Deutschland
Hessen
Lkr. Gießen
Leihgestern / OT von Linden
PLZ:
35440
GPS:
Standort:
Inmitten der Kreuzwiese, ca. 2km nordöstlich von Leihgestern.
Größe / Material:
50:60 / Lungstein (Basaltlava)
Geschichte:
Der Stein wird "Kässtein" genannt.
[...] Der Stein ist außerordentlich schwer zu finden, da er inmitten eines ausgedehnten Feuchtwiesengeländes liegt, das dem
Auge keinerlei Bezugspunkte bietet. weder die Waldränder in Norden und Westen noch die im Osten verlaufende
Hochspannungsleitung eignen sich ohne Hilfsmittel zur Lagebestimmung.
Die Umrisse des mit dem Erdreich fast bündig liegenden Steinblocks umschreiben annähernd die Form eines spitzen
Wappenschildes von ca. 60cm Länge und 50cm Breite. Die Dicke des Steines wäre nur durch Ergraben zu ermitteln.
Der Block besteht aus Lungstein (auch Basaltlava, Poren- oder Blasenbasalt) und scheint bis auf einen 30:30cm großen
quadratischen, scharfkantig herausgearbeiteten Ansatz, dessen aufsteigende Fortsetzung abgebrochen ist, und der umgebenden
Oberfläche unbearbeitet zu sein. Im Mittelpunkt der Bruchfläche ist eine kreisrunde Bohrung von 3cm Durchmesser ca. 4cm eingetieft;
sie läuft konisch aus.
Leider hat wohl der Nutzer der Wiese die quadratische Bruchfläche weiß angestrichen, was nicht nur den Gesamteindruck
entstellt, sondern auch die fotografische Wiedergabe erschwert.
Der exakt ausgearbeitete Ansatz auf dem Basaltlavablock muß wohl als Rest des abgebrochenen Schaftes eines Steinmals
gedeutet werden; der unförmige, unbearbeitete Stein selbst ist demnach dessen allein noch erhaltener Fuß. [...]
[...] Wenn auch die Flurbezeichnung "Kreuzwiese" sicherer Hinweis darauf ist, dass der klobige Fuß ein Steinkreuz trug, so
muß dessen Rekonstruktion doch Spekulation bleiben. Allein die durch die Größe der Bruchfläche vermeintlich überlieferten Maße
des Schaftquerschnittes ließen eventuell Rückschlüsse auf die Größe des Kreuzes zu. Es zeigt sich jedoch, dass die Befunde für
eine definitive Größenangabe nicht ausreichen: die vergleichende Betrachtung ergibt, dass der Schaft keines Kreuzes im Kreis
Gießen (und darüber hinaus) den enormen Querschnitt von 30:30cm aufweist. Die Schäfte der beiden klobigen, archaisch wirkenden
Kreuze von Queckborn und Rabertshausen
sind zwar je ca. 30cm breit, aber nur etwa 25cm dick.
Insoweit müsste dem Leihgesterner Kreuz Einmaligkeit bescheinigt werden. Andererseits ist jedoch gar nicht sicher, dass die
Bruchfläche den Schaftquerschnitt markiert.
Ich halte es für wahrscheinlicher, dass der eigentliche Schaft sich über einer sockelartigen Verbreiterung von 30:30cm
verjüngte, wie wir es vom 95cm hohen Kreuz vor dem Laubacher Museum kennen,
bei dem eine Querschnittsreduktion von 32 auf 24cm erfolgt.
Aus den Befunden lässt sich auch nicht zweifelsfrei ableiten, ob das Kreuz ein monolithisches Steinmal gewesen ist, also aus
einem Steinblock herausgearbeitet wurde. Der Vergleich mit den Steinkreuzen im Kreis Gießen spricht dafür. (Nur das mächtige
Frauenkreuz im Krofdorfer Forst, das jedoch eine Sonderstellung einnimmt, ist aus Teilstücken zusammen gefügt.)
Welche Bedeutung hat aber dann die zentrale Bohrung inmitten der Bruchfläche? Sie scheint einer später – nach einem Bruch
des Kreuzschaftes – erfolgten Reparatur zuzugehören und unterer Endpunkt einer Verdübelung zu sein. Allerdings ist wohl der
Primärbruch nicht an der heute sichtbaren Bruchstelle erfolgt; die hier nur 4cm tiefe Bohrung hätte zur sicheren Verankerung eines
Eisendollens nicht ausgereicht. Vielmehr muß der Schaft zunächst in höherem Bereich gebrochen sein. Nach erfolgter Reparatur
brach dann das Kreuz – wie schon zuvor durch Gewalteinwirkung – erneut ab, freilich diesmal an der schwächsten Stelle am unteren
Ende des Reparaturdollens, der heute sichtbaren Bruchstelle.
Die Frage nach dem Verbleib des abgebrochenen Kreuzes muß unbeantwortet bleiben. Da sich keinerlei Erinnerung an das
Kreuz selbst erhalten hat, ist es vermutlich schon lange Zeit verschollen. [...] (Rumpf 1999)
Sage:
Leihgesterner Hirtenjungen spielten eines Tages
auf der Hohenrodswiese, die von Leihgestern aus eine halbe Stunde in Richtung nach Steinberg hin liegt, und sie verabredeten sich,
dass sie bei der nächsten Zusammenkunft am folgenden Sonntag jeder einen Käse mitbringen wollten.
Alle erschienen denn auch mit ihrem Käse an dem bestimmten Tage mit Ausnahme eines einzigen, den seine Kameraden
scherzweise am nächsten Baum aufzuknüpfen beschlossen. Während des Aufhängens sprang ein Hase auf, den die ganze Schar
nun verfolgte und so den am Baum hängenden Kameraden vergaß. Als die Jungen endlich wieder zu ihm zurückkamen, fanden sie
ihn tot.
Zur Erinnerung an diesen Vorfall setzte man an dieser Stelle einen Stein, der die Gestalt eines Käses hatte und der heute noch
als behauener viereckiger, an den Ecken abgeschliffener Stein von etwa 30cm im Geviert zu sehen ist. (Wehrhahn 1922)
Die gleiche Sage wird vom "Bubenkreuz" bei Vielbrunn im Odenwald erzählt.
Quellen und Literatur:
• Rumpf, Volker - "Der Kässtein in der Kreuzwiese…", in: "Mitteilungen des Oberhessischen Geschichtsvereins", Neue Folge, Nr.84, 1999
• Wehrhahn, Karl - Sagen aus Hessen und Nassau, 1922
• Recherche, Foto und Rekonstruktionszeichnung von Volker Rumpf, Ebsdorfergrund