein Opfer der Seuche geworden, stand er einsam in seinem Hause. Mit dem Gedanken an den eigenen Tod wollte er noch einmal das heilige Abendmahl genießen. Sein Beichtvater war der Pastor zu Lauterbach; aber dieser wagte sich nicht zu ihm. Da hörte der Pastor Rümmler in Lippersdorf von dem Verlangen seines Amtsbruders, und weil er sich nicht nach Lengefeld wagte, trafen sich die beiden Geistlichen auf dem Wege zwischen Lengefeld und Lippersdorf und feierten im Freien das heilige Mahl. Noch jetzt bezeichnet ein Stein, auf welchem ein Kelch eingehauen, diese Stelle und bewahrt das Andenken an jene traurige Zeit und diese rührende Feier.


Fürchterliche Not und Trübsal herrschte auch in dem erzgebirgischen Städtchen Lengefeld. Durch einen Fremden, der in Rauenstein übernachtet hatte und nach Lengefeld gekommen war, verbreitete sich die Seuche schnell im Ort, und ganze Familien starben aus. Der Pfarrer des Ortes, Magister Major, ein hochherziger Mann, hatte eine Tochter, die in Raserei verfiel; seine Gattin pflegte die Tochter, wurde aber von der Krankheit ergriffen und ihm schnell entrissen. In einem unbewachten Augenblick entledigte sich die Kranke der Banden, die sie an das Lager fesselte, und stürzte, den Hals brechend, zur Treppe hinab. Tiefe Trauer senkte sich auf den Magister, aber unentwegt mit gläubigem Vertrauen ging er seinen Amtspflichten nach. Nachdem er sein teures Töchterlein neben der Mutter begraben hatte, wandte er sich mit doppeltem Eifer der Seelenpflege seiner Gemeinde zu. Aber sein Herz begann doch unter der Last zu zagen, er wurde matt und sehnte sich nach Stärkung durch den Genuß des heiligen Abendmahles. Sein Beichtvater, der Pfarrer zu Lauterbach, besaß nicht den Mut, auf Majors Bitten nach dem verpesteten Städtlein zu kommen. Als Pfarrer Rümmler in Lippersdorf von dem Wunsche des Pfarrers Major Kenntnis erhielt, reifte in ihm der Gedanke, voll Mut und Gottvertrauen dem Amtsbruder den Wunsch zu erfüllen. Da er aber nicht nach dem abgesperrten Orte gehen durfte, bat er seinen Amtsgenossen, nach einem zwischen Lippersdorf und Reifland unter freiem Himmel gelegenen großen Steine zu kommen und dort das Weitere zu erwarten. Major folgte der Einladung, und mit Freuden nahm er aus den Händen Rümmlers das heilige Mahl. In tiefem Ernst standen die beiden Gottesmänner unter freiem Himmel, das heilige Mahl sich spendend, und flehten inbrünstig zum Höchsten um Erbarmen in der fürchterlichen Not.
Die Stelle, wo die beiden Männer einst standen, der Stein, an dem sie sich das heilige Mahl reichten, blieb lange ein geweihter Ort und wurde durch ein Denkmal mit einer Inschrift und Abbildung geschmückt [...]
Mit Ehrerbietung nennen heut noch alle Bewohner der Umgegend den Stein zwischen Reifland und Lippersdorf "das Denkmal der letzten Pest in Sachsen". (Heinicke 1903)

Anmerkung: In Lengefeld gab es zwei Pfarrer Namens Johann Major, Vater und Sohn:
- Johann Major, pater, 1621 bis 1644 (pastor vigilantissimus).
- Johann Major, filius, 1644 bis 1688

Sage: In der Nähe von Rauenstein steht ein Stein, der zum Andenken an die gräßliche Pest gesetzt ist, welche nach dem 30jährigen Kriege in jenem Theile des Erzgebirges wüthete. Es war nämlich zu Lengefeld die Pest ausgebrochen und dermaßen heftig, daß der Ort von der Umgegend völlig abgesperrt ward.
Nun war aber in Reifland ein junger Mann, der die Enkelin des Pfarrers zu Lengefeld zur Braut hatte. Dieser hatte gehört, man bekomme in Freiberg einen Pestessig, welchen die dortigen Todtengräber aus Kräutern bereiteten. Er eilte also dorthin, verschaffte sich eine Flasche davon und schlich sich mit Lebensgefahr durch den Militärcordon, weil er gehört hatte, der Vater seiner Braut sei an der Pest erkrankt.
Zwar kam er zu spät, allein es gelang ihm doch, diese selbst, ihren Großvater und viele Andere damit herzustellen, bald verschwand die furchtbare Seuche und nachdem die Sperre aufgehoben war, beschloß man in Lengefeld und dem nahen Reifland eine Art Wiedersehens- und Auferstehungsfest auf der Mitte des Weges zwischen beiden Orten zu feiern. Dies that man auch, und jener Stein bewahrt noch heute das Andenken an jene schauervolle Zeit. (Grässe 1855)

Quellen und Literatur:
Aktikel verfaßt von Pastor Ossian Woldemar Bach am 16. December 1844, in: Sachsens Kirchen-Galerie. Zwölfter Band. Die Schönburgischen Receßherrschaften nebst den Ephorien Annaberg, Marienberg und Frauenstein. Dresden: Hermann Schmidt, o.J.
Grässe, J.G.Th. - Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen, Dresden 1855
Heinicke, A. - Die Pestsäule zwischen Lippersdorf und Reifland i. Erzgebirge, in: Unsere Heimat, Jahrgang II, Jan. 1903, Nr.4, S.86-87
recherchiert und bebildert von Andreas Schumann, Reichenbach



Reifland (II) / OT von Lengefeld



Details der
Pestsäule

Standort: am Denkstein

Größe / Material: Sandstein

Geschichte: Pestdenkmal. Im Jahre 1880 wurde ein ca. 5m hohes steinernes Denkmal an der Straße "aus freiwilligen Beiträgen errichtet". Das Denkmal besteht aus einem großen Sockelstein, darüber eine lange Säule mit quadratischem Querschnitt. Darin südseitig (=straßenzugewandt) mit dem Text:
Auf diesem
altehrwürdigem Steine
reichte im Jahre 1680
als in Lengefeld
die Pest wüthete
der Lippersdorfer Pfarrer
Rümmler
dem Lengefelder Pfarrer
Major
das heilige Abendmahl.
nordseitig der alttestamentlicher Psalm-Text:
Er hat ein Gedächtniss
gestiftet seiner Wunder,
der gnädige und barmherzige
Herr.
PS. 111, V. 4.
Über der Säule ein würfelförmiger und mit Profilierung verzierter Aufbau, dessen Seitenflächen folgende Gestaltung aufweisen: Westen: 1680, Norden: Darstellung eines Kelches, Osten: 1880, Süden: ein Bildnis hinter Glas, das die damalige Begebenheit darstellt. Es wurde von dem Dresdener Professor Schönherr gemalt und geschenkt.
Der beschriebene Aufbau wird nach oben hin mit einem vierseitigem, ebenfalls profiliertem Spitzdach, abgeschlossen, das mit einem Kreuz bekrönt ist.
Die Säule entspricht in ihrer Gestaltung dem damaligen Zeitgeist der Neostilistik.

Neugotischer viereckiger Pfeiler auf einem Sockel, mit Bildhaus und Spitzdach, darüber ein lateinisches Kreuz. Ostseite: Ein gemaltes Bild hinter Glas, das einen Pfarrer beim Ausspenden des heiligen Abendmahls an einen Knieenden zeigt. Westseite: Kelch; Südseite: 1680; Nordseite: 1880. Ostseite: Auf diesem / altehrwürdigen Steine / reichte im Jahre 1680 / als in Lengefeld / die Pest wüthete / der Lippersdorfer Pfarrer / Rümmler / dem Lengefelder Pfarrer / Major / das heilige Abendmahl. Westseite: Er hat ein Gedächtnis / gestiftet seiner Wunder / der gnädige und barmherzige / Herr / Ps.111, V.4.
Am 12. September 1880 wurde das Pestdenkmal eingeweiht, etwa 30m vom "Abendmahlsstein" entfernt, der daraufhin zum Denkmal umgesetzt wurde. Am alten Standort pflanzte Johann Friedrich Wagner die "Pesteiche". Das Denkmal wurde nach einem Entwurf von Prof. Christian Friedrich Arnold, Dresden, von dem Dresdner Meister C. Kettner hergestellt, das Bild von Prof. Schönherr, Dresden, auf Eichenholz gemalt. Um 1970 wurde die Tür zum Bildhaus aufgebrochen und das Bild gestohlen. Gottfried Sohr aus Grünhainichen malte dafür 1972 ein neues Bild. (Eichler 2003)

Sage: siehe oben

Quellen und Literatur:
Heinicke, A. - Die Pestsäule zwischen Lippersdorf und Reifland i. Erzgebirge, in: Unsere Heimat, Jahrgang II, Jan. 1903, Nr.4, S.86-87
Eichler, Ulrich - Marter und Bildstock. Betsäulen in Sachsen, 2003, Nr.118
recherchiert und bebildert von Andreas Schumann, Reichenbach


Sühnekreuze & Mordsteine