Deutschland Hessen Lkr. Bergstraße

Grasellenbach


undatierte AK

undatierte AK

PLZ: 64689

GPS: N 49° 37,226', O 8° 52,231'

Standort: Am Denkstein beim Siegfriedsbrunnen, nördlich vom Spessartskopf.

Größe / Material: Sandstein

Geschichte: Steinkreuz in neugotischer Form. Das Kreuz wäre für die Steinkreuzforschung kaum von Interesse, wenn es nicht die Tradition eines alten Kreuzes fortsetzte.
A.L. Grimm schreibt 1828 von der Quelle bei Gras-Ellenbach: "Ein einfaches niedreres Kreuz bezeichnete einst die Stelle. Jetzt liegt der Stein herausgerissen da, ohne Spur einer Jahreszahl oder Inschrift."
Im 19. Jahrhundert war ein Gelehrtenstreit um die "richtige" Stelle entbrannt, in dessen Folge 1884 auch der Lindelbrunnen im benachbarten Hüttenthal als "Siegfriedsbrunnen" gestaltet wurde. (vgl. auch Odenheim)
Um 1900 war die Anlage vernachlässigt und der Denkstein umgefallen. 1924 wurde sie wieder hergerichtet.
Im Bereich des Siegfriedsbrunnens führte die "Hohe Straße" vom Neckar nach Norden (= Alte Poststraße).

Sage: 1.Hier haben sich einmal zwei Männer gegenseitig totgeschlagen.
2. "In diesem Revier findet sich eine lautere Bergquelle, und siebzigjährige Greise erinnern sich, daß vor Zeiten eine uralte Eiche dabei gestanden; auch hier sollen sich in der Vorzeit zwei Männer daselbst ermordet haben. ..."
Eine Verbindung mit der Siegfriedsage war im Volk nicht bekannt.

In der Nibelungen-Forschung wird die Quelle bei Gras-Ellenbach recht häufig als der Ort der hinterlistigen Ermordung des kühnen Helden Siegried durch den grimmen Hagen genannt. Sie liegt am Fuße des Berges "Spessartskopf", der mit dem "Spehtsharte" in der mittelalterlichen Dichtung gleichgesetzt wird.
In der Mitte des 19. Jahrhunderts wurde diese Quelle von dem Geh. Hofrat Dr. Knapp aus Darmstadt entdeckt und ist seither zu einer der Wallfahrtsstätten der Nibelungen-Freunde geworden. Das Wasser wurde gefaßt und plätschert aus einer Wand aus Bruchsteinmauerwerk heraus. Die Inschrift in einem Steinblock weist sie als "Siegfrieds=Brunnen" aus.
1851 wurde daneben ein gotisierendes Steinkreuz errichtet, in dessen hohen Sockel die Strophe 981 aus der 16. "Aventiure" des Nibelungenliedes in mittelhochdeutscher Sprache eingemeisselt ist. Siegfrieds Ermordung. Gegenüber, in einem flachen Stein, ist eine Wappen-Lilie eingraviert. Die Anlage entspricht dem romantischen Gedankengut des 19. Jahrhunderts.

Quellen und Literatur:
Grimm, A.L. - Vorzeit und Gegenwart an der Bergstraße, dem Neckar und dem Odenwald. Darmstadt 1822
Mößinger, Friedrich - Steinkreuze zwischen Rhein, Main und Neckar, 1936, S.60
Bormuth, Heinz - Die alten Steinkreuze im Landkreis Bergstraße, 1975, S.68
Riebeling, Heinrich - Steinkreuze und Kreuzsteine in Hessen, 1977, S.191, Ziff.6319.8
Winter, Heinrich - Wo Siegfried erschlagen wurde, in: eimatliches Erbe, Bd. 1 - Am Wegrand. Heppenheim , ca.1966, S.138-140
Wandervorschlag, in: Pirelli-Werkszeitung von 1972, S.19
Chronik: Siegfriedsbrunnen vor 150 Jahren
www.odenwald.de
Nibelungenlied bei Wikipedia
Bildquelle: Kunstgeografie in NL
recherchiert von Rudolf Wild, Annweiler-Queichhambach
Ergänzungen von Gerdi Röske, Höchst im Odenwald



Wo Siegfried erschlagen wurde
von Heinrich Winter

Seitdem man systematische Geschichtsforschung treibt, also schon etwa 150 Jahre lang, bewegt die Frage nach der Lokalisierung der Nibelungensage, insbesondere aber nach dem Ort von Siegfrieds Tod heimatliebende Gemüter. Bereits wenige Jahre nach 1800 hielt der für unsere hessische Geschichtsforschung so bedeutende Gernsheimer Pfarrer und spätere Mainzer Domkapitular J. K. Dahl eine Stelle im Lorscher Wald dafür. Vor jetzt rund 100 Jahren war Staatsrat Knapp, Darmstadt, überzeugt, in der Quelle unterhalb des Spessartkopfes bei Gras-Ellenbach den Tatort des Dichters gefunden zu haben. Vor 30 Jahren veröffentlichte der Darmstädter Archivdirektor Dr. Julius Reinhard Dietrich eine Studie über den Ort von Siegfrieds Tod. Sie wurde in "Die Starkenburg", Nummer 1 des Jahres 1926, veröffentlicht und beginnt mit den Sätzen:

"Ist es nicht töricht zu fragen: 'Wo ist Sigfrid erschlagen worden?' Als ob Sigfrid jemals Fleisch und Blut gewesen und von Hagens Hand gefallen wäre! Man könnte doch höchstens fragen: 'Wohin hat der Dichter des Nibelungenliedes Sigfrids Ermordung verlegt? Welche bestimmte Örtlichkeiten hatte er im Auge, als er die 16. Aventiure 'Wie Sifrit erslagen wart' schrieb?"

Dietrich versucht dann in seiner Studie, den Lindelbrunnen in der Heppenheimer Gemarkung, etwa zwei Kilometer westlich der Stadt am alten Viehweg gelegen, als den wahrscheinlichen Ort der Tat, d.h. als den Ort, den der Dichter des Nibelungenliedes bei der Beschreibung der Mordtat vor Augen hatte, nachzuweisen. Durch diese Studie werden die beiden älteren, bereits in den 50er Jahren des vergangenen Jahrhunderts für die wahrscheinlichen Orte der Tat gehaltenen Brunnen inmitten des Odenwaldes, der auf dem Nordhang des Spessartkopfes bei Gras-Ellenbach und der unweit Hüttenthal gelegene, angezweifelt. Dietrich durfte dies auf Grund seiner Überlegungen tun, die er wissenschaftlich gut zu unterbauen vermag. Letzten Endes aber hat nicht die Wissenschaft die Macht, einer Stätte eine solche Weihe zu geben, daß diese dem Volk spürbar wird!
Heppenheim hat lange vor der wissenschaftlichen Begründung seine Riedquelle "An den zwei Linden" mit einem mächtigen, kreisrunden Sandsteintrog gefaßt. Er besteht aus einem Stück, obwohl er einen Durchmesser von 1,76 Meter hat. Vor vielen Jahren soll mit ihm eine andere, weiter westlich im Wiesengelände vorhandene Quelle gefaßt gewesen sein. Zum Wasserschöpfen diente ein mächtiger, hochragender hölzerner Hebelarm. Diese Anlage verwahrloste zwischen den beiden Weltkriegen. Im Jubiläumsjahr der Stadt Heppenheim 1955 erhielt das Sandsteinrund ein gut gebildetes, schmiedeeisernes Abdeckgitter. Ein Jahr darauf wurde ein Granitfindling daneben gestellt. In ihn ließ man eine künstlerisch gestaltete, gußeiserne Platte ein, auf der in Wort und Bild auf das Geschehen hingewiesen ist.
Mag auch in Hüttenthal und in Gras-Ellenbach manches gegen die Annahme sprechen, daß der Dichter hier das Geschehen um Siegfrieds Tod hinverlegt hat, das Volk hat sich beider Brunnen angenommen, nachdem es vor rund 100 Jahren, insbesondere durch Staatsrat Knapp, auf sie aufmerksam gemacht worden war. Das Volk war bereit, die ihm immer wohl unverständlich bleibende Mordtat an dem besten, schönsten, tapfersten und lichtesten Helden seiner Frühgeschichte in die Dämmerung des ewig dunklen Waldes zu legen. Aus dem Rauschen seiner Zweige und dem leichten Plätschern des dünnen Wasserfadens hört es heute noch die uralte traurige Mär. Besondere Liebe galt hierbei wohl immer dem Gras-Ellenbacher Siegfriedsbrunnen, vielleicht deshalb, weil man hier an versteckter Stelle ein altes Sühnekreuz fand, das 1851 durch ein neugotisches ersetzt wurde. Seine Sockelinschrift ist die 981. Strophe in der 16. Aventiure des Nibelungenliedes:

'Da der herre Sifrit ob dem brunnen tranch,
er schoß in durch das chruze, das von der wunden spranch
das blut von dem herzen vast an die Hagenen wat.
so große missewende ein held nu nimmer mer begat.'

"Als der edle Siegfried aus dem Brunnen trank,
Er schoß ihm durch das Kreuze, daß aus der Wunde sprang
Das Blut von seinem Herzen an Hagens Gewand.
Kein Held begeht wohl wieder solche Untat nach der Hand."
(Nach der Übersetzung von Karl Simrock)

(Winter, Heinrich - Heimatliches Erbe, Bd. 1 - Am Wegrand. Heppenheim , ca. 1966, S.138-140)


Sühnekreuze & Mordsteine