Deutschland Bayern Lkr. Weilheim-Schongau

Raisting (I)


Blick zum Standort

PLZ: 82399

GPS: N 47° 54,814', O 11° 6,150'

Standort: Am "Hartweg", schräg gegenüber der Einmündung "Wiesenweg".

Größe / Material: 136:73:30 / Tuffstein

Geschichte: Das Sühnekreuz Raisting I, Hartweg / Wiesenweg, wird gerade versetzt. Ich habe am 11.05.2009 den Bürgermeister von Raisting, Hr. Max Wagner angerufen. Das Grundstück wurde verkauft und der neue Eigentümer will das Kreuz dort nicht mehr haben. Nachdem der Standort sowieso nicht mehr der Originalstandort war, gab es von der Unteren Denkmalschutzbehörde keine Probleme, das Kreuz zu versetzen.
Es wird derzeit mit einer Gedenk- / Informationstafel versehen und kommt an einen Ausweichstandort, der sogar näher am Originalstandort liegt.
Sicherungsmaßnahmen gegen Diebstahl werden vorgesehen. (Piesch 05/2009)

Malteser-Kreuzform, Schaft sockelförmig auslaufend, rechter Arm mit größeren Abschlägen. Unter dem Querbalken deutliche Bruchstelle. Raich berichtet von diesem Bruch schon 1904 und gibt das Oberteil als "abgegangen" an. Es stand früher südlich der Ertmühle und wurde 1985 neu aufgestellt.

   36. Raisting (BA. Landsberg), 25 Min. nordwestlich, am Burggraben, an einem Wiesenrand, Querbalken und obere Längenbalkenhälfte abgebrochen und abgegangen. Am Sockel unklar, weil halb mit abgebrochen: 1616, deutlich aber: RWEV DEN 16 DECEMBER. (Raich 1904-1)

   [...] Der vierte und größte bei Raisting, südwestlich vom Ammersee war 173cm hoch, 74cm breit, 30cm dick.[...] Ein Kreuzstein bei Raisting läßt undeutlich die Zahl 1616, darunter aber deutlich die Inschrift "R W E V Den 16 December" erkennen. (Raich 1904-2)

Sage:

Quellen und Literatur:
Raich, Johann Michael - Kreuzsteine in Oberbayern, in: Deutsche Gaue, Sonderheft IV, 1904, S.9, Nr.36 (1)
Raich, Johann Michael - Die sog. Kreuzsteine, in: Der Katholik. Zeitschrift für katholische Wissenschaft und kirchliches Leben, 85.Jg., 1904, Dritte Folge, Bd.XXIX, S.43, 45 (2)
Gampe, Charlotte - Sühnekreuze, Historische Grenzsteine, Bildstöcke, Gedenksteine im Landkreis Garmisch-Partenkirchen und im Altlandkreis Weilheim, 1990, S.50
recherchiert und bebildert von Claus Piesch, Tutzing (Fotos vom 2.08.2008)



Raisting (II)


seitliche Ansicht

GPS: N 47° 54,762', O 11° 6,722'

Standort: Südostecke (außerhalb) des Friedhofes, im "Kirchenweg".

Größe / Material: 139:79:24 / Tuffstein

Geschichte: Sehr gut erhaltenes Steinkreuz. Gemäß des neu angebrachten Bronzeschildes ist es ein Pestkreuz aus dem 30-jährigen Krieg (1618-1648).

Sage:

Quellen und Literatur:
Gampe, Charlotte - Sühnekreuze, Historische Grenzsteine, Bildstöcke, Gedenksteine im Landkreis Garmisch-Partenkirchen und im Altlandkreis Weilheim, 1990, S.50
recherchiert und bebildert von Claus Piesch, Tutzing (Fotos vom 2.08.2008)



Raisting (III)


die andere Seite

seitliche Ansicht

GPS: N 47° 55,082', O 11° 6,616'

Standort: An der Gabelung "Sölberstraße" und "Gartenweg".

Größe / Material: 54:75:20 / Tuffstein

Geschichte: Sühnekreuz mit nachträglich angebrachter Tafel mit der Aufschrift:
AUF DER ARM-SEEL
SÜHNEKREUZ
1600
Maße Sockel: h=25, b=67, t=28cm. Stand früher in der Sölber Flur "Arme Seel".

   Meist sind Grabungen resultatlos. Doch Raisting (Landsberg) unter dem Steinkreuz ein langes Messer. (Frank 1908)

   35. Raisting (BA. Landsberg), am östl. Ortsende an einem Kapellchen, früher unweit davon freistehend. Beim Versetzen zeigte sich die ganze Höhe mit 173cm (74cm breit, 20cm dick). Unter dem Stein lag ein langes Messer (Mordwerkzeug?) ef. über zwei ähnliche Funde bei Ravensburg: J. Groß "Von alten Steinkreuzen an Straßen und Wegen im Allgäu" im "Allgäuer Geschichtsfreund" 8.Jahrg. S.52. (Raich 1904-1)

   In Raisting fand man unter einem Kreuzsteine ein langes Messer vergraben. Daß hier der Zufall keine Rolle spielte, ist aus zwei ähnlichen Funden bei Ravensburg ersichtlich. Es scheint sich in diesen Fällen um Mordwaffen zu handeln. (Raich 1904-2)

Sage:

Quellen und Literatur:
Raich, Johann Michael - Kreuzsteine in Oberbayern, in: Deutsche Gaue, Sonderheft IV, 1904, S.9, Nr.35 (1)
Raich, Johann Michael - Die sog. Kreuzsteine, in: Der Katholik. Zeitschrift für katholische Wissenschaft und kirchliches Leben, 85.Jg., 1904, Dritte Folge, Bd.XXIX, S.47 (2)
Frank, Christian - Funde unter Steinkreuzen, in: Deutsche Gaue, Band IX, 1908, S.149
Schweizer, Dr. - In der ärmen Seel, ein Raistinger Flurname, in: Lechisarland, 4.Jg., Juni 1928, 6.Heft, S.86-88
Gampe, Charlotte - Sühnekreuze, Historische Grenzsteine, Bildstöcke, Gedenksteine im Landkreis Garmisch-Partenkirchen und im Altlandkreis Weilheim, 1990, S.51
recherchiert und bebildert von Claus Piesch, Tutzing (Fotos vom 18.04.2009)



In der ärmen Seel, ein Raistinger Flurname
Von Dr. Schweizer

   Wir haben schon von verschiedenen Sühnekreuzen gehört, S.65 des vorigen Jahrgangs ist auch eines erwähnt, das in der Flur von Sölb bei Raisting steht. Im Katasterplan finden wir dort die Bezeichnung "Arme Seel", und merkwürdigerweise nicht weit davon die rätselhafte Inschrift "Aerme Säul". Es ist nicht etwa das zweite die Mehrzahl des ersten Wortes, sondern nur, wie das oft vorkommt, eine andere Hörform deselben Flurnamens, die ein gewissenhafter Geometer in Buchstaben gekleidet hat.
   Daselbe Pech ist aber schon vor 400 Jahren einem Schreiber des Klosters Diessen passiert. Jener gute Mann konnte mit dem Worte, das heute etwa "Därmsäal" gesprochen wird (mit dem Ton auf der zweiten Silbe), nichts rechtes anfangen; sicherlich war er nicht aus unserer Gegend. So heißt es denn in den "Salbüchern" (= Grundsteuerregister) des Klosters (Reichsarchiv Kloster Diessen, Literalien 48): " auf der darmsaill, auf der dermseull, die derseill pey greben". Der Schreiber schrieb hier nicht nach dem Sinn, den er nicht erkannte, sondern einfach nach dem Gehör.
   Für den Sprachforscher sind solche Schreibungen recht wertvoll, weil sie Aufschluß über die wirkliche Aussprache geben, die uns sonst hinter dem überlieferungsmäßig geschriebenen Wortbild immer verborgen bleiben. Vorliegender Fall ist lehrreich: Mittelhochdeutsch (also etwa zu Zeiten Walters von der Vogelwaide) würde der name gelautet haben: "diu ärmiu sel"; die Endung iu, gesprochen Ü, wirkte umlautend auf das a in arm, was das Neuhochdeutsche nicht mehr kennt, aber der Dialekt in unserem Falle bewahrt hat. Anders steht es mit "Säal" = Seele; diese Sprachform ist aus dem mhd. "sel" so wenig zu erklären wie die Schreibungen "saill", seull", "seill" des alten Klosterschreibers. Wir müssen zu deren Verständnis bis aufs Gotische zurückgreifen. Dort hieß die Seele noch "saiwala", hieran knüpft eine althochdeutsche Form "seula" an, an der man sieht, daß das w zu einem u geworden ist. Genau dieselbe Schreibform hat aber auch unser Klosterschreiber ("seull"). Das Doppel-L ist wohl der Ausdruck einer gewissen Verschärfung des L, die auch heute noch zu hören ist, und die ich auf die Verschmelzung der Mittelsile zu einem Laute zurückführe.
   Uebrigens fand ich den Namen der Flur auch im Grundbuch der St. Remigius-Kirche in Raisting ao. 1646:
   "... auf der Ermseyl, stoßt gegen Aufgang (= Osten) an Gmaingröben (= Gemeindegraben, eine sehr alte Entwässerungsanlage, deren Verlauf auch vom neuen Entwässerungssystem wieder aufgegriffen wurde), gegen Mittag an des Widen (= Widdum oder Pfarrbesitz) Grund."
   Aus dem Umstand, daß der Name schon um 1550 entstellt auftritt, schließe ich, daß er mindestens ins 15.Jahrhundert zurückgeht. Er kann sich nur auf jenes alte Sühnekreuz beziehen, das hier steht. Nach Angabe von Herrn Kölbl senior, früherem Bürgermeister in Raisting, wurde vor längerer Zeit unter dem Kreuze ein altertümliches Messer und ein Geldstück gefunden, ein untrügliches Zeichen dafür, daß dort ein Raubmord verübt worden ist. In dem Namen "Arme Seele" prägt sich die Geisterfurcht unserer Vorfahren aus. Sie gleubten, daß die gewaltsam von ihrem Leibe getrennte Seele nach dem Tode weiter an der Mordstätte weile.
   Wohin Messer und Geldstück gekommen sind, weiß mein Gewährsmann nicht zu sagen. Schade, daß so viele Altertümer den habgierigen Sammlern zum Opfer fallen! Wir könnten z.B. hier an Hand der Funde die genaue Zeit des Sühnekreuzes bestimmen und auch die näheren Umstände (aus dem messer etwa den Stand des Täters) ermitteln. Aber so wird dies alles wohl ewig in Dunkel gehüllt bleiben.

(Lechisarland, 4.Jg., Juni 1928, 6.Heft, S.86-88)


Sühnekreuze & Mordsteine