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Mühlhausen


Blick zum Standort
Foto: Basler (2008)

Relief nachgezeichnet
Foto: Basler (2008)

Perspektive
Foto: Basler (2008)

PLZ: 96172

GPS: N 49° 46,029', O 10° 45,137'

Standort: Die Sandsteinplatte steht an der Gemeindeverbindungsstraße von Mühlhausen nach Decheldorf, etwa 1,8km nach dem Ortsschild auf der linken Straßenseite vor der Anlage des Motocrossclubs Mühlhausen.

Größe / Material: 137:96:24 / Sandstein

Geschichte: Benennung: "Pfennigstein", "Hilpertskreuz", "Alte Marter". Auf der zur Straße gewandten Seite ist ein Kreuz auf Bogensockel im Relief zu sehen. Die Enden des Kreuzes, mit gotischen Nasen, gehen in eine ebenfalls erhabene Umrandung über.

Sage: Zwei wandernde Handwerksgesellen hätten sich hier wegen eines Kupferpfennigs gegenseitig umgebracht.

Quellen und Literatur:
Frank, Alfred - Den "Pfennigstein" mied man einst in dunkler Nacht, in: Fränkisches Land, 8.Jahrg., Nr.16, Nov.1961
recherchiert und bebildert von Paul Basler, Schwarzenbach / Saale (Fotos von August 2008)
Ergänzungen von von Erich Sauer, Strullendorf (Foto von März 2012)



Den "Pfennigstein" mied man einst in dunkler Nacht
Von Alfred Frank

Wer den wettergrauen "Pfennigstein" auf der Höhe zwischen Mühlhausen und Oberköst unmittelbar am Gemeindeweg nach Decheldorf einmal etwas genauer betrachtet, dem treten neben dem gut herausgearbeiteten großen Kreuz, das die ganze Höhe und Breite des alten Steins ausfüllt, auch noch eine Jahreszahl und zwei Buchstabengruppen entgegen. Da man dem altersgrauen Kreuzstein die Jahrhunderte, die er schon an seinem einsamen, ringsum von jedem Baum und Busch entblößten Platz steht, leicht ansieht, muß es verwundern, das man auf der rechten Seite des Steins die Zahl 1889 (eigentlich müßtes, wie wir noch hören,1859 heißen) lesen kann. Die Überlegung, daß das steinerne Mal keinesfalls erst aus dem vergangenen Jahrhundert stammen kann, fand eine Stütze in der ergebnislosen Sichtung der Einträge in den Kirchenmatrikeln der umliegenden Pfarreien, die vielleicht von Unglücks- oder gar Mordfällen zu jener Zeit berichten hätten können. Erzählt sich das Volk doch seit alters, und auch Sagensammlungen nahmen die Überlieferungen willig auf, daß sich an diesem "unheimlichen" Platz einstmals zwei wandernde Handwerksburschen wegen eines sage und schreibe einzigen Kupferpfennigs gegenseitig umgebracht hätten.
Daß man aber solche und ähnliche Geschichten auch von anderen Plätzen und Gegenden zu erzählen weiß, läßt freilich aufhorchen und mit Recht an der Wahrheit des Überlieferten zweifeln. Allerdings zeigte sich hier auf der Höhe zwischen Mühlhausen, Oberköst und Decheldorf ehedem um die Mitternachtsstunde der "Reiter ohne Kopf", so erzählte man sich wenigstens in den Spinnstuben, jener gespenstige Wanderer, der nicht selten dort "zuhause" war, wo sich später bei näherem Zusehen ein vergessenes Soldatengrab, auch wohl ein vergrabener Schatz fand oder auf andere Weise die Gewißheit ergab, daß sich an dem sonst gemiedenem Ort in unvordenklichen Zeiten einmal etwas Schreckliches zugetragen hatte. Der unheimliche "Reiter" jedoch blieb bis in die Gegenwart vielfach der einzige überlieferte Hinweis auf früher Geschehenes in der oder jener Gegend.
Der frühere Mühlhäuser Pfarrer Richard Matthes, der in seiner ungedruckten Chronik von Mühlhausen ebenfalls auf den schrecklichen kopflosen Reitersmann verweist, bringt auch noch die interessante Bemerkung, daß in einer Mühlhäuser Gemeindeorndnung der sagenumwitterte Pfennigstein als "Alte Marter bei den 9 Morgen Feld, zum Halbhof Mühlhausen gehörig" bezeichnet wird. Darnach dürfte der Pfennigstein kaum ein sogenannter Zehntstein gewesen sein, wie man das schon behauptete, ganz abgesehen davon, daß es derartige "Zehntsteine", bei denen die zehntpflichtigen Bauern zur Zeit der Frohnherrschaft ihr gezehntes Getreide abzuliefern gehabt hätten, wohl überhaupt niemals gab. Hier liegt ohne Zweifel eine Verwechslung mit den früheren "Cent- oder Fraischsteinen" vor, die ein Gerichts- und Herrschaftsgebiet begrenzten. Diese "Centen" gehen weit in die karolingische Zeit zurück und vielleicht noch darüber hinaus, denn die "Hundertschaft", die eine solche Cent vereinigt, ist bereits in indogermanischer Zeit spürbar.
Nach der Mitteilung des "Vereins für deutsche Kreuzsteinforschung" in Nürnberg gibt es auf dem Staffelberg sogar einige Steine, die als Grenzsteine das Wort "Hundt" anstelle von "Cent" tragen. In späterer Zeit ist verschiedentlich der Begriff "Cent" mit "Zehend" (Zehnt) verwechselt worden,wie beispielsweise im alten Steppacher "Siebnerbuch" von 1739, das wohl verschiedene Arten einmaliger Flursteine benennt, u.a. auch die "Zehendsteine", dagegen die einstigen "Centstein" (Zentsteine) nicht aufgeführt. Da damals dem bäuerlichen Schreiber vermutlaich der Begriff des "Zehnten" näher stand als der "Zent" als Gerichtsbezirk, konnte die Verwechslung leicht geschehen.
Zu der zuweilen geäußerten Vermutung, es könnte ehedem sogenannte Zehntsteine gegeben haben, wärenoch zu sagen, daß man im Weinbaugebiet des Maintals wohl Stellen kannte, wo der Zehnte vom Zehntherrn im Weinberg abgeholt wurde, aber niemals waren diese Örtlichkeiten durch besondere Male gekennzeichnet. Auch bei der Ablieferung des Zehntgetreides mag es ähnlich gewesen sein. Übrigens saß inden Dörfern ein besonderer "Maier", der für die Herrschaft oder den Grundherrn den Zehnten sammelte, so daß auch in solchen Fällen kein besonderer Stein notwendig war.
So mag auch unser "Pfennigstein" ob Mühlhausen kein "Zehntstein" gewesen sein. Wie schon angedeutet, sind auf seiner Vorderseite neben der Zahl 1869 - sie sollte eigentlich 1859 lauten - noch zwei Buchstabengruppen eingegraben, und zwar links die Buchstaben J B M D und rechts über der Jahreszahl die Buchstaben K M L H. Da, wie bereits erwähnt, die Kirchenbücher über mögliche Unglücksfälle am Standort des Kreuzsteines, der übrigens einst nicht nur "Alte Marter", sondern noch "Hilpertskreuz" genannt worden war, keine Auskunft gaben, würde man wohl noch weiter an der Deutung dieser Inschriften herumrätseln, wenn nicht Pfarrer Matthes in seiner Chronik auf das mit dem Jahre 1736 beginnende Mühlhäuser "Siebenerbuch" verwiesen hätte, das des Rätsels Lösung beinhaltet. Darnach richteten im Jahre 1859 und nicht 1869, wie die Inschrift vermuten läßt, die "Siebener" anläßlich einer Flurbegehung und Steinsetzung den gänzlich um- und eingesunkenen alten Kreuzstein wieder auf und gruben zur Erinnerung das betreffende Jahr und die Anfangsbuchstaben ihrer Namen in den Stein ein. Somit verewigten sich links die Siebner Johann Popp und Max Dingfelder mit den Buchstaben J B - müßte richtiger J P stehen - und M D und rechts die Siebner Georg Friedrich Kleebauer und Andreas Möhringer Mit K und M und endlich der Bauer Johann Hertlein, auf dessen nahem Felde damals ein Grenzstein gesetzt worden war, mit dem Buchstaben J H (auf dem Stein fälschlich L H).
Ebenso wie über die Bedeutung des Steinmals kann auch über sein Alter keine genaue Angabe gemacht werden. Das es bereits im Jahre 1626, also vor gut dreihundert Jahren, als "alte" Marter bezeichnet wird, läst den Schluß auf ein weithöheres Alter zu. Man sah also schon in den ersten Jahren des Dreißigjährigen Krieges den auf einsamer Höhe zwischen Mühlhausen und Decheldorf stehenden Kreuzstein als aus alten Zeiten stammend an.
Um die Mitte des vorigen Jahrhunderts wurden von den Mühlhäuser Siebenern die heute zu lesende Jahreszahl und die Initialen dem Stein eingeprägt. Das damals auch die Kreuzform geschaffen worden wäre, ist nicht anzunehmen. Einmal spricht sie in ihrer Art für ein höheres Alter, außerdem erscheint sie in ihrer Gestaldung im Gegensatz zu der noch recht dilettantischen Arbeit eines guten Steinmetzen. Ferner schaut der Kreuzstein nur zu etwa zwei Drittel aus dem Erdboden, was wohl nicht der Fall wäre, wemm man erst 1859 (1869) das Kreuz herausgemeißelt hätte, weil dan der Stein doch sicherlich vollständig an die Erdoberfläche gebracht worden wäre. Auch darf nicht übersehen werden, das er früher und wohl schon in alter Zeit einmal "Hilpertskreuz" hieß. Ihn erst nach 1859 so zu benennen, bestand hinsichtlich des Namens doch keine Veranlassung.
Freilich bleibt auch jetzt noch die Frage nach der Ursache der ersten Setzung des "Pfennigsteins" und die Begründung seines heutigen Namens offen.
(Fränkisches Land, 8.Jahrg., Nr.16, Nov.1961)


Sühnekreuze & Mordsteine