Schweiz Schaffhausen Gemeinde Rüdlingen

Steinenkreuz / OT von Rüdlingen


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Blick zum Standort

Abbildung bei
Schmeissner (1980)

Abbildung in
Tip Magazin (1964)

PLZ: CH-8455

GPS: N 47° 34.861', O 8° 33.756'

Standort: Das Scheibenkreuz ist heute mitten im Weiler Steinenkreuz auf dem "Dorfplatz" gegenüber dem Gasthaus Steinenkreuz, integriert in einen "pseudo" Steinkreis mit verschiedengrossen Steinen (siehe Fotos). Der Standort ist seit der Strassenverbreiterung in den 80ern um 30m versetzt. Das Scheibenkreuz ist wird leicht übersehen und könnte ganz einfach einem "unwissenden" zum Opfer fallen. Schade.

Größe / Material: ø 50cm / Molassequarzit

Geschichte: Der Stein ist aus örtlichem Molassequarzit und steht heute nicht mehr an seinem original Standort. In den 80er Jahren wurde die Strasse verbreitert und das Scheibenkreuz wurde etwa 30m versetzt. Der Weiher Steinkreuz entstand erst im Jahre 1848. Damals wurde das erste Haus beim Brunnen von einem Bauern namens Simmler erbaut. Die Siedlung wuchs in ihrer Ursprungszeit rasch auf acht Bauernhäuser heran. Der Name des Weilers war aber schon wesentlich früher entstanden und zwar etwa im Jahre 1530 während der Reformationszeit, wie es in der Sage vom Steinernen Kreuz beschrieben ist.

Aus dem Kanton Schaffhausen sind fünf Steinkreuze überliefert. Lediglich das Scheibenkreuz von Steinenkreuz (Gmd. Rüdlingen) ist uns bis heute erhalten geblieben. Dieses Scheibenkreuz fällt, betrachtet man die wenigen übrigen Schweizer Sühne- bzw. Rechtsdenkmale, in Form und aussehen völlig aus dem Rahmen. Im Gegensatz zu den einfachen, vollplastischen lateinischen Kreuzformen ist jenes von Rüdlingen eine nahezu kreisrunde, in den Boden verankerte Steinplatte mit einem erhabenen heraustretenden griechischen Kreuz. Die Kreuzarme sind gleich lang, im Gegensatz zu den lateinischen Kreuzen, bei dem zumindest der Kreuzfuss wesentlich länger ist. Mit lediglich 50cm Durchmesser ist das Scheibenkreuz von Steinenkreuz im Verhältnis zu vergleichbaren Kreuzen auf Deutschem Boden relativ bescheiden. Es ist leider kein Sühnevertrag erhalten. Aus der Reformationszeit im 15 Jh. ist die Sage vom "Steinerne Kreuz" als Andenken geblieben. Die kreisrunde Vertiefung im oberen Kreuzsegment wird als Seelenloch gedeutet. Nach dem Volksglauben soll die Seele des Erschlagenen dadurch "frei" werden. (Schmeissner 1980)

   Eines der ältesten und schönsten dieser merkwürdigen Sühnezeichen mittelalterlicher Strafrechtspflege steht an einer Straßenkreuzung bei Rüdlingen im Kanton Schaffhausen, die von ihm her den Flurnamen "Steinenkreuz" erhalten hat. Das Kreuz für den dort einst gewaltsam umgebrachten Menschen ist beidseitig in eine kreisrunde Steinscheibe gehauen. Ein in das Erdreich eingesetzter Fuß hält das radförmige Gebilde fest. Die Geschichte dieses Steines liegt im Dunkeln; über seine Herkunft wird zwar von den Leuten eine Sage von einem Geschwisterpaar erzählt, das hier zur Zeit der Reformation voneinander habe Abschied nehmen müssen, weil eines der beiden strengem obrigkeitlichem Dekret zum Trotz römisch geblieben sei. Doch kann der Stein nach Auffassung der Fachleute niemals zum Andenken an ein derartiges Ereignis gesetzt worden sein. Er muß schon früher, wie auch das nicht mehr vorhandene Steinkreuz von Merishausen, für einen Ermordeten oder Erschlagenen Zeugnis gegeben haben. (Tip Magazin 1964)

Sage: Um die Zeit der Reformation, etwa im Jahre 1530, lebten in Rüdlingen zwei reiche Brüder, Simmler zum Geschlecht. Der eine von ihnen nahm die reformierte Lehre an, während der andere dem Glauben seiner Voreltern treu blieb. Der letztere nahm, wie mehrere andere, vor, er wolle mit seiner Familie auswandern und sich irgendwo im Badischen oder im Unterland sesshaft machen. Gesagt, getan. Sein Bruder, der Reformierte, begleitete den Scheidenden noch eine Strecke weit den Graben hinauf, bis an die Stelle, die jetzt "zum Steinernen Kreuz" heisst. An der Kreuzstrasse, wo die Wege nach vier verschiedenen Richtungen auseinander gehen, standen sie miteinander stille. Hier gruben sie einen Stein mit einem roh ausgehauenen Kreuz in den Boden. Über dem Kreuz gaben sie sich die Hände zum Abschied und tranken noch eins miteinander. Die Trennung ging ihnen zu Herzen, so dass sie zu weinen anfingen und einander umarmten. Da machten sie noch miteinander aus, sie wollen als treue Brüder alle Jahre bei dem Kreuz zusammen kommen, zum Andenken an diesen traurigen Tag. Der katholische Bruder liess sich auf dem Altföhrenhof nieder, von wo aus man das steinerne Kreuz mit scharfen Augen noch erblicken kann. Die Simmler im Nack sollen von ihm abstammen. - Vor mehreren Jahren habe man beim Markstein setzen den Stein aus dem Boden graben wollen. Aber demjenigen, der ihn ausheben wollte, seien drei Tropfen Blut aus der Nase auf den Stein gefallen, und vor Schrecken habe man den Stein an seiner Stelle belassen. Auch habe es niemand mehr gewagt, etwas daran zu machen. (Gehring 1999)

Das Steinerne Kreuz
von Elise Meyer

Aus dem Tal zu Berge wandert
Stumm und ernst ein Brüderpaar;
Unten tief das Glöcklein schallet,
Und der Rhein fliesst rasch und klar.
Trägt ein Kreuz von Stein der Blonde,
Grau und schmucklos, unscheinbar;
Eine Schaufel, Grabgeräte
Der im dunkeln Lockenhaar.

Angekommen auf der Stelle,
Wo der eine Pfad geteilt,
In der Ferne unabsehbar
Zwischen Fels und Fluss sich keilt,
Und zurück in weitem Bogen
Nach dem kleinen Dörfchen eilt,
Graben sie mit ems'gen Händen
Eine Grube unverweilt.

In die Grube tief und feste
Rammen sie das Kreuze ein
Und dann drücken sie die Hände
Warm sich überm kalten Stein:
"Lass ein Denkmal treuer Liebe,
Bruder, dieses Kreuz uns sein
Wenn du in der Heimat weilest,
Wenn ich draussen irr' allein ..."

Quellen und Literatur:
o.A. - Mörder Mensch und Mörder Blitz. Alte Steine zeugen von Verbrechen und Naturgewalt, in: Tip Magazin, Nr.44 vom 3.11.1964
Schmeissner, Rainer H. - Schweizer Rechtsdenkmäler, 1980, Steinkreuzforschung Nr.1, S.30-31
Gehring, Klaus - Rüedlinger Dorfblatt Nr.1/1999
Meyer, Elise - Das Steinerne Kreuz, Gedicht, April 2007
recherchiert und bebildert von Daniel Reichmuth


Sühnekreuze & Mordsteine