Deutschland Sachsen Mittlerer Erzgebirgskreis

Reitzenhain / OT von Marienberg


Blick zum Standort

PLZ: 09496

GPS:

Standort: Am grünen Wanderweg von Kühnhaide nach Marienberg.

Größe / Material: 150:120:? / Granit

Geschichte: Benennung "Totenstein". Kuhfahl (1928) beischreibt den Standort "befindlich an der Straße von Reitzenhain nach Marienberg beim Bahnübergang". die Straßenführung hat sich geändert. Mit dem Neubau der B 174 Marienberg/Reitzenhain steht der Stein nicht mehr direkt an der Straße, sondern ca. 150m im Wald. Eine Bahnlinie gibt es dort auch nicht mehr.
Beim Stein befindet sich eine Hinweistafel mit folgendem Wortlaut:
Ein gewisser Kisch schreibt: "Gefährlicher war der Weg, der vor ihm lag, als der Krieg, der hinter ihm lag. Paul von Münch, Rittmeister, hat auf der Insel Candia gefochten, im Dienst Venedigs gegen die Türken. Nun ist der Feldzug aus und die Dogenrepublik hat ihn reich belohnt für seine Leistungen. Münch will zu seiner Hochzeit auf das Schloß Meuselwitz im Herzogtum Sachsen-Altenburg."
Das war am 23.April 1669. In seiner Begleitung befand sich Diener Philipp Schiller sowie einige kaiserliche Offiziere, welche sich nach seiner Übernachtung in Sebastiansberg seinem Weg angeschlossen hatten.
"Nachdem die Landstraße bei Reitzenhain in den Forst eingemündet war, es war etwa 8 Uhr morgens, hörte der an der Spitze der Kavalkade reitende Schiller einen Schuss. Sich umwendend konnte er sehen, dass gerade ein zweiter Schuss abgegeben wurde. Der am Schluss reitende Offizier feuerte seinen Karabiner auf Münch ab, welcher mit zerschmettertem Haupt vom Pferde stürzte", schreibt Kisch weiter.
Dreizehn Tage nach dem Mord werden die Täter im Gasthof "Zum Stern" in Eisenach festgenommen. Bei den Festgenommenen fand man die geraubten Sachen und Gegenstände.
Beinschrauben und auf der Strickleiter leugneten sie einen weiteren Straßenraub in Prag.
Am 23.Juli 1669 wurden sie auf dem Goldberg bei Eisenach im Beisein vieler Tausend Menschen enthauptet und Leutnant Bayer zu Tode gerädert.
"Die Leichname wurden auf drei Räder geflochten, den Menschen zur Lehre, den Raben zur Nahrung", heißt es abschließend. (Erzgebirgsverien Reitzenhain 2002)

Sage:

Quellen und Literatur:
Kuhfahl, Dr. G.A. - Die alten Steinkreuze in Sachsen, 1928, S.45
Seyffarth, Joachim und Edith - Der "Mordstein" an der Straße nach Reitzenhain, in: Vom Blitz erschlagen, Ermordet, Verunglückt - Geschichten um vergessene Denkmale, 1.Folge, 2002, S.48-51
recherchiert und bebildert von Joachim und Sabine Strauchmann, Chemnitz (Fotos von Juni 2016)



Der "Mordstein" an der Straße nach Reitzenhain

1669. Die heutige B 174 über Chemnitz, Zschopau, Marienberg zum Grenzübergang in Reitzenhain gehört zu den ältesten Passstraßen des Erzgebirges. Wenig westlich dieser Straße sind streckenweise noch tiefe Fahrspuren vom jahrhundertelangen Fuhrwerksverkehr eingegraben.
Etwa 1,5km vor dem Ortseingang von Reitzenhain steht am Straßenrand ein im Jahre 1929 von Heimatfreunden errichteter kleiner Gedenkstein. Er erinnert daran, dass hier zwischen 1400 bis zum Jahre 1823 eine Umspannstelle für den starken Fuhrverkehr stand. Hier hielten im Laufe von 4 Jahrhunderten Tausende von Fuhrwerken, umdie Pferde am "Tränktrögel" zu versorgen oder zu wechseln.
Auf der östlichen Straßenseite, etwa 100 Meter entfernt, steht an einem stillen Waldweg ein Gedenkstein für den Rittmeister Johann Paul Münch, der hier, vermutlich bei einer Rast, an dieser Umspanne ermordet wurde.
Er trägt die Inschrift.

Drauriges Andencken
Tit.

Herrn Rittmeister Johann Paul Mönch
sehl. welcher allhier
am 23.Aprillis Ao. 1669 von einigen
abgedanckten Officirern so als Kauff=
Leuthe mit Ihme gereißet straßenräuberisch
ist angefallen, mit einem Schuße
durchs Haupt ermordet und
ausgeplündert worden.
DieThäter aber wurden zu Eysenach
bald alt rapiret, dafür zur Strafe gezogen
und folgenden 3.July daselbst
auffs Radt geleget.

Auf der Rückseite des Steines wird an dieses Ereignis in lateinischer Sprache nochmals mahnend erinnert.
Dieser Mord und seine Folgen hat die Geschichtsforschung mehrfach beschäftigt.
Christian Lehmann, ein Zeitgenosse dieses Rittmeisters Münch berichtete:
"Anno 1669, den 23. April wurde aufder Reitzenhayner Land=Strasse bey der hohlen Tanne übern Träncktrögel / Nach Marienberg zu / frühe zwischen 8 und 9 Uhr mörderisch niedergeschossen ein Kayserlicher unter das Schelhartische Regimen gehöriger Rittmeister/ Herr Johann Paul Münch / Evangelischer Religion / der von Prag aus nur mit einem Knecht / Philippo Pregner und 3 wohlbeladenen Pferden nach Leipzig auf die Messe reiten wollen zu seinem Bruder / einem Chur=Sächs. Obersten. Zu welehen sich auf dem Wege nicht weit von Commodau in Böhmen vier abgedanckte Kayserl. Qfficirer / nebst ihren drey Dienern gesellet / und sich vor Kauffleute ausgegeben / nach verübten Mord auf des Rittmeisters Knecht Ioßgegangen / ihm 2 Kugeln ins rechte Bein geschossen / der aber vom Pferd gesprungen / und im Walde kümmerlich mit dem Leben davongekommen. Weil nun der Rittmeister nicht alsobaldt todt blieben / haben die Mörder ihn vollends mit den Schaalhölzern / damit der Weg gebrockt gewesen / zu todt geschlagen / den Cörper eine Ecke in den Wald geschleppet / und mit Reisig zugedecket / Pferde und 1000 Ducaten geraubet / und darauff ihren Weg nach Thüringen genommen.
Nicht weit davon hatte der Wolckensteinische Amts=Zimmermann zu verrichten / der hörte die Schüsse und das Geschrey / trjfft auch des Rittmeisters Knecht an / und als er den Grund allen Verlauffs eingenommen / zeigt ers eilends dem Amt Wolckenstein an / welches nicht nur Steckbriefe umher /sondern stracks nach Leipzig schicket / und den Mord offenbaret.
Darauf dann des ermordeten Bruder mit Chur=Fürstl. Convoy die Mörder eilends verfolgt / und sie zu Eisenach im Gasthoff am Marckt gerade bei der Mittagsmahlzeit angetroffen / und peinlich einziehen lassen / davon dreye nach eingeholten Urtheil geviertheilt und mit dem Schwerd gerichtet / der vierdte.aber hat sich im Gefängniß mit Gifft vergeben / ihre drey Diener sind zur Staupe geschlagen / und des Landes ewig verwiesen worden."

Der Mordstein für den 1669 ermordeten Rittmeister Münch (August1995)


In der Eisenacher Geschichtsliteratur wird dieser Fall im Jahre 1928, unter Auswertung der zeitgenössischen Niederschrift des Eisenacher Stadtzimmermeisters Georg Dressel, vom Tathergang bis zur Hinrichtung ausführlich behandelt.
Der Rittmeister Paul von Münch aus Kursachsen stand ehemals in kaiserlichen Diensten und hatte wesentlich zum Sieg über die Türken beigettagen. Von einem türkischen Großwesir wurde ihm der Befehl über seine Garden angeboten und ihm ein kostbar verzierter Säbei geschenkt. Mit Orden geschmückt trat er mit seinem Reitknecht und vier prächtigen Schimmeln seine Heimreise von Wien aus an.

"Die Mörder sind gewesen:

1. Hanß Beyer / Lieutenant von Caden / der daselbst Hauß und Hoff gehabt / und seine Tochter an einen Secretarium zu Prag vereheliget / der hat den ersten Schuß mit dem Carbiner gethan. "Er war es auch, von dem die Idee zur Ermordung des Rittmeisters ausging. "An der Grenze fielen Haitmar und Richter dem Rittmeister in die Zügel und hielten seine Pistolen fest, währenddessen zerschmetterte der Leutnant Beyer ihm von hinten mit einem Karabinerschuß den Kopf."

In der Rangfolge der beteiligten Offiziere war er der niedrigste und an Jahren der älteste, ein großer starker Mann mit ergrauten Harren. Er wird als "Erzstraßenräuber" und als ganz gewissenloser Mensch beschrieben. "Fast noch ein Kind, trat er während des großen Krieges in die kaiserliche Armee ein. Später war er in spanischen, französischen, schwedischen, dänischen und kursächsischen Diensten."
Beyer wurde des Mordes für schuldig befunden und gerädert. "auf der für ihn bestimmten blutigen Vorrichtung ausgestreckt, und der Scharfrichter Nicolaus Wahl, aus Wasungen, gab ihm schon mit dem ersten kräftigen Stoß den Tod."

2. "Wilhelm von Haitmar ein Herr zu Hönsah und Oberster Wachtmeister aus dem Lücker-Land / unter Chur-Cölln / der daselbst zwey Rittersitze hat / davon er einen dem Bürgermeister zu Eisenach geschenket.

3. Martin Wilhelm von Pfu! ein Nobilis aus der Marck Brandenburg / Lieutenant und sein Knecht auch daher.

4. Christoph Richter ein Capitain Lieutenant von Altstadt / der grosse Kinder / auch einen Magister zum Sohn auf der Universität gehabt."


Der Hinrichtung dieser Vier ging eine grausame Folter, unter Anwendung von Daumenschrauben, Beinschrauben und mehrfaches Hochziehen auf einer Leiter, voraus.
Am 23.Juli wurde in Eisenach in aller Frühe, unter Beteiligung fast der ganzen Stadt, ein Gottesdienst abgehalten. Dann wurde auf dem Markt das Halsgericht eröffnet. 450 Pikeniere und Musketiere sperrten die Richtstätte ab. Beyer trat großspurig auf. Haitmar flehte und bat unter Tränen um Begnadigung. Nun ging der ganze Zug zur Richtstätte auf den Goldberg, auf dem bereits eine Abteilung Soldaten aufmarschiert war. Haitmar musste auf einem Karren gefahren werden. Sein Kopf fiel zuerst unter dem Schwerthieb des Eisenacher Scharfrichters Gerich.
"Die Leichname der Verbrecher wurden auf drei verschiedene Räder geflochten, andern zum abschreckenden Beispiel, den Raben zur Nahrung."
Um 1930 griff der "Rasende Reporter" Egon Erwin Kisch, diesen Vorgang auf. Er stützte sich dabei mit Sicherheit auf die im Jahre 1928 erschienenen "Bilder aus Eisenachs Vergangenheit". Seine Darstellung diente in seinem "Prager Pitaval" als Nachweis, dass sich der moralische Verfall nach dem 30-jährigen Krieg nicht nur auf das plündernde Fußvolk beschränkte.
Auch später noch wurde dieser Stoff literarisch verarbeitet. Über die eigene Geschichte des Gedenksteines im Reitzenhainer Forst ist nur wenig bekannt. Die Schriftform und Textgestaltung sprechen dafür, dass dieser Stein nur wenig später nach dieser Tat errichtet wurde.
Nach einer weiteren Inschrift wurde er vom Erzgebirgs-Zweigverein Reitzenhain im Jahre 1898 erneuert.
(Seyffarth, Joachim und Edith - Vom Blitz erschlagen, Ermordet, Verunglückt - Geschichten um vergessene Denkmale, 1.Folge, 2002, S.48-51)


Sühnekreuze & Mordsteine