Deutschland Sachsen-Anhalt Kreisfreie Stadt Halle

Halle


Bildrelief
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Blick zum Standort

PLZ: 06108

GPS:

Standort: Am Universitätsring.

Größe / Material:

Geschichte: Betsäule. Der jetzige Standort ist nicht der ursprüngliche. Am ursprünglichen Aufstellungsort soll wohl eine Gerichtsstätte gewesen sein und an einer Stelle lasen wir, dass es sein könnte, dass die zum Tode Verurteilen dort ihr letztes Gebet gesprochen haben.

[...] Mehr als viereinhalb Jahrhunderte stand die Betsäule an ihrem Platz; im 20.Jahrhundert allerdings wurde sie dann gleich mehrmals umgesetzt: Im Jahr 1928 musste sie einem Verkaufskiosk weichen und wechselte vom Riebeckplatz in eine Grünanlage an der Mauerstraße, vis-à-vis der Franckeschen Stiftungen. Der zweite Ortswechsel wurde 1970 fällig: Grund war diesmal der Bau der Hochstraße. Die Betsäule wurde erst für einige Zeit eingelagert, bevor man sie 1972 am Universitätsring aufstellte, wo sie heute noch steht - besser: Wo sie bald wieder stehen wird.
Aktuell befindet sich das Denkmal nämlich in einem Hinterhof in Kröllwitz unter einem Partyzelt, genau gesagt: ein Teil davon, wenngleich der wichtigste - eben jenes mannshohe Relief.
Die Bildhauer-Zwillinge Markus und Christof Traub restaurieren das Relief mit Akribie und Aufwand. Und unter den strengen Blicken des Denkmalschutzes. "Eine heikle Sache", sagt Christof Traub. Die Arbeit der beiden Brüder darf nämlich quasi nicht zu sehen sein. "Wir setzen die Betsäule sozusagen zurück aufs Jahr 1924." Das heißt: Die Säule soll, wenn die Bildhauer fertig sind, gerade nicht "wie neu" erstrahlen, sondern so aussehen, wie auf den ältesten bekannten Fotos - und die stammen eben aus dem Jahr 1924.
Aus Alt mach Alt, sozusagen.
Für die Traub-Brüder heißt das: "Wir müssen mit der Verwitterung umgehen." So seltsam es klingt: Zur Arbeit der Restauratoren gehört darum auch die Zerstörung. In gewisser Weise jedenfalls. So arbeiten die Traubs Verwitterungsspuren in Form kleiner Löcher in den doch eigentlich neuen Stein.
Wo es keine Gewissheit über das Aussehen der Figuren gibt, da darf nachträglich keine geschaffen werden. So bleibt das Gesicht einer der Maria-Figuren auch nach der Restaurierung unvollständig - eben weil man nicht weiß, wie es einst ausgesehen hat.
Und noch ein Beispiel für den Aufwand: Fast ein Vierteljahr recherchierten die Traubs auf der Suche nach einer Firma, die für die Bekrönung und die Konsole der Skulptur den "richtigen" Sandstein liefern kann. Fündig wurden sie schließlich bei einem Unternehmen in Polen. (Godazgar 2012)

Wie sehr die Verankerung von Kleindenkmalen im Bewußtsein der Bevölkerung ihrem Schutz dient, soll am Beispiel der gotischen Betsäule, in Halle unter dem Namen "Pestsäule" bekannt, dargestellt werden. Sie wurde nach einer schweren Pestepidemie im Auftrag des Erzbischofs Friedrich III. im Jahre 1455 errichtet. Sie stand am Weg von Halle nach Leipzig am hallischen Galgen vor dem Leipziger Tor (Gebiet des heutigen Riebeckplatzes). Unverändert hat sie dort ihren Platz über die Jahrhunderte bis zum Jahr 1928 beibehalten. Dann mußte sie dem verkehrsgerechten Umbau des Platzes weichen und wurde am Franckeplatz wieder aufgebaut. Im Zweiten Weltkrieg wurde sie durch Brandbomben und Granatsplitter beschädigt. Trotz schwieriger Zeit wurde 1950 die Restaurierung durch den Magistrat der Stadt veranlaßt. Am Franckeplatz blieb sie nur bis zum Jahre 1969 stehen, weil die Schnellstraße nach Halle-Neustadt den Standort beanspruchte. Da nach der Demontage kein geeigneter Standort gefunden wurde, lagerte man sie in aller Stille in der Moritzkirche ein. Das löste bereits besorgte Leserbriefe an eine hallische Zeitung aus. Auch die zunehmende Luftverschmutzung, die Spuren am Sandstein des Denkmals hinterließ, bewegte die Einwohner, wie ein Brief an die Stadtverwaltung zeigt. Der hallische Maler und Grafiker Kurt Mahrholz machte damals den Vorschlag, eine Kopie anzufertigen und anstelle des Originals aufzustellen. Das Original sollte geschützt und öffentlich zugänglich in einem Museum o.ä. bleiben. Der Wiederaufbau am Universitätsring wurde Ende 1972 dann zu einem lokalen Ereignis, über das die hallischen Zeitungen berichteten. (Wemhöner 2004)

Sage:

Quellen und Literatur:
Schönermark, Gustav - Die Betsäule, in: Beschreibende Darstellung der älteren Bau-und Kunstdenkmäler der Stadt Halle und des Saalkreises, Halle a.d. Saale 1886, S.294-296
Wemhöner, Bodo - Kleindenkmale im Stadtkreis Halle und im Saalkreis - eine Bestandsaufnahme, in: Archäologie in Sachsen Anhalt, Band 2/2004
Godazgar, Peter - Aus Alt mach Alt, auf: mz-web.de (Mitteldeutsche Zeitung), 1.08.2012
recherchiert und bebildert von Ute Fuhrmann / Rainer Vogt, Aug. 2007



Die Betsäule
Gustav Schönermark

   Auf der örtlichen Seite des Leipziger Platzes ragt aus Buschwerksanlagen ein steinernes Mal empor, welches sowohl durch Geftalt und Schmuck als auch durch eine Inschrift seine nicht profane Bestimmung kund thut. Fig. 113 und 114.
   Ueber einer nicht hohen, oben etwas abgeschrägten, quadratischen Sockelplatte bauen sich mehrere, im Grundriß quadratifche Quadern mit starker Verjüngung nach oben auf, um hier einen Stein aufzunehmen, der von der oberen Stärke des letzten Quaders sich nach Norden und Süden durch einen Viertelbogen mit einer gothischen Nase verbreitert und an den Kanten schwach gekehlte, an dem pyramidalen Unterbau lang auslaufende Fasen hat. Dieser Stein trägt einen viereckigen anderen von etwas geringerer Stärke aber gleicher Breite und von einer etwas größeren Höhe als Breite. Die plattenähnliche Gestalt dieses letzten Steines wird auf ihren gegen Westen und Osten gerichteten Breitseiten von je einem reliefirten Bildwerke gechmückt, zu deren würdiger Aufstellung dieses Monument überhaupt dienen foll. Als Abschlufs des Ganzen läuft zunächst ein Sims, aus Hohlkehle mit zwei schrägen Plättchen gebildet ringsum, über welches sich dann als Krone ein Maaßwerksgebilde setzt. Die Kleeblattbögen des letzteren, die nach unten zu geschlagen sind, also ihre Schenkel emporstrecken, stehen gewissermaaßen auf dem Kopfe und sehen daher abenteuerlich genug aus, wie überhaupt an diefem Werke die mittelalterliche Wunderbarkeit so recht zu sichtbarem Ausdrucke kommt.
   Das Reliefbild zeigt inmitten einen Crucifixus - ein egyptifches Kreuz, wie gewöhnlich im späten Mittelalter, - zu dessen rechter Seite (also links vom Beschauer) Maria mit über den Kopf gehendem Mantel in einem faltenreichen Kleide steht, während sich auf der anderen Seite die etwas lange Gestalt des lockigen Johannes befindet. Unten am Kreuze kniet Maria Magdalena und umfaßt den Kreuzesstamm. Auf dem Steine unter dem Bilde lesen wir in Minuskeln:
Das Relief der gegen Osten gerichteten Rückseite stellt den kreuztragenden Chriftus dar, dem ein Kriegsknecht voraufgeht, während ihm drei Frauen (die drei Marien?) und ein Mann (Johannes?) folgen.
   Eine künstlerisch sich auszeichnende Leistung liegt uns in dem Werke, das, wie gesagt, die Kennzeichen seiner Zeit hat, nicht vor; den Stil zu besprechen müssen wir Abstand nehmen, weil es augenfällig ist, daß eine 1840 städtischerseits vorgenommene Renovation sich namentlich auch auf den figuralen Theil (durch Abscharriren) erftreckt hat.
   Wir haben noch auf einen besonderen Punkt aufmerksam zu machen. Auf jeder der beiden Schmalseiten des reliefirten Steines ist über der Mitte ein eiserner Haken eingebleit, der indessen nicht zum Aufhängen eines Gegenstandes gedient haben kann, weil seine Spitze sich abwärts biegt. Haben diese beiden Haken bereits seit 1455 hier gesessen? Vielleicht; doch, da sie in diesem Falle stärker verrostet sein würden, müssten sie inzwischen einmal erneuert worden sein, wozu für die letzten Jahrhunderte ein Grund kaum vorliegt; länger als seit 1840 befinden sie sich jedenfalls an ihrem Platze, wie das aus einer Zeichnung des Monumentes von dem Baumeister Stapel hervorgeht. Wann also sind sie eingesetzt und überhaupt zu welchem Zwecke? Ich muß die Frage unbeantwortet lassen.
   Schließlich ist noch zu bemerken, daß einige Schritte in südweftlicher Richtung von dem Monumente ein das hallesche Stadtwappen tragender (Grenz-?) Stein steht, der dem Stile nach mit dem Monumente gleichzeitig entslanden ist.
   Wir haben dieses (Denk-)Mal nach der allgemein üblichen Weise als Betsäule bezeichnet, wiewohl ja weder eine Säulenform vorhanden ist, noch feststeht, ob es ursprünglich als Betsäule d.h. als eine auf den kleinften Raum reducirte Kapelle zum Gebet für Jedermann gedient hat. Immerhin ist thatsächlich, wie Inschrift und Bild nicht zweifelhaft lassen, hier gebetet worden, und es fragt sich nur von wem, wann und unter welchen Umständen. Da hier vor dem alten "Galgthore" seit vielen Jahrhunderten der Galgen gestanden hat, so wird angenommen, die Verurtheilten hätten an dieser Stelle ihr letztes Gebet verrichten können. Diese Erklärung hat für mich besonders des nahestehenden Grenzsteines wegen ausserordentlich viel Wahrscheinliches, da jedoch ihre Richtigkeit nicht zu beweisen ist, so kann ich nicht umhin, auch noch darauf aufmerksam zu machen, daß Olearius zu dem Jahre 1516 folgende Bemerkung macht: "Nachdem eine Gewohnheit gewesen, daß man das Evangelium auff St. Marcs Tage vorm Ranischen Thore gelesen, so hat der Rath zur Andacht ein Crucifix mit zwey Bildern des Orts setzen lassen." Könnte nun nicht auch aus Anlaß einer ähnlichen, unbekannt gebliebenen "Gewohnheit" diefes Reliefbild errichtet worden sein?
(Schönermark, Gustav - Beschreibende Darstellung der älteren Bau-und Kunstdenkmäler der Stadt Halle und des Saalkreises, Halle a.d. Saale 1886, S.294-296)


Sühnekreuze & Mordsteine