Räuber Cop - 45276 Horst / OT von Essen
Unter der vielköpfigen Dienerschaft eines reichen und herzensguten Kavaliers, der das Schloß Horst an der Ruhr vor mehr als zweihundert Jahren
erworben, befanden sich auch ein ungemein schönes und fleißiges Mädchen namens Gertrud, die ihre Arbeit meisterhaft verstand, und der als Betteljunge aufs Schloß
gekommene Reinhard Cop, der sich anfangs ebenfalls recht gut anließ. Als dieser zwanzig Jahre alt war, freite er um die etwa gleichaltrige Gertrud, und beide hofften, in
nicht allzu ferner Zeit ein glückliches Ehepaar zu werden. Doch der Mensch denkt, und Gott lenkt! Nach kurzer Zeit wurde Reinhard liederlich und lief alle Abende nach
Steele (Ldkr. Essen), wo sich damals gar viele Spitzbuben aufhielten; er trank und plauderte dort mit dem Gesindel, hatte die
Taschen immer voll Geld, von dem niemand wußte, wo es herkam, und brachte seiner Gertrud oft seidene Tücher und goldene Ringe mit, denen das rote Blut noch anhing.
Das Mädchen weinte und beschwor ihn, sich zu bessern, - doch vergebens. Eines Tages nun war dem Kavalier seine schönste und wertvollste Uhr gestohlen, und da man
Reinhard des Diebstahls beschuldigte und verhören wollte, floh er durch den Pferdestall nach Steele, das er aber mit seinen Spießgesellen noch am selben Abend verließ,
um als deren Hauptmann am Rhein und in anderer Herren Länder weiter zu stehlen und zu morden.
Lange trauerte ihm Gertrud nach, dann jedoch heiratete sie den nahe dem Schlosse in einem kleinen Häuschen wohnenden Zimmermann
Konrad Fischer und lebte mit ihm glücklich und zufrieden wohl vier bis fünf Jahre. Da aber erschien eines Abends ein feiner Herr in Gold und Seide und mit einem roten
Federbusch auf dem Hute in ihrer Stube und forderte Gertrud unter allerlei lockenden Versprechungen auf, ihm jetzt als Frau zu folgen. Diese, die ihren früheren Bräutigam
sofort erkannt, weigerte sich, da sie ja längst verheiratet sei, und rief, als der wütende Freier sein Messer zog und allen den Tod androhte, so laut sie konnte um Hilfe.
Solche kam denn auch bald aus dem Schlosse, und der überwältigte Cop wurde in dem dunklen Burgturm angeschlossen, da der Kavalier erst nach drei Tagen über ihn
zu Gericht sitzen wollte.
In der zweiten Nacht nun begehrte ein Mann, der sich als Boten des Herrn von Hardenberg ausgab, Einlaß zum Schlosstor; doch als der
vertrauensselige Wächter ihm öffnete, stürzten 60 Räuber, die abends bei Duisburg über den Rhein gesetzt waren, in den Schlosshof und befreiten ihren Hauptmann.
Angelockt durch den Lärm eilte auch Konrad Fischer seinem Dienstherrn zu Hilfe, aber Cop, der seinen glücklicheren Mitbewerber alsbald bemerkt, stieß ihm sein Messer
in den Hals und durchschoß ihm mit den beiden eigenen Pistolen, die man ihm abgenommen, das treue Herz. Noch ehe die durch die Sturmglocke herbeigerufenen
Bauern anlangten, waren die Räuber mitsamt ihrem Hauptmann wieder verschwunden, zehn Jahre später jedoch sollen sie in einer Stadt am Rhein sämtlich den Tod am
Galgen erlitten haben. Dem getreuen Konrad ließ der Kavalier an der Stelle, wo er gefallen, einen Denkstein setzen, auf dem man noch heute nach Entfernung des Mooses
die Worte entziffern kann: „Anno 1717 zwischen dem vierten und fünften May in der Nacht zwischen 11 und 12 Uhr ist der ehr- und achtbare, der Baukunst wohlerfahrene
Meister Conrad Fischer auf diesem Platz durch Reinhard Cop und seine Mitcameraden jemmerlich ermorted worden“.
Gertrud weinte Tag und Nacht um den geliebten Mann, dem sie noch im Herbst desselben Jahres in die Ewigkeit folgte. Um Mitternacht aber
hat man die beiden schon oft in weißen Hemden auf dem Leichensteine sitzen gesehen und gesehen, wie die Frau dem Gatten unter Tränen das Blut abwischte, das
seiner Brust entströmte. Auch Reinhard Cop kommt dann gefesselt aus dem anstoßenden Busche in glühendem eisernen Kamisol und sinkt beim Anblick der beiden,
während Schwefelflammen und Rauch ihn umhüllen, in die Erde.
(Bahlmann, Dr. P. - Ruhrtalsagen vom Ruhrkopf bis zum Rhein, 2. Auflage 1922, Nr.92, S.129-132)