Deutschland Thüringen Lkr. Saalfeld-Rudolstadt

Pflanzwirbach


Abbildung bei
Köber (1960)

Zeichnung bei
Neumann (1907)

PLZ: 07407

GPS: N 50° 44.151', O 11° 19.705'

Standort: Bei Rudolstadt. Im Ort, 25m südlich der Bundesstraße, vor Hausgrundstück an der Ortsstraße.

Größe / Material: 170:105:25 / Sandstein

Geschichte: Im Oktober 1971 um 0,8m nach Westen versetzt. Ursprünglich soll es mit zwei weiteren, verschwundenen Steinkreuzen auf einem Hügel, nicht weit vom jetzigen Standort gestanden haben.

Benennung: "Franzosenkreuz". Die Bezeichnung "Bäckerjungenkreuz" (Köber 1960) ist irrig und bezieht sich nicht auf dieses, sondern eines der verschwundenen Kreuze. Lateinische Kreuzform, wohlausgewogen: Schaft nach unten leicht verbreitert und in einen Sockel übergehend; der Übergang ist durch eine Kehlung angedeutet. Mächtig. Gesamtlänge: 215cm. O-Seite, im Kreuzungsfeld plastisch herausgearbeitet: Scheibenkreuz (Außen-ø 48-50; St. Scheibenring 4-5; St. der Kreuzbalken 6-7cm). Der Längsbalken des Kreuzes durchbricht die Scheibe und führt auf dem Schaft des Steinkreuzes nach unten weiter, wo er in einen Bogensockel einmündet ("Bogensockel-Scheibenkreuz"). W-Seite: Vier Langlöcher im Querbalken (nachträglich).
Vor der Umsetzung stand das Steinkreuz unmittelbar am Fahrweg und ist wiederholt von Fahrzeugen beschädigt worden. Seit 1971 steht es geschützt in einem eigens dafür anqelegten Mauerwinkel des Grundstückes Siptroch. - Kantenabsprünge und mehrere kleinere Beschädigungen, sonst gut erhalten. Allgemeine oberflächige Verwitterung.
1486: "bey dem alten Crutze"; "hinden bei dem Crutze" (nach Deubler 1968).
Vater / Deubler (1971) bezweifeln, daß es ursprünglich drei Steinkreuze hier gab. Allerdings werden diese schon im frühen Schrifttum mehrfach erwähnt; die zwei Verschwundenen sollen im 19.Jh. in den Grundmauern des Stallgebäudes vermauert worden sein (Franke 1928). (Störzner 1988)

Sage: 1. Bezogen auf dieses und zwei weitere, verschwundene Steinkreuze: Die drei Kreuze, die Rad, Semmel und Schere trugen, sollen als Sühne für drei Handwerksburschen gesetzt worden sein, die bei der Kirmes von den Dorfbewohnern erschlagen worden sind.
2. Ein Schneider, ein Bäcker und ein Wagner sollen sich hier im Streit um einen aufgefundenen Schatz gegenseitig umgebracht haben. (Franke 1928)
3. Auch von drei an der Pest verstorbenen Handwerksburschen wird berichtet.
4. Drei Fleischer hätten sich hier 1705 gegenseitig erschlagen. (Back 1864)

Es war um die Zeit, als die Bauern im Wüstebachtal vor Leid, kaum die Äcker bestellen konnten, weil der schwarze Tod in ihre Gehöfte schlich und einer nach dem anderen von ihren Lieben holte, so daß draußen die Disteln und der Hederich hoch aufschossen, daß die Quecken sich zusammenrotteten und Ziegenbart und Vogelkraut üppig wucherten Nur die Gottesäcker waren wohl bestellt, und der Pfarrer von Teichröda hatte in die Totenliste am die Hundert schreiben müssen, die sich vor kurzem noch rüstig geplagt hatten. Da kamen drei Brüder auf der Wanderschaft durchs Wüstebachtal und wurden in Pflanzwirbach von der Pest gefaßt, die keinen wieder hergab. Sie nahmen einen gar traurigen Abschied vom Leben, dem sie noch so viel hatten abringen wollen, und schrieben ihre letzten Wünsche in die Wanderbücher, die der Heimbürge übernahm. Der älteste drückte dem Vater daheim die Hand für alles Gute, das er ihm getan, der zweite schrieb seinen letzten Gruß dem Meister, der ihn redlich und gut gehalten hatte, und der jüngste schrieb seiner Liebsten, die ihn treu geliebt zu jeder Zeit.
Übers Jahr, als die gequälte Bauernschaft sich zu neuer Arbeit erhob, als wieder die Bretterwagen an den Rainen standen und die Pferde im Kumt gingen, kamen Vater, Meister und Mädchen und setzten den Brüdern zum Gedächtnis drei Kreuze.

Quellen und Literatur:
Eberwein, Julius - Die Kreuze bei Wirbach. in: Thüringer Volks-Kalender für Heimath und Fremde, 3.Jahrgang, Leipzig 1862, S.89-90
Back, Dr. - Von Kreuz-Steinen, Kulturgeschichtliche Zeichnungen, in: Fliegende Blätter, 1864, S.6-7
Neumann, Prof. Dr. Richard - Alte Steinkreuze in der Gegend der mittleren Saale, in: Programm der Oberrealschule zu Weißenfels Nr.339, 1907, S.3-21
Franke, E. - Sühnekreuze in der Umgegend Rudolstadts, in: Schwarzburgbote, Beilage zur Landeszeitung f. Schwarzburg-Rudolstadt und angrenzende Gebiete, Nr.16 vom 7.03.1928
Köber, Heinz - Die alten Steinkreuze und Sühnesteine Thüringens, 1960, S.59, Nr.368
Störzner / Möbes - Steinkreuze in Thüringen: Katalog der Bezirke Gera und Suhl, 1988, Nr.95 (Gera)



Die Kreuze bei Wirbach*)
Von Julius Eberwein in Rudolstadt.

Bei Wirbach an der Straße
Drei Kreuze stehn von Stein –
Wer weiß, was sie bedeuten?
Euch soll vertraut es sein:

Da wo die Kreuze stehen
Hat einst hinweg gerafft
Der schwarze Tod drei Brüder
Auf ihrer Wanderschaft.

Der Erste sprach zum Zweiten: –
"Ist dies mein Grabes-Rand,
So drück’ von mir daheime
Dem Vater noch die Hand.

"Er hat mich früh gewarnet
Vor frevelhaftem Spott,
Sei ihm dafür mein Habe,
Sterb’ drum getrost zu Gott!“ –

Und darauf zu ihm der Zweite:
"Willst Du dem Vater weihn
Das Deine, nun so schenke
Dem Meister ich was Mein.

"Hat redlich mich gelehret,
Daß ich verdient mein Brot,
Dafür bin ich ihm dankbar
Und sterb’ getrost zu Gott.“

Und darauf der Dritt’ zu Beiden:
"Lob eueren Entschluß;
Ich aber meinem Mädchen
Mein Wen’ges geben muß.

"Sie hat mich treu geliebet
In Lust und Leid und Noth,
Dank’ Alles ihr, auch daß ich
Jetzt sterb’ getrost zu Gott!“

Uns alle Dreie schrieben
Ins Wanderbuch sogleich,
Und gingen selben Tages
Ein in das Himmelreich.

Doch Vater, Meister Mädchen,
Sie waren tief betrübt
Ob diese armen Braven,
Die also sie geliebt.

Und mochten drum den Lieben
Ein ehrend Denkmal weihn,
Drum sieht man dort bei Wirbach
Drei Kreuze stehn von Stein!!

*) Dorf bei Rudolststadt. (Jetzt Pflanzwirbach, OT von Rudolstadt.)

(Thüringer Volks-Kalender für Heimath und Fremde, 3.Jahrgang, Leipzig 1862, S.89-90)


Sühnekreuze & Mordsteine