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Statuen Ekkehards von Meißen und seiner Gattin Uta von Ballenstedt im Dom zu Naumburg a.S.
(13. Jahrhundert). Das Schwert spiralförmig umwickelt. Quelle: Meyer (1903) |
Das Schwert als Rechtssymbol
Schwert; auf den Griff des Schwertes mit in die Erde gesteckter Spitze wurde bei Schwüren und Gelübden die Hand gelegt, in ältester Zeit wohl auch
durch blosses Ausziehen des Schwertes geschworen. Die Freischöffen bei der Fahne legten ihre Finger aufs breite Schwert und schwuren. Die sich ergaben, gingen
entweder ohne Schwert oder fassten das Schwert an der Spitze, ihrem Sieger den Griff reichend. Durch das Schwert geschah auch Übergabe von Land; es war
Symbol der Gerichtsbarkeit, besonders der peinlichen über Leben und Tod. Die Friesen tragen der Braut bei der Brautführung ein Schwert vor, zum Zeichen, dass
der Mann Gewalt über ihr Leben habe. Übersendung und Annahme des Schwertes bezeichnet die zu vollziehende Hinrichtung. Es war endlich Sitte, wenn ein Mann
bei einer Frau schlief, die er nicht berühren wollte, dass er ein Schwert zwischen sich und sie legte; nach der Sage geschah dies z.B. zwischen Sigurd und Brunhild;
in deutschen Dichtungen zwischen Tristan und Isolde, zwischen Wolfdietrich und der Heidentochter, Orendel und Frau Breide und in vielen andern Sagen.
(Götzinger, Dr. E. - Reallexikon der Deutschen Altertümer. Ein Hand- und Nachschlagebuch der Kulturgeschichte des deutschen
Volkes, Leipzig 1885, S.821-822)
[...] Die Fessel ist am Schwertmund befestigt, bleibt deswegen an der Scheide hängen, wenn der Ritter sich des Schwertes
samt der Scheide entledigt. Dann wird sie, wie man das auch auf andern Monumenten sieht, spiralisch um die Scheide bis in die Nähe der Spitze herum geschlungen,
so gewöhnlich, wenn dem Grafen das Schwert als Wahrzeichen seiner Gerichtsgewalt dient, aber auch bei anderen Gelegenheiten, wo es samt der Scheide in freier Hand
gehalten wird [...]. In der Maness. Handschrift freilich hängt die Schwertfessel fast immer lose an der Scheide [...]. Das eine Ende der Schwertfessel spaltet sich in zwei
schmale Riemen, die durch einen Schlitz am andern Ende durchgesteckt und dort verknotet werden können.
(Amira, Karl von - Die Dresdener Bilderhandschrift des Sachsenspiegels, 1925, 2.Bd., Teil I, S.68)
[...] Unter "Richtersymbolen"1) versteht man bestimmte faktische (deskriptive, d.h. als
Tatsachen beschreibbare) Gegenstände oder Gesten oder Szenen, denen ein bestimmter Sinn zukommt, weshalb sie als Zeichen fungieren: nämlich, daß der
Mensch (immer der Mann) - der mit ihnen in Beziehung dargestellt ist - ein Richter ist bzw. in der Funktion als Richter tätig ist.
Das Richterschwert
Am eindringlichsten ist dabei sicherlich das Schwert2), das der als Richter ausgezeichnete Mann in den Händen hält: als Zeichen der
Blutgerichtsbarkeit, die in einem Verfahren unter seinem Vorsitz ausgeübt wird. Dies bedeutet, daß das letzte Urteil - das der Richter von den Schöffen mit feierlichen,
althergebrachten Worten vor der versammelten Öffentlichkeit erfragt3) - auf Tod für den Verklagten lauten kann. Stellt der Richter diese
entscheidende Frage, dann hebt er das sonst ruhig auf den Schenkeln liegende Schwert in die Höhe: auch dies als Zeichen für den Ernst der Situation, zugleich als
Aufforderung an die Versammelten, genau zuzuhören und aufzupassen, damit alles in Ordnung nach dem alten Recht vor sich geht. Diese Geste des Hochhebens des
Schwertes ist von daher ebenfalls als ein Richtersymbol anzusehen; wie ebenfalls das ruhige Liegenlassen auf den Schenkeln (worauf noch einzugehen sein wird).
Warum ein solches Schwert als Symbol der Blut- (oder Hoch-)gerichtsbarkeit in Betracht kam, liegt auf der Hand: diente das Schwert doch als Instrument der
Hinrichtung des verurteilten Missetäters. Freilich war das eigentliche Richterschwert - das meistens ein Schmuckstück war, wobei der Stahl in einer kostbaren Scheide
ruhte - nicht das Richtschwert des Scharfrichters: letzteres mußte schwer sein, um im Zusammenhang mit der schnellen Drehbewegung die erforderliche Energie zu
begründen, um die Wirbelsäule des Betroffenen zu durchschlagen und damit diesem den Kopf abzuschlagen (ihn zu "enthaupten"), Um ein Zustechen ging es bei der
Hinrichtung also nicht, weshalb das Richtschwert vorne abgerundet war; im Gegensatz zum Richterschwert, das mit dem zugespitzten Ende an die Waffe erinnerte,
die im Zweikampf auf Leben und Tod verwendet wurde.
Dieses Schwert diente allgemein als Zeichen der Macht, wie wir es z.B. aus der antiken, dann mittelalterlichen "Zweischwerterlehre" her kennen4),
wonach der göttliche Rechtsherr Christus - der selbst das Recht war, weshalb ihm das Rechte lieb war - sowohl dem Kaiser als auch dem Papst je ein heiliges Schwert
vom Himmel herabreicht und sie damit einerseits mit der irdischen Gewalt (auf Leben und Tod), andererseits mit der Gewalt zur geistlichen Gerichtsbarkeit belehnt.
Von daher wird der Zusammenhang von Herrschaft und Richterfunktion deutlich: der Richter ist Vertreter des Herrschers, dem die allgemeine Gerichtsgewalt zukommt,
er hat von diesem den Richterbann erhalten und leitet das Verfahren mit Unterstützung der herrschaftlichen Autorität. Der Richter muß der Stärkste in dem Verfahren
sein, in dem sich aggressive Gegner gegenüber stehen, die das Verfahren durchaus noch im Sinne des alten Zweikampfes verstehen, begleitet von bewaffneten
Freunden. Die Atmosphäre einer solchen alten Gerichtsversammlung war emotional aufgeheizt, mußte deshalb durch feierliche Gesten und symbolträchtigte Gegenstände
und Szenen unterdrückt werden.
Dazu diente sicherlich das Richterschwert: nicht nur durch diesen Verweis auf die Macht des Herrschers, sondern auch durch den damals allen Beteiligten von der
kirchlichen Kunst her bekannten Hinweis auf die beiden Schwerter, die dem göttlichen Weltenrichter am Ende der Tage aus dem das Urteil über die Menschheit (und
die Schöpfung überhaupt) sprechenden Mund hervorstechen (sofern nicht eines durch die Gnade versprechende Lilie ersetzt ist)5). Vorbild des
Richters und zugleich ermahnendes, Gerechtigkeit anmahnendes Bild war jedenfalls dieser letzte Richter, weshalb in den später in den Rathäusern eingerichteten
Gerichtsräumen ein Bild des Jüngsten Gerichts aufzuhängen war6). [...]
1) Dazu vgl. Erler, Rechryssymbolik; Kocher, Zeichen; Schild, Gerichtsbarkeit, S.132 ff.; Zweig, Symbolforschung.
2) Vgl. dazu Hüpper, Schwert, Sp.1570ff.; Kocher, Schwert, Sp.1644.
3) Dazu vgl. Weitzel, Recht.
4) Vgl. die Abb.l in: Schild, Gerichtsbarkeit (m.w.N.).
5) Dazu vgl. Schild, Gott, S.44ff
6) Dazu und zu weiteren Gerechtigkeitsbildern vgl. Erler, Gerechtigkeitsbilder; Schild, Gott, S.44ff; ders. Gerechtigkeitsbilder, S.86ff.; ders. Bilder; Tipton, Res.
(Schild, Wolfgang - Richtersymbole. Zum Verfahren als "Theater des Rechts" in Mittelalter und Früher Neuzeit, in: Leben im Mittelalter und Moderne, 2003, S.11-13)