Burgfriedsäulen (Grenzsäulen):
Die Grenzsäulen, die eigentlich Male rechtlicher Natur sind, wurden oft in Gestalt von Licht- und Bildstöcken errichtet. Der sakrale Charakter, der den Grenzzeichen an und
für sich anhaftete, wurde durch die Verbindung mit dem religiösen Kultmal noch gesteigert, erzählen doch zahlreiche Sagen von den Strafen, die diejenigen trafen, welche
es wagten, Grenzzeichen zu versetzen.
(Hula, Franz - Die Bildstöcke, Lichtsäulen und Totenleuchten Österreichs, 1948, S.40)
[...] Gegenüber der erdrückenden Mehrheit von Sühneerkenntnissen sind urkundliche Belege, die andere Zwecke mit einem
zu errichtenden Steinkreuz verknüpfen, nur ganz vereinzelt anzutreffen. In Sachsen sei dazu von älteren Urkunden nochmals an die Weichbildzeichnung
in Colditz vom Jahre 1557 [...] erinnert.
(Kuhfahl, Dr. G.A. - Die alten Steinkreuze in Sachsen, 1928, S.1209)
Es gibt zahlreiche weitere Beispiele dafür, daß Kreuze als Grenzzeichen gedient haben, mag es sich um die Grenzen
von Gebieten handeln oder den Geltungsbereich von Berechtigungen und Freiheiten. Meist umhegen sie das städtische "Weichbild", also den Bezirk, in dem außerhalb
der Mauern der Stadtfriede galt, und heißen darum auch Weichbildkreuze. Justus Moser spricht von "Bannkreuzen"; er sieht in ihnen Schutzzeichen für die mit dem
Weichbildrecht Begabten vor den Ansprüchen des Schutzherrn (z.B. auf das "Heergewedde") und Sinnbilder des Gottesfriedens, der in dem umhegten Raum galt. Solche
Kreuze kommen auch als Grenzmarken von Immunitätsbezirken vor, wie der kleine Kreuzstein in der Mauer der
Bispinghofbrücke in Münster zeigt, der den Immunitätsbezirk des bischöflichen Wirtschaftshofes abgrenzen half.
Sehr oft begegnen uns im ortsgeschichtlichen Schrifttum Westfalens "Friedekreuze" neben Friedesteinen oder -pfählen. Treffend umreißt Lappe ihre Funktion,
wenn er schreibt: "Die neu entstandenen Verwaltungs- und Gerichtsbezirke, wie Weichbild und Stadt, wurden im Mittelalter durch solche Grenzzeichen aus dem
Landrecht ausgeschieden. Dadurch bildeten sich gleichsam Friedensinseln, die von Friedepfählen und Friedekreuzen umhegt waren".
Ob die städtischen Friedekreuze zu den niedrigen, schlichten Steinkreuzen gehören, die uns hier am meisten interessieren, oder ob es hochragende Steinmale
oder gar Holzkreuze waren, wird kaum mehr sicher festzustellen und in den einzelnen Orten oder Landschaften auch verschieden gewesen sein.
Schon die gebräuchlichste Bezeichnung "Fredesteen" oder "Fredepohl" läßt vermuten, daß es sich in der Regel um roh behauene vierkantige oder plattenförmige
Steine gehandelt hat, in die nach Art der "Kreuzsteine" ein Kreuz eingemeißelt war. Der Dortmunder Chronist Beurhaus hat um 1760 solche Male an den Grenzen seiner
Stadt noch gesehen, war sich aber über ihre Bedeutung nicht mehr klar. Er schreibt: "Vor dem Westentore wie auch vor dem Wißstraßentore, ohnegefähr einen Schuß
Weges von der Stadt, an der Landstraße, findet sich ein großer, aufrecht stehender ohngefähr 10 Fuß hoher, 2 Fuß breiter und ¾ Fuß dicker Stein, welcher etwas
besonderes anzuzeigen scheinet, ohne daß man davon etwas melden kann. - Vor dem Burgtor steht ein großer Kreuzstein, von dessen Bedeutung gleichfalls nichts
bekannt ist". Beurhaus hebt also die Größe der Steine hervor.
In Münster heißen die Male, die die Reichweite des Marktfriedens bzw. Marktgerichtes markierten, rechts der Aa Vredesteene, links des Flusses Baken. Ihre
Errichtung muß - so folgert Prinz aus der verschiedenen Benennung - sehr früh erfolgt sein, sicher vor dem Zusammenschluß der alten Kaufmannssiedlung rechts der
Aa mit dem Suburbium "Überwasser" auf der linken Seite des Flusses um 1170. Daß hier die Zeichen tatsächlich Kreuze waren, geht aus einem 1463 in Münster
verfaßten Traktat hervor, dessen Verfasser erläutert, warum die Cruces altae, die "hohen Kreuze" also, die in der Feldflur stehen, "Baken" genannt werden. Sowohl in
Dortmund als auch in Münster handelt es sich demnach - abweichend von den gewöhnlichen Steinkreuzen - um hochragende Male. Im Gegensatz dazu waren, wenigstens
in neuerer Zeit, die Friedesteine in Coesfeld nach der Art der heutigen Grenzsteine sehr klein. In dieser Form sind sie, geziert mit dem Wappenzeichen der Stadt, 1947
erneuert worden. Ein ähnlicher "Friesteen" ist in Metelen (Kreis Steinfurt), dem Sitz eines im 9.Jahrhundert gegründeten vornehmen Frauenstiftes, erhalten.
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a) und b): Kreuzsteine in Basel, Grenzacher u. Riehenstraße. Zeichn. nach Fotos in: "z' Riehe",
ein heimatliches Jahrbuch, 1961, S.45. c) Kreuzstein in Liestal b. Basel, nach einer Abb. in: "Die Kreuzsteine im alten Basel" von Martin Strübin, S.10 u. 16. |
Außerhalb von Westfalen sind Grenzkreuze dieser Art besonders im alemannischen Raum verbreitet. Nach Jakob Grimm setzte man dort Kreuze gerne als
städtische Grenzmarken da, wo die Wege das Stadtgebiet verlassen. Unter Stadtgebiet ist hier - wie beim Weichbild in Westfalen - der Bezirk außerhalb der Mauer zu
verstehen, in dem die städtische Gerichtshoheit galt, der also für die Bürger einen Friedensbezirk darstellte. Er wird darum in der Schweiz "Friedkreis" genannt. Vier
Friedekreuze der Stadt Basel werden heute im Baseler Historischen Museum aufbewahrt; es sind Kreuzsteine von 95 bis 140 Zentimeter Höhe. Ein gleicher Stein ist in
dem Basel benachbarten Liestal erhalten. Über die Form der gleichfalls noch vorhandenen Kreuzsteine, die den Friedkreis der schweizerischen Stadt Sursee
umhegten, konnte noch nichts festgestellt werden. Für Zürich werden wiederholt in Urkunden Kreuzsteine genannt, die den Raum außerhalb der Stadt abgrenzen, in dem
die Handwerker Bürger- und Zunftrecht besitzen sollen; 1458-63 werden die Stellen aufgezählt, wohin damals jeweils ein Kreuz gesetzt werden sollte. Auch das
Freiburger Stadtgebiet war rings von Kreuzen umgeben. In einer Urkunde von 1368 heißt es hier: "...innerhalb den krützen allen, die vor derselben stat umb und umb stant
und gesetzt sint"; es sind insgesamt 19 Kreuze. 1349 wird bestimmt: "Wem auch die stat zur Friburg verbotten wird, der sol auch für alle Krütze us, und da uswendig
beliben, als lange das gebot ist...". Eines dieser Kreuze wird im Altertumsmuseum in Freiburg aufbewahrt; es ist - wie in Basel - ein Kreuzstein.
(Brockpähler, Wilhelm - Steinkreuze in Westfalen, 1963, S.134-136)
Waltet auf dem Gebiet des bäuerlichen Rechts das Weistum vor, so auf dem Gebiet des
Stadtrechts oder Weichbildes das Gesetz. Und das nämliche gilt von der
Vorstufe des Stadtrechts, dem Marktrecht. Im Wesen von Markt und Stadt (§31) liegt schon etwas künstliches, und künstlich wie ihre ersten Einrichtungen pflegen
auch ihre späteren zustande zu kommen. Denn im Gegensatz zu den bäuerlichen Rechtskreisen eignet der Stadt eine schnelle, oft sprungweise Entwicklung ihres
Rechts, welches mannigfaltigen wirtschaftlichen und politischen Verhältnissen angepaßt und so Gegenstand der Überlegung werden muß. [...]
[...] Jüngere Formen jener Abhandlung und dieses Schöffenrechts wurden noch zu Anfang des 14.Jahrhs. äußerlich , miteinander verbunden. An dieser Kompilation
haftete der Name Weichbild oder "Weichbildrecht", der vorher auch dem Schöffenrecht beigelegt worden war. Während des
14.Jahrhs. wurde das Weichbildrecht überarbeitet und durch Zusätze erweitert, ins Latein, und in slawische Sprachen übersetzt.
(Amira, Karl von - Grundriss des germanischen Rechts, 1913, S.45 und 69)
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Leipzig, vor dem Hallischen Tor, 1704 Zeichnung von Christian Heckel. Verlag Schenk in Amsterdam
Quelle: Kuhfahl (1928, S.17) |