ID / Status | 6937 / verschwunden / undokumentiert | Land / Bundesland | Deutschland / Hessen / Landkreis Groß-Gerau | Ort | 64579 Gernsheim (I) | Standort | Ehemals an der Bundesstraße 44 nach Groß-Rohrheim am Treffpunkt mit der sog. Römerstraße. | Typ | Steinkreuz | Maße / Material | 150:90:20 / Sandstein | Koordinaten | Standort N 49° 44.631' O 8° 29.207' anzeigen mit: • Google-Maps Karte I | Koordinaten | • Google-Maps Karte II
| Lagestatus | geschätzt nach Lagebeschreibung | Symbol / Einzeichnung | Schild | Symbol / Einzeichnung | Anker | Symbol / Einzeichnung | Haken (Fischer-/Schall-) | Symbol / Einzeichnung | Ruder | Bezeichnung | Fischerkreuz | Literatur | An der Landstraße von Gernsheim nach Klein-Rohrheim, nicht weit von der Stadt, steht ein altes Steinkreuz. Automobile rasen vorbei, Radfahrer und Fuhrwerke halten nicht an, ja sogar Fußgänger übersehen es oft. Es steht zu tief im Chausseegraben, das ganze Unterteil in der Erde verborgen. Wer aber stehen bleibt, wird bald gefesselt von dem alterthümlichen Aussehen, der spürt, wie mitten in unserer schnellebigen, hastenden Zeit dieses Kreuz als ein Mal der Unvergänglichkeit erscheint. So wie es heute hier steht, stand es schon, als die hohe, gesteinte Chausee noch ein schmieriger, ausgefahrener Karrenweg war. So wie es heute hier steht, wird es wahrscheinlich in Jahrhunderten noch bleiben. Der Volksmund weiß mancherlei von ihm zu erzählen. Es liege jemand darunter begraben, die Kinder wollen sogar wissen, daß ein Jude da begraben sei. Andere behaupten, nach einer Pestepedimie sei es aus Dank für gnädige Rettung gesetzt worden. Der Name des benachbarten Ackers: "Am heiligen Kreuz" könnte darauf Bezug haben. Viel richtiger aber scheint die Behauptung, daß es im Gedenken an einen Unfall oder einen Mord errichtet ist. Die Zeichen, die sich auf der Vorder- und Rückseite befinden, können uns vielleicht einen Hinweis geben auf die Person, für die das Kreuz gesetzt wurde. Es befinden sich da in zwar einfacher, aber sehr geschmackvoller Anordnung auf der Vorderseite ein Anker mit zwei Bootshaken, auf der Rückseite tief eingeritzt wieder ein Anker, ein Bootshaken und ein Ruder (?). Anscheinend war der Verunglückte ein Fischer oder Schiffer; vielleicht ist er nicht ermordet worden, sondern in der Ausübung seines Berufes gestorben. Darauf könnte hinweisen, daß der Acker früher ein Wasserloch gewesen sein soll, das vor nicht allzu langer Zeit erst ausgefüllt wurde, und daß heute noch Erde zur Auffüllung hie und da hingefahren wird. Auch der Name des Ackers wird wohl noch nicht sehr früh entstanden sein, sondern erst zu einer Zeit, als man die Bedeutung des Kreuzes nicht mehr kannte.
Die Altertumsforschung hat sich dieser Kreuze ert verhälnismäßig spät angenommen, und erst in neuerer Zeit hat man gemerkt, welch interessante Zeugen der Vorzeit man in ihnen hat. Es gibt Gegenden in Deutschland, wo man sie noch recht zahlreich findet, in Sachsen, in Bayern und im östlichen (zum großen Teil badischen) Odenwald. Mit den Steinkreuzen dieser uns nahe liegenden Gegend beschäftigt sich eingehend M. Walter in seiner Schrift: Vom Steinkreuz zum Bildstock. Jedem Heimatfreund ist dieses kleine Werkchen eindringlich zu empfehlen. Aus ihm fällt auch einiges Licht auf unser Gernsheimer Steinkreuz, da man recht gut einige Analogieschlüsse ziehen darf. Da zeigt es sich denn, daß unser Kreuz weder eine Gerichtsstätte noch eine Gemarkungsgrenze andeutet, wie das mancherorts vorkommt; auch der Gedanke an ein Wegweiserkreuz liegt fern; dagegen können wir fast mit Sicherheit beweisen, daß es ein Unglücks- (oder Mord-) Kreuz ist. In Eberbach am Neckar steht ein allerdings sehr schönes und unter dem Einfluß der höheren städtischen Kultur fast künstlerisches Kreuz. Es trägt auf seiner Vorderseite in einem schrägliegenden Wappen einen Anker eingehauen und ist auch sonst bedeutsam wegen einer Nische, die die Übergänge zum Bildstock anzeigt. Am meisten ist für uns von Wichtigkeit eine Inschrift: " In dem 1416. Jahr an dem nächsten Tage .. Sankt Andreas ist der ehrbar Kunz Kobel vergangen in Wassernot." Auch für unser Kreuz, das ja keine Inschrift und keine Jahreszahl trägt, kann es nicht zweifelhaft sein, daß es einem Unglücksfall seine Entstehung verdankt.
Wie kam man aber zu der Sitte des Steinkreuzsetzens? Ein so plötzlich durch ein Unglück Verschiedener war außerstande, "die läßlichen Sünden zu tilgen und mußte im Fegefeuer büßen. Um seine Qualen zu erleichtern, bat das Steinkreuz die Vorübergehenden, für den Verstorbenen zu beten". Die Angehörigen ließen meist das Steinkreuz setzen. Die ältesten dieser Kreuze sind plump, schwer und niedrig, ohne jede Verzierung. Auf der Vorderseite tragen sie, um dem Fremden Kunde von dem Ereignis zu geben und um den Einheimischen an das Unglück zu erinnern, irgend ein Zeichen, vielleicht die Hausmarke oder das Handwerkszeichen des Verstorbenen. So war der der gernsheimer Verunglückte wie der Eberbacher Kunz Kobel wohl Schiffer. Manchmal wies der abgebildete Gegenstand auf die Ursache des Unglücks hin. Später wurden die Kreuze höher und schlanker, es erschienen achteckige oder gerillte Balken; das Gernsheimer hat ebenfalls an der Innenseite abgeschrägte Balken. Noch später erschienen die Inschriften und Jahreszahlen auf den Kreuzen, wie wir das an dem beschriebenen Ebersbacher Kreuz schon kennen gelernt haben. In Bayern geht dann die Entwicklung zum "Marterl", die zu verfolgen für uns hier keinerlei Anlaß vorliegt. Manchmal werden die Kreuze auch "Sühnekreuze" sein, wenn der Übeltäter neben Abbitte, Schadenersatz und Seelgeräte auch ein Kreuz stiften musste. Auch diese sind also gesetzt in der Sorge um das ewige Heil des Erschlagenen. Daß auch Steinkreuze als Votivsteine vorkommen, hat man für Bayern beweisen können; in unserer Gegend ist die Zahl der Kreuze zu gering, die Erinnerung an ihre Entstehung zu abgeblaßt, als daß man noch etwas in dieser Hinsicht folgern könnte.
Dagegen kann man noch etwas tiefer in die Gründe des Steinkreuzsetzens eindringen, wenn man sie mit dem Seelenglauben unserer Vorfahren in Verbindung bringt. E. Mogk hat in den Mitteilungen des Vereins für sächsische Volkskunde in seinem Aufsatz: "Der Ursprung der sog. Sühnekreuze" dies versucht. Die Seele eines Verstorbenen führte ein dem irdischen Leben ähnliches Dasein. Sie irrte ruhelos umher, konnte den Menschen irgendwie ihre Wünsche äußern und sehnte sich nach einem festen Platz. Man mußte also nicht nur dem Körper, sondern auch der Seele einen solchen schaffen, damit sie die Ueberlebenden nicht beunruhigte. Der Stein ist nun, nach uraltem Glauben, ein Sitz seelischer Wesen. Dort fanden sie ihre Ruhe,. Die Sitte der Grabsteine auf Friedhöfen ist im letzten Grunde aus diesem Glauben entstanden. Wenn aber jemand durch ein Unglück oder Mord umgekommen war, dann war seine Seele erst recht beunruhigt und schwebte und geisterte am Schauplatz der Tat. Sie zu beruhigen setzte man einen Stein, der zum Kreuze wurde, als die christlichen Glaubenslehren überall durchdrangen.
So steht unser Germersheimer Kreuz als ein Hinweis nach oben, als ein Sinnbild der Frömmigkeit jener längst verschwundenen Menschen, die es gesetzt haben. Wann das geschehen ist, läßt sich nicht mehr feststellen. Auf einer Karte von Gernsheim aus dem Jahre 1600 ist es anscheinend aufgezeichnet, neben einer kleinen Kapelle, von der heute freilich nichts mehr vorhanden ist. Auch anderswo kommt ein Kreuz oder Bildstock bei einer Kapelle vor, besonders an Wegkreuzungen. Der ganzen Art nach erscheint es sehr wohl möglich, daß es damals schon 200 Jahre gestanden hat. Wie dem auch sei, wir wollen es als einen Zeugen einer frommen Vergangenheit mit Ehrfurcht betrachten, wenn wir uns auch begnügen müssen mit der Tatsache, daß wir ihm nie sein ganzes Geheimnis entreißen werden. Ein Steinkreuz bei Gernsheim; Mößinger, Friedrich; 1928 | Literatur | Geschichte der katholischen Gemeinde Gernsheim; Braun, Wilhelm; 1920 | Literatur | An der Straße nach Klein-Rohrheim, auf der Westseite, etwa dort, wo von Osten die neu sogenannte Römerstraße auf sie trifft, steht im Straßengraben dieses schöne Kreuz. Es ist von sauberer Arbeit, die Balkenkanten teilweise abgeschrägt, mit einem Schild in der Mitte. Darauf ist ausgehauen ein Anker, daneben zwei „Schallhaken“, Fischerhaken an langen Stangen, wie sie heute noch üblich sind. Auf der Rückseite ist eingeritzt ein Anker, darunter ein Schallhaken, der ein Ruder (?) durchkreuzt. Dies könnte darauf deuten, daß hier ein Schiffer oder Fischer ungekommen ist. Der gestürzte Schild, sonst das Zeichen des Letzten eines Geschlechtes, ist hier vielleicht einfach das Zeichen des Todes. Er gibt uns in seiner Form einen Anhalt für die Entstehungszeit des Kreuzes, einen Anhalt, der sonst sehr selten ist und noch beim Viernheimer und Hirschhorner Kreuz vorhanden ist. Dieser Schild ist nämlich einer jener frühen Dreiecksschilde des 12. bis 13. Jahrhunderts und erlaubt uns demnach, das Gernsheimer Kreuz in diese Zeit zu datieren. Aus derselben Zeit dürfte das Viernheimer Kreuz stammen, wo Inschriften und Urkunden die Vermutung noch unterstützen. Der Volksmund erzählt, es liege jemand darunter begraben, die Kinder wollen sogar wissen, daß es ein Jude sei. Andere behaupten, daß es nach einer Pestepidemie als Dank für gnädige Rettung errichtet worden sei. Diese letztere Angabe hat folgenden Grund: Ursprünglich stand bei dem Steinkreuz das „Fieberkapellchen“, wonach die Äcker heute noch „am heiligen Haus“ heißen. Es war, wie sein Name angibt, bei einer pestartigen Krankheit errichtet worden und kam später von der unruhigen Landstraße an den stillen Einsiedlerpfad, wo es heute noch zu sehen ist. Man erzählt auch von dem Kreuz, daß bei einem Hochwasser jemand ertrunken sei und die Leiche dort angeschwemmt und begraben wurde. Der Acker war dort früher ein Wasserloch, das vor nicht allzu langer Zeit ausgefüllt wurde. Steinkreuze zwischen Rhein, Main und Neckar; Mößinger, Friedrich; 1936 | Literatur | Das schöne, sorgfältig gearbeitete Steinkreuz hatte gefaste Kanten, die nicht ganz bis zum Balkenende liefen. Im Kreuzungsfeld der Vorderseite stand ein umgekehrter Wappenschild im Relief, der mittig einen Anker, flankiert von zwei Fischerhaken, zeigte. Auf der Rückseite war ebenfalls ein Anker und ein von einem Ruder (?) durchkreuzter Fischerhaken eingeritzt. Der gestürzte gotische Dreieckschild – sonst das Zeichen für das Erlöschen eines Geschlechts, aber auch allgemein üblich, einen Trauerfall anzuzeigen -, ist wohl hier als Ausdrucksform für den Tod eines Schiffers oder Fischers angewendet worden. Die Schildform erlaubt eine Datierung ins 13./14. Jahrhundert. Das Kreuz wurde beim Straßenbau beseitigt und ist seitdem verloren Steinkreuze und Kreuzsteine in Hessen; Riebeling, Heinrich; 1977 | Bild |
| Sage | sonstige Motive Toter Mann Ein Jude soll darunter begraben liegen. | Sage | Notzeiten Pest- und Seuchen Das Kreuz soll nach einer Pestepidemie für gnädige Errettung errichtet worden sein. | Sage | sonstige Motive Toter Mann Bei Hochwasser soll dort eine Leiche angeschwemmt und dann begraben sein. | Literatur | Altes Steinkreuz: (Fischerkreuz) Ehemaliger Standort an der B44 nach Klein-Rohrheim, Einmündung Römerstraße. Das sorgfältig gearbeitete Steinkreuz mit gefassten Kanten hatte die Maße 150 / 90 / 20. Im Kreuzungsfeld der Vorderseite stand ein umgekehrter Wappenschild im Relief, der mittig einen Anker, flankiert von zwei Fischerhaken, zeigte. Auf der Rückseite war ebenfalls ein Anker und ein von einem Ruder (?) durchkreuzter Fischerhaken eingeritzt. Der gestürzte gotische Dreieckschild - sonst das Zeichen für das Erlöschen eines Geschlechts, aber auch allgemein üblich, einen Trauerfall anzuzeigen – ist wohl hier als Ausdrucksform für den Tod eines Schiffers oder Fischers angewendet worden. Die Schildform erlaubt eine Datierung ins 13./14. Jahrhundert. Der in unmittelbarer Nähe gelegene Acker „Am heiligen Kreuz“ könnte darauf Bezug nehmen. Sein Namen dürfte aber erst später entstanden sein, als man die Bedeutung des Kreuzes nicht mehr kannte. Das Kreuz wurde beim Straßenbau beseitigt und ist seitdem verloren. 250 Jahre St. Maria Magdalena zu Gernsheim 1753-2003; Hertling, H.; 2003 |
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