Deutschland Hessen Lkr. Marburg-Biedenkopf

Fronhausen


Abbildung bei
Niemeyer / Azzola
(1969)

PLZ: 35112

GPS:

Standort: An der Strasse Fronhausen nach Odenhausen in der Gemarkung Fronhausen, steht links am Abhang der Straßenböschung ein Sandsteinkreuz.

Größe / Material: 117:82:24 / Sandstein

Geschichte: Rechts der Straße nach Odenhausen am Hang. Das Steinkreuz wird "Schnabelskreuz" genannt. Es hat abgefaste Kanten. Die Winkel zwischen Stamm und Armen werden durch schmale Bogen ausgefüllt. Auf dem Kreuzschaft ist im Flachrelief kunstlos ein langes Schwert, auf den Armen sind zwei hackenartige Gegenstände dargestellt. Die Stilformen weisen in das 15.Jahrhundert. (Riebeling 1977)

Das Schnabelskreuz bei Fronhausen an der Straße nach Odenhausen
Abmessungen: Höhe über dem Erdboden 117; Breite 82; Dicke 24; Breite des Querbalkens 23; Länge der beiden Arme 27; Höhe des Kreuzkopfes 25; Breite des Kreuzkopfes 26,5; Breite des Fußes am unteren Ende des Schwertes 34.
Das Schnabelskreuz ist bereits mehrfach in die Literatur eingegangen. Paul Zaunert1) berichtet: "An dem Weg von Fronhausen nach Odenhausen steht rechts an der Böschung ein steinernes Kreuz (Sühnekreuz}, darauf sind zwei Hacken ausgehauen. Es heißt das Schnabelskreuz. Zwei Fuhrleute, von denen einer Schnabel hieß - der Name kommt jetzt noch in Fronhausen vor - begegneten sich dort mit ihren Fuhrwerken. Der Weg war schmal (und etwas hohl), ein Ausweichen unmöglich. Da gerieten sie in Streit und gingen mit ihren Hacken aufeinander los. Dabei wurde einer erschlagen."
   Nach Friedrich Küch2) ist "mit das interessanteste Kreuz in der Marburger Gegend das sogenannte Schnabelskreuz bei Fronhausen am Wege nach Odenhausen. Es ist 1,20 Meter groß, ebenfalls mit abgefaßten Kanten und dem schüchternen Versuch, die Winkel zwischen Stamm und Armen durch einen schmalen Bogen auszufüllen. Auf dem Kreuzstamm aber ist in flachem Relief kunstlos ein langes Schwert und auf dem Querstamm sind zwei hackenartige Gegenstände dargestellt. Die Stilformen weisen in das 15.Jahrhundert, und wir haben es ohne Zweifel mit einem Sühnekreuz zu tun, dem der Erschlagene, wie üblich, den Namen gegeben hat. Es ist Volksüberüberlieferung, daß hier ein Mann namens Schnabel einen gewaltsamen Tod gefunden hat. Tatsächlich ist der Name Schnabel als der einer Fronhäuser Familie dieser Zeit festzustellen".
   Das Steinkreuz stand früher oben auf der Böschung und war stark nach vorn geneigt, wie es eine ältere Zeichnung Otto Brinkmanns zeigt3). Seit der Straßenerneuerung vor wenigen Jahren ist es in die Böschung auf halbe Höhe gesetzt. Die unterschiedliche Deutung der Darstellung auf dem Steinkreuz durch Zaunert und Küch zeigt die Schwierigkeiten auf, die bis heute noch nicht überwunden sind, so daß auch hier kein klärender Beitrag zu dieser Frage geleistet werden kann. Sicher ist, daß das Schnabelskreuz als Sühne- oder Gedächtniskreuz des 15. bzw. beginnenden 16.Jahrhunderts aufgefaßt werden darf; es zeigt als einziges Denkmal seiner Art im Kreis Marburg Dreieckstützen. (Niemeyer / Azzola 1969)
1) Friedrich Küch: Alte Kreuze am Wege - Sühnekreuze in der Marburger Landschaft --> Hessenland 52 (1940/41), Nr.73-77, [Posthum erschienen, auf Grund unzureichender Kenntnis der Sammlungen Küchs.]
2) Paul Zaunert: Hessen-Nassauische Stammeskunde (Deutscher Sagenschatz). 1929, 308 (nach Amtsgerichtsrat von Baumbach, Fronhausen),
3) Otto Brinkmann: Das Schnabelskreuz bei Fronhausen --> Aus der Vergangenheit unserer Heimat, Geschichtsbeilage der Oberhessischen Presse, Marburg, Nr.64 vom 7.3.1951, S.2.

Sage: Zwei Fuhrleute, von denen einer Schnabel hieß, begegneten sich dort mit ihren Fuhrwerken. Der Weg war schmal, ein Ausweichen nicht möglich. Da gerieten sie in Streit und gingen mit ihren Hacken aufeinander los. Dabei wurde einer erschlagen. (Riebeling 1977)

Quellen und Literatur:
Zaunert, Paul - Hessen-Nassauische Stammeskunde (Deutscher Sagenschatz), Jena 1929, S.308
Küch, Friedrich - Alte Kreuze am Wege (Sühnekreuze der Marburger Landschaft), in: Hessenland, Nr.51, 1940/41, S.73f.
Brinkmann, Otto - Das Schnabelskreuz bei Fronhausen, in: Aus der Vergangenheit unserer Heimat, Geschichtsbeilage der Oberhessischen Presse, Marburg, Nr.64 vom 7.3.1951, S.2
Niemeyer, Wilhelm - Alte Steinkreuze am Wegesrand, in: Kasseler Post vom 19.11.1960
Niemeyer, Wilhelm / Azzola, Friedrich Karl - Die alten Steinkreuze und Kreuzsteine im Stadt- und Landkreis Marburg, in: Zeitschrift des Vereins für hess. Geschichte und Landeskunde, Nr.80, 1969, S.51-52
Riebeling, Heinrich - Steinkreuze und Kreuzsteine in Hessen, 1977, Nr.5318.5
recherchiert und bebildert von H.P. Probst, Grünberg-Queckborn (Foto von 2004)
Ergänzungen von Stephan Altensleben



Das Schnabelskreuz bei Fronhausen
von Otto Brinkmann

   Der Haß lauert in der Welt. Er schleicht in der Tarnkappe herum, bricht unvermutet hervor und schlägt erbarmungslos zu. Zwar bemüht sich der Mensch im Laufe der Jahrhunderte um die Ausweitung seines Geistes, und man sollte meinen, er werde langsam klug genug, dem Haß die Kappe abzureißen. Aber gesteigerte Gehirntätigkeit macht uns alle nicht besser, und wir müssen immer wieder von vorne anfangen. So sollten wir niemals an einem Sühnekreuz vorübergehen, ohne zu versuchen, uns auf bessere Aufgaben zu besinnen, als einander Locher in den Kopf zu schlagen.
   Wenn auch das Blut unter dem Schnabelskreuz längst versickert ist und wir alle in unserer Zeit mit grausigen Bildern genügend eingedeckt sind, so sollte uns doch ein solches Mahnmal aus alter Zeit daran erinnern, daß die nichtigsten Ursachen auch uns einmal schuldig machen können.
   Die Ueberlieferung schwankt wohl in der Zeitangabe der Errichtung dieses Sühnekreuzes, aber in der Darstellung der Tat erkennt man die Ohnmacht des Menschen. Denn es ist selten ein Zeichen von Stärke, solange zu hauen und zu stechen, bis das Leben entweicht.
   Vor allem dann nicht, wenn die Ursache nur ein Hohlweg ist, der zum Nachgeben des Klügeren bei der Begegnung zwingt.
   Wir sitzen heute alle mehr oder weniger in Hohlwegen und begegnen einander irgendwie in der Klemme. Deswegen sollten wir uns dieses Sühnekreuz häufig ins Gedächtnis rufen.

O. B.
(Aus der Vergangenheit unserer Heimat, Geschichtsbeilage der Oberhessischen Presse, Marburg, Nr.64 vom 7.3.1951, S.2)


Sühnekreuze & Mordsteine